Rückkehr ins Heimatdorf?Josef K. (51): Auf den Spuren des Lolita-Mörders

Der Täter: Landwirt Josef K. genannt Juppes.

Frauenkron/Scheid – Landwirt Josef K. (51): Der Mann, der vor 30 Jahren Lolita Brieger tötete. Er wurde freigesprochen. Und das, obwohl das Landgericht Trier überzeugt ist, dass er seine Ex-Freundin in einem Schuppen getötet und danach auf einer Müllkippe verscharrt hat.

Dort wurde 2011 die Leiche Lolitas gefunden. Das Gericht hatte K. wegen Mordes angeklagt, Mordmerkmale wie z.B. Heimtücke und Habgier aber nicht nachweisen können. Und wegen Totschlag hätte Josef K. juristisch nicht mehr belangt werden können – dieses Delikt verjährt im Gegensatz zu Mord nach 20 Jahren. EXPRESS sah sich um in Frauenkron, der Heimat Lolitas, und in Scheid, wo Josef K. herkommt.

„Recht ist hier noch lange nicht, was richtig ist“

Düstere Wolken hängen über Dahlem-Frauenkron, einem Eifeldorf wie aus dem Bilderbuch. Ein paar Querstraßen, die Häuser schlängeln sich wie an der Perlenschnur den Asphalt entlang. 280 Seelen wohnen hier, jeder kennt jeden, jeder weiß alles. Eine Bushaltestelle gibt es: Frauenkron-Waldweg. Hier, mitten im Eifel-Idyll, wohnte Lolita Brieger, bevor sie von Landwirt Josef „Juppes“ K. vor 29 Jahren getötet wurde. Der Ort wirkt wie ausgestorben, es regnet – wie so oft in der Eifel.

„Was soll ich dazu sagen? Recht ist hier noch lange nicht, was richtig ist“, sagt uns die alte Frau am Ortseingang. Ihren Namen will sie nicht nennen. Natürlich kannte sie Lolita, ihr Sohn ging mit ihr in eine Klasse. Viel erzählen möchte sie nicht, guckt sich noch schnell in der Einfahrt um, verschwindet in ihrem Haus.

Heinz P. (76) ist da offener. Er führt seinen Hund spazieren. Auch für ihn ist das Urteil im „Fall Lolita“ das Tagesthema. „In keinem normalen Prozess wäre der freigesprochen worden. Das ist ein starkes Stück. Erst hat er sie umgebracht, dann noch verscharrt wie ein totes Tier. Ich kann mir diesen Freispruch nicht erklären.“ Sein Urteil ist klar: „Ich will mit dem Schwein nix mehr zu tun haben.“

Ein Skandalurteil

Knapp hinter der Ortseinfahrt wohnt Lolita Briegers Bruder. Niemand öffnet die Tür. Nachbar Karl-Heinz K. zuckt mit den Schultern auf die Frage nach dem Urteil. Zwei braun-weiße Jagdhunde kläffen im gepflegten Vorgarten. „Was soll man dazu sagen?“, sagt er, während er am schmiedeeisernen Tor steht. „Was vor 30 Jahren passiert ist, interessiert mich nicht.“ Er war damals noch nicht hier, ist später hinzugezogen. Er kenne den „Juppes“. Wie ist er denn so? „Reden Sie doch mal mit ihm. Man kann sich sehr gut mit ihm unterhalten.“ Er zögert ein bisschen, sagt dann: „Wenn er das gemacht hat, finde ich das als Mensch nicht richtig. Aber man muss das eben beweisen.“

Im Ortskern ist man gesprächiger: „Es ist ein Skandalurteil. Ich habe meinen Glauben an die Justiz verloren. Hier hat niemand erwartet, dass der wieder freikommt“, sagt Stephan L. (45). „Was ist das für ein Maßstab? Für Kleinigkeiten muss man ins Gefängnis. Aber für Mord gibt es Freispruch. Es ist eine Schweinerei“, sagt er. Eine Rückkehr von Josef K. in die Dorfgemeinschaft hält er für unwahrscheinlich. „Es gehört sich einfach nicht, dass er wieder auf freien Fuß kommt. Ich glaube nicht, dass er hier noch im Dorf frei unterwegs sein kann.“

Die einzige Kneipe im Ort, „Em Backes“. Die Türen sind verschlossen, nur am Wochenende ist hier etwas los. Man öffnet zwar, aber nicht lange. „Was soll man dazu sagen“, sagt uns eine Frau. Duckt sich hinter der Tür, die nur ein Spalt geöffnet ist.

Die Stimmung im Dorf hat sich geändert

Fast an der tiefsten Stelle im Dorf, hinter beiden Bächen, wohnt Matthias J. (63), seit seiner Geburt ist er Frauenkroner. Sein Haus ist mit roten Klinkern versehen, dunkle Holzbalken erheben sich von der Veranda. Man hat hier keine Angst vor Einbrechern, Haustür- und Autoschlüssel stecken im Türschloss der Haustür. Beim zweiten Klingeln öffnet er. „Schlimm ist das“, sagt er. „Wir waren alle geschockt. Das hätte man ihm nicht zugetraut. Dem Vater ja. Der ist schuld, dass das Mädchen tot ist. Aber Josef, der hat das Mädel richtig geliebt. Es wurde damals viel geredet. Wir hatten vermutet, das Mädel habe das Kind in Holland abgetrieben, sei dann in Zuhälterkreisen verschwunden. Nie haben wir gedacht, dass er sie umgebracht hat. Er war eher der Einzelgängertyp, war nicht wirklich mit der Scheider Jugend befreundet.“

Dem „Juppes“ gehe es gesundheitlich nicht gut, erzählt J. weiter. Und: „Ein paar Wochen vor dem Leichenfund hat er seine Frau und den Sohn zum Teufel gejagt.“ Hat Frauenkron sich nach der Tat verändert? „Das Dorf ist ganz normal. Nur die Grundstimmung, die ist jetzt anders“, fügt er nachdenklich hinzu, „aber die Briegers, die sind in Ordnung, es sind sehr nette Leute.“

Ortswechsel. Ein paar hundert Meter weiter den Berg hoch liegt Scheid. Es ist das Dorf, in dem Josef K. lebte. Hier wohnt der alte Landadel, oben am Berg. Unten in Frauenkron wohnte Lolita. Das Haus von „Juppes“ liegt dazwischen. Roter Backstein, schwarzes Schieferdach. Vor der Einfahrt ist Kuhdraht gespannt. Eine alte Frau steht am Fenster des Nachbarhauses, fuchtelt mit den Händen. Hier wohnt die Mutter. Man passt auf. Wir sind hier nicht willkommen. Niemand öffnet die Tür.

Freispruch nicht fair

In Scheid selber ist ebenfalls nicht viel los. Kaum 150 Leute wohnen hier. Es gibt ein Oberdorf und Unterdorf, zwei Haltestellen. Am Ortsende liegt eine Autowerkstatt. Ein roter Ferrari wird hier gerade eingestellt. Bettina (52) und Robert V. (23) stehen auf dem Gelände, diskutieren. „Es ist nicht fair, dass der freigesprochen wurde. Den hätte man wegen Mordes verurteilen sollen, stattdessen läuft er wieder frei herum“, sagt Robert. Seine Mutter pflichtet ihm bei.

In der Dorfmitte wohnt Schreiner Hans D., Exil-Kölner. Er bietet Kurse an. 1977 sei er hier hergezogen, in den ehemaligen Bauernhof. Er lädt vier Ziegen vom Hänger ab. „Skandalös“ sei die richterliche Entscheidung: „Man muss sich das mal vorstellen, ein solches Urteil, nachdem so etwas passiert ist.“ Mit „Juppes“ habe er immer eine gute Nachbarschaft gehabt. Juppes habe ihm geholfen, als er hier neu war, ihm unter die Arme gegriffen. „Er war immer total verbissen, bei allem was er gemacht hat. Der Alte (Josef K.s Vater – die Red.) aber war widerlich, ein arroganter Sack.“

Der Freigesprochene habe vor einiger Zeit aus gesundheitlichen Gründen seinen Bauernhof aufgegeben, hat das Land verpachtet an einen Großbauern aus Hallschlag. Jetzt weiden dort Kühe.

Josef K.s Sohn habe sehr gelitten, nachdem der Vater verhaftet wurde. „Die Kinder waren da nicht zimperlich mit ihren Sprüchen.“ Wie in einem Eifelkrimi, sagt Detmer: „Es gab immer wieder Andeutungen. Der kann nicht wieder kommen.“ Es geht das Gerücht, dass er sich mit Freunden nach dem Freispruch abends treffen wollte, einen trinken ...

Weiter unten im Dorf ist eine kleinere Werkstatt, die Ringstraße hinunter. Unter einer Hebebühne arbeitet ein jüngerer Mann. Er ist reserviert, aber freundlich. Als wir uns vorstellen, dreht er sich um. „Keine Zeit, bin am arbeiten.“ Er geht zurück, drückt einen Knopf. Langsam fährt das weiße Tor hinab.