Drei Frauen vergiftet, zwei davon tot: Die Anklage gegen einen Krankenpfleger aus Hürth liest sich wie ein Horror-Roman. Jetzt kam es im Prozess zu einer überraschenden Ankündigung.
Hürther Giftmorde-ProzessPaukenschlag kurz vor Prozessende: Anwalts-Duo reißt Ruder herum
Der Prozess gegen den mutmaßlichen zweifachen Giftmörder von Hürth zieht sich. Seit September letzten Jahres muss sich Roland B. (42, Name geändert) vor dem Kölner Landgericht verantworten, das Urteil gegen ihn hätte längst fallen sollen.
Im Prozess schwieg der angeklagte Krankenpfleger beharrlich – doch jetzt die überraschende Wende: Er will reden. Seine beiden Verteidiger, Martin Bücher und Mutlu Günal, reißen damit das Ruder in letzter Sekunde herum! Denn die Kammer des Kölner Landgerichts wollte bereits die Beweisaufnahme abschließen.
Mordprozess in Köln: Angeklagtem droht Sicherheitsverwahrung
Anhand der Indizienlage muss von einer Verurteilung des 42-Jährigen ausgegangen werden. Neben einer langen Gefängnisstrafe steht bei ihm zudem eine Sicherheitsverwahrung im Raum. Das wäre anders, wenn bei dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen würde. Dann würde er wahrscheinlich in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden.
Dazu hatten die Verteidiger Zeugen aus dem unmittelbaren Umfeld des Angeklagten für den Prozess geladen. Ihre Hoffnung: Aus deren Aussagen ergeben sich entsprechende Hinweise, zum Beispiel auf eine frühe Persönlichkeitsstörung bei Roland B. Doch: Fehlanzeige. Zwar wurde B. als Schüler bei einem Ladendiebstahl erwischt und brach später das Studium ab, um Krankenpfleger zu werden – grundsätzlich erscheint sein Lebenslauf aber ziemlich normal.
Mutmaßlicher Giftmörder von Hürth: Hat er doch eine psychische Störung?
Jetzt der Griff nach dem letzten Strohhalm! Roland B. will in Absprache mit seinen Anwälten reden, allerdings nicht im Prozess, sondern gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Philip Massing. Es gilt offenbar die Frage zu klären: Ist der Angeklagte ein Sadist oder hat er das sogenannte Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom?
Letzteres ist eine schwere psychische Störung, bei der bei nahestehenden Personen eine körperliche Erkrankung vorgetäuscht oder absichtlich hervorgerufen wird. Unter anderem wird die Heilung vorsätzlich verhindert, um sich als aufopfernde Pflegerin oder Pfleger darzustellen. Opfer sind meist Kinder, es können aber auch Erwachsene sein.
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Roland B. ist wegen zweifachen Mordes sowie Mordversuchs in Tateinheit mit versuchtem Schwangerschaftsabbruch angeklagt. Der heute 42-Jährige soll seine Ehefrau (†35), seine neue Lebensgefährtin (36), die zu dem Zeitpunkt schwanger von ihm war, sowie deren Großmutter (†92) mit Thallium vergiftet haben. Die Lebensgefährtin konnte gerettet werden. Das gemeinsame Kind starb jedoch kurz nach der Geburt.
Die Wirkung von Thallium, das auch als Rattengift verwendet wird, ist äußerst qualvoll. Übelkeit, Ganzkörperschmerzen, Haarausfall, Lähmungserscheinungen, Tod. Roland B. zeigte sich besorgt, begleitete zum Beispiel seine Ehefrau bei ihren zahlreichen Arztbesuchen und kochte später für sie im Krankenhaus. Im Prozess war zudem deutlich geworden, dass für ihn seine Ehefrau, seine Lebensgefährtin sowie deren Großmutter eine herausragende Bedeutung hatten.
Wende im Prozess gegen mutmaßlichen Giftmörder von Hürth?
Um herauszufinden, ob der Angeklagte tatsächlich unter dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leidet, muss er reden. Nur im Gespräch mit ihm kann Psychiater Philip Massing herausfinden, ob diese Erkrankung vorliegt und wenn ja, wie schwer. Zudem wird ein Psychologe hinzugezogen. Auch müssen zahlreiche Tests gemacht werden.
„Wir versprechen uns durch die Exploration unseres Mandanten durchgreifende Erkenntnisse zu seiner Persönlichkeitsstruktur“, erklärt Verteidiger Martin Bücher gegenüber EXPRESS.de. Wie lange die Exploration, heißt, die Beobachtung, die Untersuchung, dauert und wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, ist unklar. Der Prozess wurde inzwischen um weitere Verhandlungstage bis Mitte April verlängert.