Sorge an der GrenzeAtommüll soll direkt vor Deutschlands Haustür abgeladen werden

Das undatierte Symbolbild zeigt einen Radlader, der in der Schachtanlage Asse (Niedersachsen) Fässer mit radioaktivem Müll in eine Kammer kippt.

Das undatierte Symbolbild zeigt einen Radlader, der in der Schachtanlage Asse (Niedersachsen) Fässer mit radioaktivem Müll in eine Kammer kippt.

Wer ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn behalten möchte, sollte sich an so manche geschriebene oder ungeschriebene Regel halten. Ein deutsches Nachbarland will jetzt auf diese Regeln pfeifen und ein Atommüllendlager direkt vor„ die deutsche Haustür“ setzen. Irgendwo muss das Zeug ja hin.

Süddeutsche Gemeinden in Baden-Württemberg schauen zurzeit mit einer Mischung aus Sorge und Wut über die Grenze zur Schweiz. Dort steht eine Entscheidung an, die für einige Grenzorte große Folgen haben könnte. Nur eins ist klar: Irgendwen wird es treffen - auch in Deutschland.

Denn die Schweizer wollen sich am Montag (12. September) endgültig entscheiden, wo ihr Atommüll für die nächsten paar Millionen Jahre gelagert werden soll. Alle drei infrage kommenden Standorte liegen in direkter Nähe zur deutschen Grenze. Das sorgt natürlich für Unmut.

Die Lagerung von Atommüll ist ein heikles Thema – auch in der Schweiz

„Natürlich haben wir Ängste und Sorgen“, sagt der Bürgermeister von Hohentengen, Martin Benz, der Deutschen Presse-Agentur. „Besorgnis ist noch der mindeste Ausdruck.“ Der Bürgermeister von Jestetten, Dominic Böhler, sagt: „Vor der Entscheidung ist Anspannung zu spüren.“

Die Atomabfälle sollen Hunderte Meter unter der Erdoberfläche in Opalinuston eingebettet werden. Weil die möglichen Standorte dicht beieinander liegen, fühlen sich alle Gemeinden entlang der Grenze betroffen, unabhängig davon, wo genau das Lager eingerichtet wird. „Im Hinblick auf atomare Risiken sind alle Standorte nur einen Katzensprung entfernt“, sagt Böhler. Eine Sorge sei die Sicherheit des Grundwassers, sagen beide Bürgermeister.

Nach Angaben des Waldshuter Landrats Martin Kistler erkennt die Bevölkerung an, dass die geologischen Gegebenheiten der Schweiz für einen Standort in Grenznähe sprechen. „Vor diesem Hintergrund waren und sind wir bereit, die Lasten einer grenznahen Tiefenlagerung zu tragen“, sagte er der dpa. Wenn alle Unterlagen vorlägen, würden Experten aber prüfen, „ob nicht doch andere Standorte vorzugswürdiger wären“.

Der Atommüll-Bahnhof läge nur 650 Meter von deutschen Wohnhäusern entfernt

Für den möglichen Standort Nördlich Lägern südlich von Hohentengen sei es in Diskussionen mit den Schweizern gelungen, geplante Oberflächenbauten in Sichtweite der deutschen Gemeinde zu verhindern. Der Landkreis Waldshut unterstütze die Forderung von Hohentengen, bei Kompensationszahlungen genauso behandelt zu werden wie Schweizer Gemeinden, sollte die Wahl auf Nördlich Lägern fallen. Nach Angaben von Benz liegt der Bahnhof, der womöglich für Transporte genutzt wird, nur 650 Meter von deutschen Wohngebieten entfernt.

„Man muss in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass die Region lebenswert und attraktiv bleibt“

„Die Frage von Kompensationszahlungen ist definitiv ein Thema“, sagt Böhler. Die Gemeinden könnten durch die Nähe eines Atommülllagers an Attraktivität einbüßen, deshalb brauche man Geld, um Anreize zu schaffen. „Man muss in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass die Region lebenswert und attraktiv bleibt“, sagt er.

Für Kompensationszahlungen wurden in einer unverbindlichen Schweizer Kostenstudie 800 Millionen Franken (824 Millionen Euro) veranschlagt. Verhandlungen über die Verteilung sollen 2024 beginnen, sagt die Sprecherin des Schweizer Energieministeriums (UVEK) der dpa. Die endgültige Entscheidung über das Lager fällt voraussichtlich 2031. Die Einlagerung begänne dann etwa 2050. (dpa)