Von der Tante betäubtVera (23): „So wurde ich zur Sex-Sklavin“
Bonn/Troisdorf – Ganz dicht an der Seite ihrer Anwältin Gudrun Roth betritt Vera den Gerichtssaal. Die Angeklagten hat der Richter ganz ans Ende der Anklagebank verbannt. Auf keinen Fall sollen sie Blickkontakt zur Zeugin herstellen können. Denn Vera ist das Mädchen, das das Duo 2009 nach Troisdorf verschleppte und zur Sex-Sklavin machte.
Mehrere Stunden zieht sich die Vernehmung der jungen Frau (heute 23) hin. Nur zögerlich berichtet Vera von dem Grauen, das sie erlebt hat. Nach fast jedem Satz, der vom Dolmetscher übersetzt wird, muss Richter Hinrich de Vries sie zum Weitersprechen animieren: „Und was passierte dann?“
Veras Martyrium begann mit einem Streit mit ihrer Mutter. Als die gemeinsame Übernachtungen verbot, riss die damals 18-Jährige mit ihrem Freund aus, kam bei Verwandten unter.
Dasssie bei ihrer eigenen Tante nicht sicher sein würde, hätte sich die Tschechin wohl nie träumen lassen. Unter dem Vorwand, sie bringe Vera wieder heim, setzte sie sich mit ihr ins Auto. Auf einem Rastplatz reichte ihr die Tante eine Flasche Cola: „Ich trank davon, mir wurde schlecht, ich bekam Kopfschmerzen. Dann bin ich eingeschlafen“, schilderte Vera dem Gericht.
Betäubt mit Cola
Als sie wieder aufwachte, saß Vera in einem fremden Auto. „Ich habe ein Schild mit der Aufschrift »Köln« gesehen, gefragt, warum ich hier sitze.“ Mit im Auto: zwei Männer und eine Frau.
Vera hat die Angeklagten Irina G. (50) und Izzet D. (29) am Freitag identifiziert. Kein Wunder, dass sie sich gut an das Duo erinnert: Rund ein halbes Jahr war sie mit mehreren anderen Mädchen in ein Zimmer in G.s Wohnung gepfercht und wurde, so bestätigte sie, zur Prostitution gezwungen.
Entweder in einem Godesberger Club oder auf dem Bonner Straßenstrich musste Vera anschaffen, das verdiente Geld gleich wieder an die Angeklagten abgeben. Nur Samstag und Sonntag wurde sie nicht aus der Wohnung geholt – „da gab es andere Kunden, die kamen zu Irina nach Hause.“
Vom Freier gerettet
Auf dem Strich fand Vera dann ihren Retter: Ein Freier verliebte sich, versuchte, die Schwarzhaarige aus den Fängen der Zuhälter freizukaufen. Er hatte schon 20.000 Euro „investiert“, als Veras Peiniger noch mal 50.000 Euro forderten. Das Paar (ist inzwischen verheiratet) floh nach Tschechien.
Während Vera ihr Martyrium schilderte, Aufregung im Saal: Die junge Frau glaubte unter den Zuschauern den zweiten Mann aus dem Auto entdeckt zu haben. Richter de Vries schickte Wachtmeister los, die die Personalien des 44-Jährigen feststellten: Es handelt sich um Irina G.s Schwager.
Der Prozess geht im Januar weiter.