Knochen bringt ihn auf die SpurBonner lüftet Geheimnis um Gruselfund im Laacher See

Über dem Laacher See wurde der Soldat abgeschossen.

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Bonn/Maria Laach – Die Ungewissheit quälte ihn. Immer wieder strich der 90-jährige Ken Carey über das Foto auf seinem Schreibtisch. Es zeigte seinen Bruder John Joseph „J. J.“ (22).

Der junge Bordschütze war im Zweiten Weltkrieg in einem Halifax-Bomber über dem Laacher See abgeschossen worden, galt seitdem als verschollen. Bis ein Stück Schienbeinknochen aus den Seetiefen geborgen wurde – und beim Bonner Biologen Dr. Cornelius Courts (36) landete.

Der Kampfmittelräumdienst hatte das Fragment in der Nähe von Fliegerresten gefunden. Courts sollte klären, wessen sterblicher Überrest das ist.

„Wir wollten ein DNA-Profil gewinnen – und bissen uns fast die Zähne aus“, so der Leiter der Forensischen Genetik der Bonner Rechtsmedizin. „Unsere Standardmethode zur DNA-Extraktion funktionierte bei diesem Knochen überhaupt nicht.“

Cornelius Courts wälzte einschlägige Literatur, fand aber nur Studien über Knochen in Salzwasser. Sein „Problem-Objekt“ lag aber in Süßwasser. Und das über Jahrzehnte.

Andere hätten jetzt aufgegeben. Dr. Courts hingegen tüftelte mit seiner Assistentin zwei Monate lang in seinem Labor – und erfand eine eigene, ganz neue Methode! Damit erhielt er endlich messbare DNA.

Was Dr. Courts 2008 nicht ahnte: Es sollte noch mehr als fünf Jahre dauern, bis er das ganze Geheimnis des „Knochens aus der Tiefe“ lüften konnte!

„Um den Toten zu identifizieren, sichteten wir historische Belege und konnten die Zahl der infrage kommenden Besatzungsmitglieder auf zwei einschränken: ein Brite und ein Kanadier“, erzählt er.

Die Spur nach England verlief negativ. Blieb nur Kanada. Doch die Recherche nach lebenden Angehörigen eines J. J. Carey war frustrierend. Courts: „Weder deutsche noch kanadische Behörden zeigten sich besonders kooperationsbereit.“

Bis Dezember 2013. „Eine Mitarbeiterin der kanadischen Streitkräfte teilte mir mit, man habe die Familie ausfindig gemacht.“ Februar 2014 ergab ein DNA-Abgleich mit Ken Carey aus Winnipeg: Er und J. J. waren Brüder!

„Wir freuen uns, dass wir der Familie nach 72 Jahren helfen konnten“, so Cornelius Courts. „Ohne uns wäre es nie zur Bestattung gekommen.“

Am 9. Juli wurde der sterbliche Überrest von Flight Sergeant John Joseph Carey auf dem Soldatenfriedhof in Rheinberg beigesetzt. Ken Carey erlebte es nicht mehr: Er starb drei Monate, nachdem das Schicksal seines Bruders J. J. geklärt war.