Bluttat in WeilerswistSohn (30) metzelte Eltern nieder – BGH kippt Mordurteil
Bonn/Weilerswist – Die Bluttat in Weilerswist sorgte im April 2019 für Entsetzen: Ein damals 29-Jähriger tötete seinen Vater (†62) mit rund 30 Messerstichen im Elternschlafzimmer. Anschließend erstach er auch die Mutter (†60), die am Telefon versuchte, die Polizei zu rufen.
Am 25. November letzten Jahres wurde der Sohn vor dem Bonner Landgericht wegen Mordes am Vater und wegen Totschlags an der Mutter zu lebenslanger Haft verurteilt. Außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Das Mordurteil wurde jetzt vom Bundesgerichtshof (BGH) gekippt. Die Karlsruher Richter bezweifeln, dass die Tötung des Vaters wirklich heimtückisch war, der Sohn also die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst ausgenutzt hat.
Bluttat in Weilerswist: Auch am Tattag hatte es in der Familie mehrfach Streit gegeben
Die Atmosphäre in der Familie war seit langen angespannt gewesen. Auch am Tattag hatte es mehrfach Streit gegeben, weil der alkoholabhängige Sohn wieder trank und deshalb nicht zu einer Umschulung gegangen war. Nach der Bluttat verhielt sich der damals 29-Jährige bei Eintreffen der Polizei merkwürdig.
Die BGH-Richter hoben auf die Revision des Angeklagten das gesamte Urteil auf, weil die Tötung der Mutter eng mit der des Vaters zusammenhänge, heißt es in der Begründung. Das soll der neuen Strafkammer „umfassende eigene, in sich widerspruchsfreie Feststellungen“ ermöglichen.
Bluttat in Weilerswist: „Eine Dimension, die man sich kaum vorstellen kann“, so der Richter
Er hat seine eigenen Eltern getötet – „das ist eine Dimension, die man sich kaum vorstellen kann“, erklärte im November 2019 der Schwurgerichtsvorsitzender Klaus Reinhoff gleich zu Beginn der Urteilsbegründung. Vater und Mutter, die einem das Leben geschenkt haben, in wenigen Minuten so grausam zu vernichten, das sei einfach unfassbar. Einen erkennbaren Grund habe es dafür nicht gegeben.
Das Bonner Schwurgericht hatte in diesem aufsehenerregenden Fall am 25. November letzten Jahres die höchste Strafe ausgesprochen, die es überhaupt im Gesetz gibt: Wegen Mordes und Totschlags war der nun 30-Jährige aus Weilerswist zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Schuld, so Reinhoff, wiege besonders schwer.
Am Abend des 30. April 2019 hatte der arbeitslose Angeklagte seine Eltern, bei denen er gelebt hatte, mit einem Messer angegriffen, möglicherweise auch weil er sich von ihren Vorhaltungen „genervt gefühlt“ habe und „einfach Ruhe haben“ wollte.
Bluttat in Weilerswist: Auf Vater mit Klappmesser 30-mal eingestochen
Zunächst war er mit dem Klappmesser im Schlafzimmer aufgetaucht, wo er den 62-jährigen Vater, der halb ausgekleidet vor dem Kleiderschrank stand – und hatte ihn mit 30 Messerstichen getötet. Da der schwerkranke Mann nicht mit der Tötung durch seinen Sohn gerechnet hat, er also arg- und wehrlos gewesen war, sei das ein heimtückischer Mord, so Reinhoff damals in der Begründung.
Ob auch die Mutter die ersten Messerstiche bereits im Schlafzimmer erlitten hat, das konnte nicht aufgeklärt werden: Die 60-Jährige war zum Telefon im Eingangsflur geflüchtet.
Bluttat in Weilerswist: Mutter alarmierte im Todeskampf die Polizei
Das Abspielen des Notrufes sei ein besonders „erschütternder Moment“ gewesen, so der Richter. „Im Gerichtssaal wurden wir Ohrenzeuge eines Verbrechens.“ Um genau 20 Uhr, 6 Minuten und 44 Sekunden hatte die Mutter ins Telefon geschrien: „Machen Sie schnell. Mein Sohn bringt meinen Mann um. Jetzt kommt er runter. Hilfe. Nein, nein! Nein!“
Dann erlebt man akustisch, wie die Frau um ihr Leben kämpft. Auch sie wurde mit 30 Messerstichen niedergemetzelt. Diese zweite Tat hat das Gericht als Totschlag gewertet, da die 60-Jährige in diesem Moment nicht mehr arglos gewesen sei.
Bluttat in Weilerswist: Verteidigung kündigte direkt Revision an
Die Todesschreie der Frau hörte man auch noch in einem weiteren Notruf, als eine Nachbarin zwei Minuten später ebenfalls die Polizei alarmiert hat. Als die Zeugin anschließend klingelte, hatte der Sohn – blutverschmiert – die Haustür geöffnet und die Nachbarin nur gefragt, ob „sie ein Problem habe“. Dann schlug er die Tür zu „Das muss man sich vorstellen“, so der Vorsitzende: „Wenige Minuten zuvor hatte er seine Eltern getötet.“ Eine surreale Szene.
Der Verdacht, dass der Angeklagte, der jahrelang Alkohol getrunken und Drogen genommen hatte, krank, nicht normal sei oder an Wahnbildern leide, hat sich nicht bestätigt. Eine schwere psychische Erkrankung liegt, laut Gutachter, nicht vor. Entsprechend ist der Angeklagte voll schuldfähig. „Er hat seine Eltern im gesunden Zustand getötet“, hieß es im Urteil. Wie auch an allen Verhandlungstagen zuvor, machte der Angeklagte einen unerreichbaren Eindruck. Das Urteil schien ihn nicht besonders getroffen zu haben. Seine Anwälte kündigten da jedoch schon an, in Revision zu gehen.
Wann der 30-Jährige erneut in Bonn vor Gericht steht, ist noch unklar. (ucs, iri, mit dpa)