Scorpions-Frontmann Klaus Meine hat mit EXPRESS.de über die gerade wegen Verletzungspech abgebrochene Tour, mögliche Ersatztermine und bizarre Kamelle-Erfahrungen gesprochen.
„Weil alle Hotels voll waren“Als Klaus Meine und die Scorpions nachts in Köln improvisieren mussten
Viel Schlimmeres kann einer Band nicht passieren: Die Scorpions („Wind of Change“) haben ihr für den 18. September in Köln geplantes Konzert gecancelt, weil sich Lead-Gitarrist Matthias Jabs (68) bei einem Treppensturz die Ferse und den kleinen linken Finger gebrochen hat. Die Band ist jetzt auf der Suche nach einem Ersatztermin.
Das tut weh, denn auf ihrer Tournee feiern die Scorpions den 40. Geburtstag ihres Hitalbums „Love At First Sting“ – und das ist in Köln und Stommeln entstanden. EXPRRESS.de sprach dazu mit Scorpions-Chef Klaus Meine (76).
Klaus Meine: Wir arbeiten an einem Ersatztermin für Köln
Der Abbruch einer erfolgreichen Tournee. Ist Ihnen das schon oft passiert?
Klaus Meine: Das ist bisher äußerst selten vorgekommen, obwohl wir ja schon viele, viele Jahre viele, viele Konzerte auf allen Kontinenten gegeben haben. Wir sind sehr bemüht, uns gesund zu halten, damit so etwas nicht passiert.
Wie beugen Sie persönlich vor?
Klaus Meine: Ich versuche, meine Stimme zu schonen. Am Konzerttag spreche ich nicht, und ich achte immer sehr drauf, mich nicht zu verkühlen.
Gibt es schon einen Ersatztermin?
Klaus Meine: Nein. Aber wir arbeiten dran.
Mit Ihrem Konzert wollten Sie in Köln den 40. Geburtstag Ihrer LP „Love At First Sting“ feiern. Warum eigentlich gerade dieses Album?
Klaus Meine: Weil es das verdient hat! Es ist eines unserer erfolgreichsten. Es wurde in Amerika mit Doppel-Platin ausgezeichnet und enthält einige unserer größten Hits, u. a. „Rock You Like a Hurricane“ oder „Still Loving You“. Es sind Songs, die immer wieder gespielt werden oder neu bei Sport-Events und in Netflix-Serien auftauchen – echte Klassiker.
Welchen mögen Sie besonders?
Klaus Meine: „Rock You like a Hurricane“ – ein Song, der für die Ewigkeit gemacht ist. Er hat ein superstarkes Riff, und die Hookline „Here I am, Rock You Like a Hurricane“ bringt es auf den Punkt. Das haben zigtausende Fans mitgesungen, ein Höhepunkt eines jeden Scorpions-Konzerts.
War Ihnen schon vor 40 Jahren klar, was Sie damit geschaffen haben?
Klaus Meine: Man konnte es ahnen. Das Riff, das wir zuerst hatten, war genial. Danach haben Herman Rarebell und ich uns an den Text gemacht. Wir haben viele Versionen verworfen, bis wir die endgültige hatten. Es zeichnete sich da schon ab, dass es ein ganz besonderer Song wird.
Bedeutendes Scorpions-Album entstand in Köln und dem Rheinland
Das Album hat eine besondere Rheinland-Geschichte …
Klaus Meine: In der Tat. Es ist in Stommeln bei Dieter Dierks in der Hauptstraße 33 entstanden. Dieter saß wie immer am Regler und hatte so natürlich einen nicht unwesentlichen Anteil am Erfolg. Wie damals immer – wir haben ja alle großen Erfolgsalben der 80er bei ihm gemacht.
Sie waren damals oft in Köln …
Klaus Meine: … Ja, ich habe viele schöne Erinnerungen an die Stadt, wir sind so verbunden mit ihr, mehr geht nicht. Einmal haben wir hier sogar auf einem Rheindampfer übernachtet, weil alle Hotels ausgebucht waren. Ich hatte hier meine ersten Begegnungen mit dem Karneval, der mir als Norddeutscher fremd war.
Wie war das?
Klaus Meine: Wenn wir bei Dierks im Studio waren und der Festzug von weitem zu hören war, rief Mutter Dierks: „D'r Zoch kütt!“ – dann mussten wir raus und gucken. Und sehr oft bekam ich Kamelle an den Kopf geschmissen und wusste nicht, warum.
Nach einem Song wie „Hurricane“ – hatten Sie danach überhaupt noch den Ehrgeiz, den beim nächsten Album zu übertrumpfen?
Klaus Meine: Klar. Wir hatten schon den Antrieb, weiter auf diesem Niveau zu bleiben, nicht abzusacken. Wir wollten zeigen, dass das keine Eintagsfliege war, dass wir mehr draufhaben. Wir hatten in der ersten Hälfte der 80er einen sehr guten Lauf. Damals sind sehr starke Songs entstanden. Das hat uns nicht nur als Live-Band beflügelt, sondern auch unsere Songwriter-Qualitäten herausgefordert. Alben wie „Animal Magnetism“ und vor allem„ Blackout“ waren mega – letzteres wurde ein Welterfolg.
Es war eine komische Zeit für die Scorpions. Die Band war weltberühmt – nur in Deutschland wurde sie nicht so wahrgenommen.
Klaus Meine: Stimmt. Das war die Zeit, in der die Neue Deutsche Welle mega-erfolgreich war, nichts anderes ging. Doch wir hatten Riesenerfolge in Amerika, haben dreimal den Madison Square Garden ausverkauft, deswegen hat uns das, was in Deutschland abging, nicht wirklich erreicht. Damals haben alle Deutsch gesungen. Über mich schrieb man: „Klaus Meine, der letzte deutsche Sänger, der Englisch singt“!
Auf Ihrer US-Tour vor 40 Jahren war Bon Jovi Ihre Vorband. Wie kam es dazu?
Klaus Meine: Wir suchten einen besonderen Support-Act für die Tour, waren gerade in Paris, ließen uns die Kassetten, die es damals noch gab, von einzelnen Bands schicken. Eine davon war von Bon Jovi, der Song war „Runaway“, den wir cool fanden. Es sind auch andere US-Bands von unserer Musik beeinflusst worden – z. B. Metallica oder Smashing Pumpkins. Metallica-Gitarrist Kirk Hammett hat unsere Heimatstadt Hannover deswegen als „heiligen Boden“ bezeichnet.
Wenn man mit Ihnen spricht, darf man „Wind of Change“ nicht vergessen. Vom Frieden, von dem wir alle mit dem Song träumten, ist zurzeit nicht viel zu sehen. Hat der Song dadurch für Sie eine andere Bedeutung erhalten?
Klaus Meine: Er wird von Fans auf der ganzen Welt als Friedenshymne wahrgenommen. Egal, wo wir „Wind of Chance“ spielen, es wird immer sehr emotional, vor der Bühne wird manche Träne vergossen. In den letzten zwei Jahren haben wir damit die Solidarität mit der Ukraine ausgedrückt. Nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2024, habe ich die Zeilen nochmals verändert. Jetzt heißt es: „Listen To My Heart/It Still Believes In Love“. Das bedeutet, dass wir nach all dem, was gerade in der Welt passiert, immer noch an das Gute glauben und darauf hoffen, dass der Wind sich dreht.
Haben Sie eigentlich schon als Kind davon geträumt, eines Tages in der ersten Rock-Liga mitzumischen?
Klaus Meine: Träumen nicht alle kleinen Kinder davon, eines Tages ganz oben dabei zu sein, in der Musik, im Sport oder sonst wo? Um das zu erreichen, muss man manchmal das Glück haben, zur richtigen Zeit die richtigen Leute zu treffen. Bei mir war es Rudolf Schenker, der den gleichen Traum, das gleiche Selbstbewusstsein wie ich hatte. Motto: „Folge deinem Herzen“. Es ist nicht wichtig, wo du herkommst, sondern wo du hinwillst, was du dafür machst und wie stark du daran glaubst. Egal, wo du bist – du musst abliefern, du musst das Ding nach Hause bringen, du musst die Leute begeistern.
Was war die meist gestellte Frage in Interviews?
Klaus Meine: Seit Jahren ist es diese: „Wie lange wollt Ihr das noch machen?“
Und?
Klaus Meine: Das weiß ich wirklich nicht. Mal schauen, was das Leben so bringt. Solange es die Rock'n'Roll-Götter da oben noch gut mit uns meinen, machen wir weiter.
Sie sind 76. Gab es Vorbilder in dem Alter, in dem Sie jetzt sind, als Sie anfingen?
Klaus Meine: Nee. Damals war es Musik von jungen Leuten für junge Leute. Heute gibt es ja Mick Jagger, der auch mit 80 noch auf der Bühne herumtobt, und andere Kollegen, die auch nicht mehr ganz taufrisch sind (lacht).
Haben Sie sich vorstellen können, dass es so lange geht?
Klaus Meine: Das hätten wir alle nicht gedacht. Für uns war klar: Wenn wir 30 sind, ist das vorbei. Es gab viele Musiker-Wechsel, auch Rückschläge und Zeiten, in denen wir durch ein tiefes Tal gehen mussten. Trotzdem sind wir immer wiedergekommen. Wir haben oft gehört, dass wir die Musik von gestern machen – heute ist die populärer als je zuvor.
Klaus Meine: Vom Dekorateur zum Superstar der Rockmusik
Klaus Meine (geboren am 25. Mai 1948 in Hannover) machte eine Ausbildung zum Dekorateur. Mit neun Jahren erster Bühnenauftritt im Festzelt in Langenhagen mit dem Rocco-Granata-Hit „Marina“. Mit 17 Sänger und Gitarrist der hannoverschen Band Shamrocks.
Nach der Bundeswehrzeit Sänger der Band Copernicus, Sologitarre spielte da Michael Schenker (69). Die beiden wechselten 1969 zu den Scorpions (gibt es seit 1965). Seitdem bildet Meine mit Rudolf Schenker (76) den Kopf der Scorpions. Er textete und komponierte das erfolgreichste Lied der Band: „Wind of Change“ (1991 Nummer eins in elf europäischen Hitparaden). Meine ist seit 1977 mit seiner Frau Gabi verheiratet, die beiden haben den Sohn Christian. Sie wohnen seit 1982 in Bissendorf in der Wedemark.