Der Pink-Floyd-Musiker Roger Waters tritt am Dienstagabend in der Kölner Lanxess-Arena auf. Vor der Halle gab es zwei kleinere Demonstrationen. Die Stadt hatte zum Protest aufgerufen.
Vor Skandal-Konzert in KölnHier landet heftig umstrittener Musiker – OB Reker wütend, Demos an Halle
Der Auftritt von Roger Waters (79) am Dienstagabend (9. Mai) in der Lanxess-Arena sorgt schon seit Monaten für heftige Debatten. Weil der Musiker die Israel-Boykott-Kampagne „BDS“ unterstützt, die der Bundestag 2019 als antisemitisch eingestuft hat, regt sich heftiger Widerstand gegen den Auftritt.
Vor zehn Jahren ließ der Pink-Floyd-Mitbegründer bei seinen Konzerten einen riesigen Ballon in Gestalt eines Schweins durch die Hallen schweben, auf dem unter anderem Symbole des Kapitalismus und ein Davidstern abgebildet waren. Das Schwein wird auch in Köln kreisen – jedoch ohne Judenstern.
Kölns OB Reker: „Ich bin immer noch aufgeregt wegen Roger Waters“
Am Dienstag landete der Künstler gegen 15.50 Uhr am Flughafen Köln/Bonn. An der Lanxess-Arena bildeten sich im Regen zwei kleiner Demonstrationen – pro und contra Waters.
Am Montag (8. Mai 2023) hatte ein breites Kölner Bündnis zum lauten Protest gegen den Auftritt aufgerufen. Vor einer öffentlichen Kundgebung auf dem Roncalliplatz fand am Vormittag im Stiftersaal des Wallraf-Richartz-Museums eine öffentliche Debatte statt.
„Für mich sind die Grenzen des Hinnehmbaren überschritten“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (65, parteilos). „Ich bin immer noch aufgeregt darüber“, ergänzte sie. „Ich habe in den letzten Tagen über das Konzert diskutiert und bin meistens damit konfrontiert worden, dass die Menschen gesagt haben, dass sie ja nur wegen der Musik dahingehen würden.“
Man müsse doch die Musik von der Aufführung auf der Bühne trennen, erfuhr die OB in Gesprächen. „Für mich ist das unfassbar. Roger Waters‘ Aussagen durch den Besuch des Konzerts unkommentiert zu tolerieren, das macht mich sprachlos. Das auch noch von Menschen zu hören, denen man das gar nicht zutraut, finde ich auch bemerkenswert.“
Reker sprach von 20.000 Menschen, die am Dienstag zum Konzert gehen würden. In der Realität sind es aber „nur“ 11.000. „Hoffentlich können die Menschen bei der Demo auf dem Roncalliplatz das richtige Gegengewicht setzen“, sagte sie. In der Tat hielt sich die Resonanz arg in Grenzen.
„Zur Demokratie und zur künstlerischen Freiheit gehören zwar kontroverse Diskussionen und wir schätzen alle die Freiheit der Meinungsäußerung. Aber eins ist für mich ebenso klar: Für Antisemitismus gibt es in Köln keinen Platz“, sagte die OB.
Roger Waters: Rund 11.000 Fans werden in der Arena erwartet
Deshalb werden am Dienstag an den städtischen Dienstgebäuden und auf der Deutzer Brücke Flaggen wehen. „Wir in Köln stehen für Respekt, Vielfalt und Offenheit.“ Die Podiumsdiskussion am Montag weitete das Thema aus. „Der Antisemitismus ist wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagte Abraham Lehrer (69), Vorstand der Synagogen-Gemeinde und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
„Wenn die Oberbürgermeisterin mit Führungspersönlichkeiten der Stadt noch diskutieren muss, warum wir uns gegen das Konzert von Roger Waters wenden, dann könnte ich sagen, dass Hopfen und Malz verloren sind. Wir müssen einen starken Widerhall in der Stadt finden.“
Im Vorfeld hatte es auch viele Stimmen gegeben, die ein Verbot des Auftritts gefordert hatten. Dass es dafür keine Rechtsgrundlage gibt, hatte jüngst das Verwaltungsgericht Frankfurt unterstrichen, als es dem Musiker den Auftritt in der dortigen Festhalle erlaubte. Kölns Kulturdezernent Stefan Charles (55) wies am Montag auch auf die Kunstfreiheit hin: „Dafür müssen wir uns einsetzen und engagieren.“
Der Schweizer weiter: „Roger Waters ist ein gutes Beispiel. Sein Auftritt ist ein Auslöser, um zu diskutieren. Gegen Meinungen zu argumentieren, ist schlauer, als Meinungen zu verbieten. In der Kunstfreiheit geht es um diese Dinge. Diese Diskussionen müssen wir als demokratische Stadtgesellschaft aushalten“.
Nehmen Sie hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage teil:
Lehrer argumentierte dagegen, entpuppte sich in der Debatte sogar als Pink-Floyd-Fan. „Auch ich bin mit der Musik groß geworden und höre sie gerne. Aber das, was Roger Waters daraus macht, hat mit der ursprünglichen Musik nichts zu tun. Es kann nicht sein, dass wir das unter dem Deckmantel der künstlerischen Freiheit zulassen. Er betreibt doch Politik und ruft zu politischen Handlungen auf. Das hat für mich nichts mehr mit Kunst zu tun. Es ist unsere Aufgabe als Stadtgesellschaft, solchen Konzerten entgegenzutreten. Die Musik finde ich toll, aber was er daraus macht, ist absolut zu verurteilen.“
Da musste auch Charles zustimmen. „Ich werde nicht zum Konzert gehen und würde es auch niemandem empfehlen. Dieser Mann hat eine problematische Meinung. Wenn man solchen Künstlern die Auftritte verbietet, wird es nichts bringen. Ich finde den Kölner Weg gut, dass man das Thema angestoßen hat. Für mich ist die nun stattfindende Diskussion das Wertvolle. Das bringt uns weiter.“
Roger Waters: Gleich zwei Demos am Konzerttag an der Lanxess-Arena
Stella Leder (41) vom Institut für Neue Soziale Plastik, die einen Impulsvortrag zum wachsenden Antisemitismus gehalten hatte, war ein wenig enttäuscht. „Ich hätte mich sehr gefreut, wenn diese Konzerte verboten worden wären. Wir waren nicht nur im Fall von Roger Waters zu langsam. Wenn die Kulturpolitik nicht handelt, dann dreht sich die Spirale weiter.“
Auch am Konzerttag wird es rund um die Arena zu mehreren Kundgebungen kommen. Der Verein „Klare Kante“ ruft ab 17 Uhr am Eingang Südwest zur Demo gegen den Sänger auf. Die palästinensischen Gemeinden Köln und Bonn veranstalten wiederum ab 18 Uhr eine Mahnwache pro Waters an gleicher Stelle.