„Mördermann” Uwe KrechelBonner Star-Anwalt mit härtesten Fällen kriegt Serie bei Joyn

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Der Bonner Anwalt Uwe Krechel hat keine Scheu vor menschlichen Abgründen.

von Piet van Riesenbeck  (pvr)

Bonn – Der Bonner Star-Anwalt Uwe Krechel (64) steht in dem Ruf, auch vor den tiefsten Abgründen der menschlichen Psyche nicht zurückzuschrecken. Er leistete übelsten Sexualmördern und Kinderschändern Rechtsbeistand. Nun widmet der Streamingdienst Joyn seiner Arbeit eine ganze Serie.

In fünf Folgen beleuchtet „Mördermann“ einige von Krechels spektakulärsten Fällen. Immer wieder entsteht dabei der Eindruck, dass er den Tätern auf erschreckende Weise nahe kommt.

„Mördermann”: Bonner Star-Anwalt bekommt Serie bei Joyn

Sowie im Fall der achtjährigen Johanna, die im Jahr 1999 im hessischen Wetterau-Kreis verschwand. Erst Jahre später führten die Ermittlungen zufällig auf Rick J., einen langjährigen Mandanten in der Kanzlei von Uwe Krechel.

„Ich kenne den Ricky vom Sehen seit 20 Jahren als schrulligen, abgebrochenen Studenten, der schon mal ein bisschen – oder ein bisschen mehr – Probleme mit Speed, Amphetamin, Gras oder so weiter hatte“, erinnert sich der Anwalt: „Das war ein lustiger Typ. Ich kann ja dann nicht plötzlich sagen: Der ist nicht mehr lustig. Der war ein bisschen skurril und als ich dann hörte, der hat eine umgebracht… Puff!“

Sympathie für Mörder? Krechel trennt Täter und Tat

In manchen Augenblicken entsteht fast der Eindruck, Krechel kokettiere mit der Distanzlosigkeit, mit der Nähe zu „Ricky”, dem Kindermörder. Doch auch wenn vieles im Habitus des Advokaten inszeniert wirkt, dahinter steckt eine wichtige Message: „Ich verteidige Menschen, nicht ihre Taten”.

Das Motto des Bonner Strafverteidigers bildet auch den Untertitel zu seinem Buch, das wie die Serie heißt: „Mördermann”.

Und diese Menschen können – trotz ihrer Taten – sympathisch sein, so betont es Krechel immer wieder: „Sie haben manchmal ganz fürchterliche Taten und sehen dann einen Täter, wo sie sagen: Der ist so sympathisch, mit dem könntest du jetzt einen trinken gehen.“

Uwe Krechel: Bonner Strafverteidiger übernimmt schwere Fälle

Verachtung oder gar Abscheu kann sich ein Strafverteidiger auch nicht leisten. Denn: In einem Rechtsstaat haben selbstverständlich auch solche Täter einen Anspruch auf Verteidigung. Das nimmt Krechel ernst.

„Ich verbinde mit dem Beruf auch immer eine Verpflichtung, Leute zu verteidigen“, meint der erfahrene Anwalt: „Das kann ich gut, warum sollte ich denen dann das Recht entziehen.“

Eine Unterscheidung in vertretbare und nicht vertretbare Fälle widerspricht dementsprechend seiner Berufsethik: „Wenn ich sage, ich suche mir die Fälle nach Sympathie aus oder nehme nur die Fälle, wo nicht ganz so schrecklich gemordet wurde – das geht ja völlig an der Sache vorbei.“

300 Mordverfahren: Star-Anwalt Uwe Krechel erhält Streaming-Serie

Seine Arbeit vergleicht Krechel gerne mit der eines Arztes: „Wenn Sie den Gerichtsmediziner fragen: Wie können Sie denn eine verfaulte Leiche aufschneiden, das muss doch stinken. Dann wird der sagen: Wissen Sie was, mir ist der Geruch nicht mehr bewusst.“

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Der Bonner Star-Anwalt Uwe Krechel erhält eine Serie auf dem Streaming-Dienst Joyn.

In der Öffentlichkeit bleiben gerade die besonders abscheulichen Fälle hängen, auch wenn Krechel längst nicht nur diese übernimmt: „Ich habe über 300 Mordverfahren gemacht. Wenn man der Meinung ist, dass das Töten anderer Menschen grundsätzlich widerwärtig ist, dann waren die alle 300 widerwärtig.“

Faszination Mord: Spektakuläre Fälle bleiben im Gedächtnis

Die besondere Spannung, die die Tötung eines Menschen durch einen anderen erzeugt, so Krechel, weckt in den Leuten ein bestimmtes Interesse. Andere – möglicherweise viel spannendere – Kriminalgeschichten bleiben dagegen im Hintergrund.

„Ich habe noch nie erlebt, dass sich der Tatort-Kommissar am Sonntag mit Steuerhinterziehung, Religionsfrevel oder Sachbeschädigung an Telefonzellen beschäftigt hat“, stellt Krechel fest. Mord und Totschlag dagegen – das fasziniert die Leute.

„Mördermann”: Bonner Star-Anwalt für schwere Fälle

Diese Faszination – so wirkt es für den Zuschauer von „Mördermann“ oftmals – macht auch vor dem erfahrenen Strafrechtsanwalt nicht halt. Das ultimativ Böse in der Psyche, die tiefsten menschlichen Abgründe, sie lassen auch den langjährigen Verteidiger erschaudern.

Seine Bereitschaft, auch diese Fälle zu übernehmen, hat dem Anwalt dabei nicht immer nur Freunde eingebracht. Besonders schwer zu schlucken hatte er allerdings im Fall der 14-Jährigen Hannah aus Königswinter.

Hannah aus Königswinter: Uwe Krechel erhielt Morddrohungen

Der Fall aus dem Jahr 2007 bewegte eine ganze Nation. Ein Mann hatte Hannah auf dem Nachhauseweg überrascht, vergewaltigt, brutal ermordet und ihre Leiche später mit Diesel übergossen, um den Geruch zu überdecken. Krechel übernahm damals die Vertretung des Täters und musste dafür massig Anfeindungen hinnehmen.

„Dir sollte man die Eier abschneiden, du gehörst ins KZ, vermutlich bist du auch Jude und all so ein Driss“, erinnert sich der Anwalt an diese Zeit: „Alles Mögliche habe ich da bekommen.“

Sport-Star Klosterhalfen unterstützt Hannah-Stiftung (hier lesen Sie mehr)

„Mördermann” Uwe Krechel versteht Hype um True Crime

Dabei war der Fall von vorne rein glasklar: „Der hat sofort alles gestanden. Da gab es gar nicht mehr zu verteidigen. Da hätte auch Mickey Mouse oder Dagobert Duck neben dem sitzen können“, gibt Krechel zu: „Da ging es nur noch um die besondere Schwere der Schuld.“

Mit der Serie „Mördermann“ trifft Krechel dennoch einen Nerv. Sogenannte True-Crime-Formate, bei denen reale Mordfälle aufgearbeitet und besprochen werden, schießen wie Unkraut aus dem Boden. „Vielleicht ist es reiner Voyeurismus“, mutmaßt der Anwalt, dessen Fälle auch schon in Buchform veröffentlicht worden sind: „Bildungshunger wird es jedenfalls nicht sein.“

Bonner Anwalt Uwe Krechel: „Ich bin kein Verurteiler”

Das überbordende Interesse an diesem Genre vergleicht der Strafrechtsanwalt mit der Meute bei einer mittelalterlichen Hinrichtung. Verurteilt er diese Sensationslust?

„Ich bin kein großer Verurteiler!", sagt der Anwalt zum Abschluss. Das Urteil sprechen vor Gericht andere, Krechels Rolle ist die Verteidigung und die steht im Rechtsstaat jedem zu – auch dem Kindermörder.