„Einfach unfassbar!“Forschende können kaum glauben, was sie tief in der Antarktis hören können

Dr. Brian Miller untersucht die Rufe eines Antarktischen Blauwals.

Dr. Brian Miller untersucht die Rufe eines Antarktischen Blauwals.

Als die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Australian Antarctic Division ihre hochsensiblen Mikrofone in das eiskalte Wasser der Antarktis hielten, trauten sie ihren Ohren kaum. Neue Audiodaten aus der südlichsten Region der Erde lassen jetzt neue Hoffnung aufkeimen.

von Martin Gätke  (mg)

Das sind doch endlich mal gute Nachrichten: Zuletzt sorgten vor allen Dingen negative Schlagzeilen für Aufsehen.

Ein beispielloser Temperaturanstieg von 38,5 Grad Celsius am kältesten Ort der Erde etwa sorgte für große Sorgenfalten – ist er doch ein fataler Vorbote einer globalen Katastrophe. Gleichzeitig wurde vor kurzem bekannt, dass die Lage am sogenannten „Weltuntergangsgletscher“ viel dramatischer ist als gedacht.

Antarktis: Wal-Gesänge deuten auf ein Wiederaufleben hin

Nun deuten neue Forschungsergebnisse darauf hin, dass sich zumindest ein Aspekt in der Antarktis wesentlich verbessert: Die Population Antarktischer Blauwale scheint sich immer weiter zu erholen.

Durch jahrhundertelangen industriellen Walfang sind zuletzt nur einige Hundert der Blauwale am Leben geblieben, es war nahezu unmöglich, sie in freier Wildbahn zu finden.

Australische Forschende und internationale Kolleginnen und Kollegen haben zwei Jahrzehnte lang nach den charakteristischen Gesängen und Rufen der Wale gelauscht und dabei festgestellt, dass die größten auf der Erde lebenden Tiere mit zunehmender Regelmäßigkeit durch das Südpolarmeer schwimmen.

Susie Calderan von der Australian Antarctic Division setzt ein Messgerät aus, um Blauwale im südlichen Ozean zu verfolgen.

Susie Calderan von der Australian Antarctic Division setzt ein Messgerät aus, um Blauwale im südlichen Ozean zu verfolgen.

Die Analyse von Tausenden Stunden Audiomaterial, das mit Unterwassermikrofonen und militärischen Abhörgeräten für U-Boote aufgezeichnet wurde, lässt darauf schließen, dass die Walpopulation wieder wächst, sagt Brian Miller, leitender Wissenschaftler der Australian Antarctic Division.

„Ich bin ein Blauwal, ich bin hier“

„Wenn man zurückblickt auf die Zeit vor Beginn dieser Arbeit durch die AAD, hatten wir wirklich sehr wenige Begegnungen mit diesen Tieren – und jetzt können wir sie quasi auf Anfrage rufen“, sagte Miller dem britischen „Guardian“. „Wir können genau sagen, wo sie sich aufhalten, wir können auch sagen, dass wir sie häufiger hören. Das ist also ein Fortschritt.“

Von 2006 bis 2021 wurden die Wale im Südpolarmeer immer häufiger gehört. Dies geht aus einer neuen Studie hervor, in der die Ergebnisse von sieben Reisen australischer und internationaler Forscherinnen und Forscher aus diesem Zeitraum zusammengefasst wurden. Dabei war der Blauwal bereits Mitte des 20. Jahrhunderts fast ausgestorben.

Blauwale sind die größten Lebewesen der Erde (hier vor der Südküste Kaliforniens).

Blauwale sind die größten Lebewesen der Erde (hier vor der Südküste Kaliforniens).

Um die Tiere aufzuspüren, habe man stundenlang den Gesängen gelauscht, erklärt Miller. Vor allen Dingen kürzere, etwa 20 Sekunden lange Gesänge seien dabei wichtig gewesen. „Wir glauben, ihre Botschaft lautet: ‚Ich bin ein Blauwal, ich bin hier.‘“

Miller über das unfassbare Ergebnis: „Wenn man bedenkt, dass wir sie fast ausgelöscht haben und dass sie nahezu ausgestorben sind, dann wird es noch ergreifender, wenn man sich vor Augen hält, was sie da sagen: ‚Ich bin noch hier, hier bin ich.‘“