Nach mehr als neun Monaten ist im Giftmord-Prozess das Urteil gefallen. Für den angeklagten Krankenpfleger aus Hürth kam es knüppeldick. Doch rechtskräftig ist das Urteil nicht, denn jetzt ist der Bundesgerichtshof gefragt!
Drei Frauen vergiftet, zwei totHorror für Hinterbliebene: Hürther Giftmord-Prozess nach Urteil nicht zu Ende
Er soll drei Frauen vergiftet haben, zwei davon starben: Seit mehr als neun Monaten stand Krankenpfleger Roland B. (42, Name geändert) aus Hürth in Köln vor Gericht. Am Montagnachmittag (3. Juli 2023) fiel das Urteil – doch jetzt ist klar: Der Fall ist damit noch nicht beendet.
„Wir haben fristgerecht Revision eingelegt“, so Martin Bücher, einer der Verteidiger von B., am Dienstag (11. Juli) gegenüber EXPRESS.de. „Nach Zustellung des Urteils werden wir uns intensiv mit den schriftlichen Urteilsgründen auseinandersetzen und auf Rechtsfehler überprüfen.“ Bislang wurde das Urteil im Prozess nur mündlich begründet. Und das hatte es in sich.
Urteil im Giftmord-Prozess am Kölner Landgericht – Verteidiger mit Revision
Roland B. wurde wegen zweifachen Mordes, versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Schwangerschaftsabbruchs zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.
Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete Sicherheitsverwahrung an. Damit kann der 42-Jährige nicht nach Verbüßung der Mindestzeit von 15 Jahren entlassen werden, sondern bleibt möglicherweise bis zu seinem Lebensende in Haft.
Jetzt muss der Bundesgerichtshof (BGH) überprüfen, ob das Urteil auf Rechtsfehlern beruht. Sollte die Revision Erfolg haben, wird das Urteil aufgehoben und es muss neu verhandelt werden. Anwalt Bücher rechnet damit, dass der BGH allerfrühestens in einem Jahr eine Entscheidung treffen wird.
Prozess in Köln: Mutmaßlicher Giftmörder mit langer Einlassung
Roland B. hatte sich monatelang nicht zu den schlimmen Vorwürfen geäußert. Am 25. April 2023 brach er schließlich sein Schweigen – und sorgte mit seiner Behauptung für Fassungslosigkeit.
Der Angeklagte hatte seine Einlassung handschriftlich verfasst – insgesamt 65 Seiten, die der Angeklagte über zwei Stunden lang verlas. Nicht nur der Umfang hatte es in sich, auch der Inhalt. Den kannten bis dato auch seine beiden Verteidiger nur auszugsweise.
Er habe zum ersten Mal darüber nachgedacht, sich einzulassen, als er das erste vorläufige psychiatrische Gutachten zur Kenntnis genommen habe, erklärte Roland B. „Vor allem war ich schockiert über das Bild, das von mir gezeichnet wurde.“
Es folgten kurze Details aus seiner Kindheit, Jugend, seiner Ausbildung, seinen vorherigen Beziehungen und seiner Leidenschaft, dem Turniertanz. Der angeklagte Krankenpfleger erzählte aber auch von der ersten Patientin, nach deren Tod er noch eine halbe Stunde an ihrer Seite blieb, „damit sich die Seele verabschieden kann“.
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Schließlich kam Roland B. zu seinem ersten mutmaßlichen Opfer. Eine Lehrerin, die er 2015 über eine Online-Partnervermittlung kennenlernte und relativ schnell heiratete. Roland B.: „Für mich war es Liebe auf den ersten Blick.“ Anschließend schilderte er, dass seine Ehefrau seit einer Entzündung im Türkeiurlaub immer wieder unter Bauchschmerzen und Juckreiz gelitten habe, später sei bei ihr eine Histamin-Intoleranz festgestellt worden.
„Sie hat immer mehr Medikamente bestellt“, so der Angeklagte. Als Anfang 2020 die Corona-Welle los brach, habe er sehr viel gearbeitet, sei rund um die Uhr in Bereitschaft gewesen. „Ich sah nicht, wie schlecht es ihr ging.“ Was er dann behauptete, sorgte bei vielen im Gerichtssaal für Fassungslosigkeit.
Mord-Prozess in Köln: Angeklagter schildert Thallium-Bestellung
Ende April 2020 habe seine Ehefrau ihn gebeten, etwas für sie zu bestellen. Es habe sich dabei um Thallium gehandelt, so Roland B.: „Das sagte mir nichts, in Chemie war ich immer eine Niete.“
Er habe es dann bestellt und seiner Frau gegeben. Der ging es immer schlechter, bis sie schließlich am 18. Mai ins Krankenhaus kam. Vorher habe sie aber unbedingt noch was erledigen wollen, so der Angeklagte. „Später habe ich erfahren, dass sie die Thallium-Rechnung beglichen hat.“ Am 29. Mai war sie tot.
Als es um den Nachlass seiner Frau ging, will Roland B. im Tresor einen Brief von ihr gefunden haben. „Darin stand, dass sie sich mit Thallium das Leben genommen hat“, behauptete der Angeklagte. Und dass er ihr versprechen müsse, niemandem von dem Brief zu erzählen. B.: „Daher habe ich immer erzählt, meine Frau sei an Corona gestorben.“
Um das Versprechen zu untermauern, sei er zu ihrem Grab gefahren und habe den Brief verbrannt, behauptete er weiter. Jetzt aber, im Hinblick auf die drohende Gefängnisstrafe mit möglicher Sicherungsverwahrung, habe er in einem Dilemma gesteckt und sich in der JVA einem Seelsorger anvertraut. Daher sei er erst jetzt bereit, die Geschichte mit dem Brief der Öffentlichkeit anzuvertrauen. „Ich habe nie jemanden ermordet oder versucht, jemanden zu ermorden“, so der Angeklagte am Ende seiner Einlassung.
Angehörige der Opfer als Nebenkläger und Nebenklägerin
Die Kölner Staatsanwaltschaft warf Roland B. vor, seine Ehefrau (†35), seine neue Lebensgefährtin (36), die zu dem Zeitpunkt von ihm schwanger war, sowie deren Großmutter (†92) mit Thallium vergiftet zu haben. Die Lebensgefährtin konnte gerettet werden. Das gemeinsame Kind, ein Mädchen, starb jedoch kurz nach der Geburt.
Angehörige der Opfer traten in dem Mord-Prozess als Nebenkläger beziehungsweise Nebenklägerin auf und verfolgten die Verhandlung teilweise mit geschockten Mienen. Statt mit dem Urteil endlich abschließen zu können, müssen sie jetzt auf die Entscheidung des BGH über die eingelegte Revision warten.