Aus dem Ausland eingeschlepptNeue Schlangenart in Deutschland entdeckt – für wen sie gefährlich werden kann

Eine 17-jährige zweiköpfige Kalifornische Kettennatter (Lampropeltis getulus californiae) mit dem Namen Tom & Jerry ist in der Ausstellung „Reptiles Expo“ zu sehen. Das Foto wurde 2018 Villeneuve (Schweiz) aufgenommen.

Eine 17-jährige zweiköpfige Kalifornische Kettennatter (Lampropeltis getulus californiae) mit dem Namen Tom & Jerry ist in der Ausstellung „Reptiles Expo“ zu sehen. Das Foto wurde 2018 Villeneuve (Schweiz) aufgenommen.

Ihre Ausbreitung bedroht die heimische Tierwelt in Deutschland. Seit August 2022 steht die Schlange auf der Liste der invasiven Arten. Die Rede ist von der Kalifornischen Kettennatter. Wo in Deutschland sie gemeldet wurde und für wen sie jetzt eine Gefahr darstellt.

Auf der spanischen Kanareninsel Gran Canaria hat die Kalifornische Kettennatter die einheimischen Reptilien bereits nahezu ausgerottet. Spätestens Ende der 1990er Jahre hatte die eingeschleppte Schlange ihren Weg auf die Insel gefunden. Macht die Natter jetzt auch Deutschland unsicher?

Oft werden sie ausgesetzt, einige Amphibien und Reptilien büxen aber auch aus oder finden im Reise-Gepäck den Weg in ein für sie fremdes Land. Gemeinsam haben sie, dass sie wenig willkommen sind. Das gilt auch für die Kalifornische Kettennatter. Zuletzt wurde sie unter anderem hierzulande in Südbaden gefunden.

Kalifornische Kettennatter: Schlange in Deutschland angekommen

Auf Gran Canaria ist die Schlange schon lange zum unbeliebten Stammgast geworden. Sie hat sich breit gemacht, rasend schnell vermehrt und als sogenannte invasive Art beträchtlichen Schaden angerichtet. In Deutschland soll genau das jetzt verhindert werden.

Expertinnen und Experten warnen daher nach mehreren Funden, unter anderem in Baden-Württemberg, auch in Deutschland vor der Schlangenart. Es gibt neue Verbote – und Hobbyzüchterinnen sowie Hobbyzüchter müssen sich neu orientieren.

Eine männliche (links) und eine weibliche Zauneidechse (Lacerta agilis) wärmen sich auf einem Stein. Die Zauneidechse war 2020 und 2021 zum Reptil des Jahres gekürt worden.

Eine männliche (links) und eine weibliche Zauneidechse (Lacerta agilis) wärmen sich auf einem Stein. Die Zauneidechse war 2020 und 2021 zum Reptil des Jahres gekürt worden. Das Foto wurde 2020 in der Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) aufgenommen.

Zuletzt waren zwei Exemplare der rund eineinhalb Meter langen Schlange in der Nähe von Offenburg und bei Freiburg entdeckt worden. Die Kalifornische Kettennatter könne als nicht heimische Art in Deutschland vor allem für die Bestände der Smaragdeidechse am Kaiserstuhl und der Zauneidechse zur Gefahr werden, befürchtet Hubert Laufer vom Verein für Amphibien- und Reptilien-Biotopschutz Baden Württemberg (kurz ABS).

Letztere wurde in Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 sogar zum Reptil des Jahres gekürt.

Fachleuten ist die Natter unter der Artenbezeichnung Lampropeltis californiae bekannt. Eigentlich ist sie in Mexiko und dem Südwesten der USA heimisch. Sie gilt als geschickte Jägerin und stellt Vögeln, kleinen Säugetieren und Echsen nach, wie Laufer weiß. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ständen auch andere Schlangen auf dem Speiseplan.

Deutsche Winter könnte Ausbreitung der Schlange hierzulande verhindern

„Die Beute wird erdrosselt und danach im Ganzen verschluckt“, beschreibt er. Unklar sei aber, ob sie in Deutschland langfristig überleben oder ob sie sich gegebenenfalls sogar reproduzieren könne. „Aber bei den zu beobachtenden klimatischen Veränderungen wäre es durchaus denkbar, hier ist es ja teils sogar wärmer als auf den Kanaren“, sagte Laufer.

Auch Phillip Haubrock vom Frankfurter Senckenberg Forschungsinstitut (Standort Gelnhausen) hält das für möglich: „Bedenkt man, dass diese Art in der Europäischen Terrarienhaltung weit verbreitet ist, würde es mich nicht überraschen, wenn wir öfter von solchen Funden hören“, sagt er. Durch die Größe und steigende Energiepreise könnten weitere Halterinnen und Halter ihre Tiere ohne Rücksicht freilassen.

Allerdings rechnet der Senckenberg-Wissenschaftler nicht mit einer rasanten Ausbreitung. Individuen dieser Art würden erst nach einigen Jahren geschlechtsreif, der derzeit noch relativ kalte deutsche Winter komme da noch in die Quere.

Kalifornische Kettennatter: Seit August auf Liste der invasiven Arten

Die dunkelbraun gefärbte, mit gelben Streifen gemusterte Kalifornische Kettennatter steht seit Anfang August auf der sogenannten Unionsliste der invasiven Arten. Für sie besteht EU-weit ein Handels- und Nachzuchtverbot, nicht untersagt ist aber der Besitz bereits vorhandener Tiere. Für Menschen sind sie ungefährlich.

Reptilienforscher Axel Kwet hält den Schritt für übertrieben und nicht nachvollziehbar. „Intensiv ist die Ausbreitung bislang nur auf den Kanaren“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT). „Wenn man bei dieser Schlange ein solches Verbot ausspricht, könnte man das bei etlichen anderen Tieren auch tun.“ Viele verantwortungsvolle Hobbyzüchterinnen und Hobbyzüchter verlören nun das Interesse an den Reptilien, die als „Anfänger-Nattern“ beliebt und leicht zu halten seien.

Kosten durch invasive Arten: Seit 1960 weltweit etwa 84 Milliarden Euro

Allerdings kann sich der frühe Einsatz gegen die Ausbreitung ähnlicher Arten lohnen – nicht nur für die heimische Tierwelt. Senckenberg-Wissenschaftler Haubrock hat gemeinsam mit anderen Forschenden untersucht, welche Kosten durch invasive Arten entstehen und wie diese verhindert werden könnten. Die Ausgaben für Maßnahmen liegen seit 1960 weltweit bei etwa 84 Milliarden Euro, wie sie unter anderem in der Studie im Fachjournal „Science of the Total Environment“ ausführen.

Dem ständen im selben Zeitraum Schäden durch Verluste in der Land- und Forstwirtschaft, an der Infrastruktur oder durch die Belastung der Gesundheitssysteme von mindestens 976 Milliarden Euro entgegen.

„Wenn wir die Auswirkungen invasiver Arten auf die Umwelt erkennen, haben sie sich oft schon fest eingebürgert und weit verbreitet“, warnt Haubrock. Es sei aber schwer, Entscheidungsträger von Investitionen in etwas zu überzeugen, das noch kein Problem darstelle. Aus Sicht Haubrocks fehlt zudem ein breiteres Verständnis bei Tierhalterinnen und Tierhaltern für die Gefahren, die von „biologischen Invasionen“ ausgehen. „Hier sollte meines Erachtens bereits in Schulen angesetzt werden“, schlägt er vor. (dpa, jba)