Das voll improvisierte Musical auf der Kölner Volksbühne ist eine Herausforderung für das Ensemble und ein Spaß für das Publikum. Handlung und Gesang entstehen jedes Mal völlig neu.
Volksbühne KölnJedes Mal eine Premiere: Dieses Musical hat noch nie jemand vorher gesehen
Ob Starlight Express, Cats, König der Löwen oder Moulin Rouge – Musicals sind seit Jahrzehnten sehr beliebt. Doch wie wäre es mit einem Abend, wo vorher niemand genau weiß, was passieren wird?
Die „PremierenFabrik“ bringt monatlich das komplett improvisierte „It’s My Musical“ auf die Kölner Volksbühne am Rudolfplatz. Musik, Gesang, Choreografie und Geschichte entstehen jedes Mal neu – unter entscheidender Beteiligung des Publikums.
„It's My Musical“: Das Publikum liefert die Zutaten für den Abend
EXPRESS.de erlebte im renommierten Theater, wie spontan ein zweistündiges Musical durch die fünfköpfige Crew und die beiden Live-Musiker auf die Bühne gebracht wurde. Improkünstler, Jazzpianist und Schauspieler Gilly Alfeo war 22 Jahre als Musiker, Darsteller und künstlerischer Leiter beim Bonner Springmaus Improvisationstheater. Er führte anfangs die Publikumsentscheidungen durch.
Zunächst musste das Umfeld für den Abend festgelegt werden. Als Vorschläge standen ein Baumwipfel, die Deutzer Kirmes und der Hamburger Fischmarkt mit zur Wahl. Das Rennen machte jedoch ein Spielcasino in Monaco.
Anschließend sollten die Gäste der Volksbühne einen knackigen Titel kreieren. „Casino Miljö“, „Die letzte Kugel“, „Der russische Aristokrat“ und „Die Pechsträhne“ setzten sich beim „Applausometer“ nicht durch – stattdessen „Die 5 flotten 50er“.
Schließlich mussten noch die „Gewürze“ gefunden werden. An diesen Musicals sollte sich die Crew orientieren: „Phantom der Oper“, „Tanz der Vampire“, „Six“, „Catch me if you can“ und „Hair“. Alle Vorschläge wurden spontan aus den Publikumsreihen zugerufen und auf einer Tafel festgehalten. „Damit ist jetzt angerichtet“, lautete das Motto.
Ohne Besprechungs- oder Überlegungszeit ging es auf der Bühne los. „Glanz und Geld, das ist unsere Welt. Glanz und Geld, das ist, warum es allen hier gefällt“, lautete der erste Titel. „Gib‘ mir mehr, sonst ist das Leben doch so leer“, lautete ein weiterer wild erfundener Song. Als Requisiten standen nur eine kleine weiße Treppe, ein paar Bänder sowie Tücher zur Verfügung. Gefragt sind vielmehr Mimik, Spontanität und Witz.
Das Ensemble baute aus dem Stegreif eine Handlung. Da war die alte dauerrauchende Ex-Schauspielerin Beatrix, die seit Jahren vor dem einarmigen Banditen sitzt. Thekenkraft Marie träumte von einem Leben mit mehr Glitzer, während die Chefin Madame Charlotte sich als „sexy Variante von Donald Duck“ sah.
Als weitere Herausforderung kann jederzeit ein Buzzer gedrückt werden, der das Signal gibt, dass das Stück im Stil der anfangs ausgesuchten Musicals weitergehen soll. Das Publikum war begeistert angesichts der irren Stil- und Gesangswechsel im selbstgebastelten Musical, das trotzdem den roten Faden der Story im Auge behielt.
„Die meistgestellte Frage lautet stets: Ist das wirklich improvisiert?“, erzählte Gilly Alfeo im EXPRESS.de-Gespräch. „Wir haben viele Musicals analysiert und Dinge gefunden, die wir einsetzen. Alles fängt mit dem positiven ‚Willkommen in der Welt‘-Song an und hört auch positiv auf. Dazwischen lassen wir uns inspirieren“. Die sogenannte 11-Uhr-Nummer – ein großes, dramatisches Herzschmerz-Lied der Hauptfigur – darf auch nicht fehlen.
Auch in der Pause würden keine großen Absprachen getroffen. „Das blockiert nur“, sagt der Improexperte. „Hinter dem Vorhang notieren wir anfangs nur die Namen, die wir uns geben, damit da keiner durcheinanderkommt. Ansonsten haben wir ein Gefühl für die Dramaturgie“. Das Ensemble besteht aus gestandenen Künstlerinnen und Künstlern, die seit Jahren auf diversen Bühnen stehen.
„It’s My Musical“: Nächste Shows am 3. und 23. Dezember 2024
„Für uns ist das ein Herzensprojekt“, sagt der Kopf der Truppe. „Wir ernten dafür auch viel Respekt in der Branche.“ Viele zögern anfangs, das Abenteuer einzugehen. „Die Leute checken nicht, was sie erwartet. Daher ist das Produkt schwer zu vermitteln. Aber für uns ist es total befriedigend, wenn wir das Publikum damit begeistern.“
Volksbühnen-Geschäftsführer Axel Molinski ist Fan des besonderen Formates. „Viele sind schon mehrmals gekommen, um zu schauen, ob wirklich der Abend immer anders abläuft. Sie sahen tatsächlich etwas Neues“. Am 3. und 23. Dezember wird wieder improvisiert.