Mehr FlexibilitätNRW lockert Personalvorgaben in Kitas bei Ausfällen

Kitas sollen in NRW künftig in Ausnahmefällen offen bleiben, auch wenn Teile des Personals plötzlich krankheitsbedingt ausfallen. (Symbolbild)

Kitas sollen in NRW künftig in Ausnahmefällen offen bleiben, auch wenn Teile des Personals plötzlich krankheitsbedingt ausfallen. (Symbolbild)

In NRW sollen Kitas künftig in Ausnahmefällen auch dann weiter öffnen können, wenn für 60 Kinder nur noch ein Erzieher da ist. Der Einsatz von Ergänzungskräften ist gefragt.

Mit einer Änderung der Personalverordnung will das Land Nordrhein-Westfalen Lockerungen bei Qualifikation und Personalschlüssel in Kitas erreichen. Wie das Familienministerium mitteilte, sollen Kitas dadurch unter anderem ausnahmsweise offenbleiben, wenn Teile des Personals plötzlich krankheitsbedingt ausfallen. Dafür sollen dann sogenannte Ergänzungskräfte, etwa Kinderpfleger, Sozialassistenten oder Heilerziehungshelfer, zum Einsatz kommen. Zuvor hatte die „Rheinische Post“ berichtet. 

Der Entwurf für die neue Personalverordnung, welcher der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sieht etwa vor, dass in Einrichtungen mit bis zu 60 Kindern bei akutem Personalstand für bis zu sechs Wochen nur eine sozialpädagogische Fachkraft - also etwa ein staatlich anerkannter Erzieher, Heilpädagoge oder Sozialpädagoge - zu jeder Zeit anwesend sein muss. Gleichzeitig muss in einer solchen Situation dann aber der verstärkte Einsatz von Ergänzungskräften sichergestellt werden. 

Flexibilisierung in akuten Ausfallsituationen

In Einrichtungen mit mehr als 60 Kindern sowie Gruppen mit unter dreijährigen oder behinderten Kindern muss zudem noch mindestens eine weitere Fachkraft anwesend sein. Eine Erlaubnis für den Betrieb nach diesen Regeln muss vom Träger im Einvernehmen mit dem örtlichen Jugendamt beim Landesjugendamt beantragt werden und kann in der Regel einmal pro Kindergartenjahr und Einrichtung erteilt werden, heißt es im Entwurf. 

„Gerade im Winter mit seiner saisonalen Erkältungswelle müssen Kitas teilweise schließen, weil das Personal knapp wurde. Hier setzen wir an und haben gemeinsam mit den Kommunen und Trägern die Schritte intensiv diskutiert, die wir nun in die Personalverordnung gegossen haben“, sagte Kinder- und Familienministerin Josefine Paul (Grüne) der dpa. Ziel der Änderungen sei eine Flexibilisierung der Einsatzmöglichkeiten für das Personal in den Kitas in ganz akuten Ausfallsituationen. „Für Eltern und auch für Träger und die Beschäftigten schaffen wir so mehr Stabilität und Verlässlichkeit im System.“ 

Musiker, Handwerker oder Gärtner in Kitas

Nach dem Entwurf sollen zudem auch Menschen mit ausländischen Abschlüssen einfacher eingestellt werden. So soll es laut Ministerium die Möglichkeiten geben, „on-the-job“ die Deutschkenntnisse zu verbessern. Beschäftige aus dem Ausland sollen daher künftig bereits in Kitas arbeiten können, wenn sie Deutsch mindestens auf dem Sprachniveau B1 beherrschen. Innerhalb von zwei Jahren muss dann das höhere Niveau B2 erreicht werden. 

Daneben sieht der Entwurf unter anderem vor, dass sogenannte profilrelevante Kräfte, wie Musiker, Handwerker oder Gärtner, Kindergärten für bestimmte Zeiten, unter Anleitung und nach Schulungen verstärken können. Diese Kräfte könnten die pädagogische Arbeit ganz gezielt mit ihrer Profession ergänzen und pädagogisches Personal unterstützen und entlasten, sagte Ministerin Paul. Laut Ministerium soll die Personalverordnung in Kürze veröffentlicht werden und tritt dann auch in Kraft. 

Freie Wohlfahrtspflege: Ausnahmen notwendig 

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW, die nach eigenen Angaben rund 80 Prozent der Kitas in NRW vertritt, steht als Betreuungsanbieter grundsätzlich hinter den Änderungen. „Die Ausnahmen sind notwendig, um wie es das Wort schon sagt, die Not abzuwenden“, sagte der Vorsitzende des Arbeitsausschusses Tageseinrichtungen für Kinder der Freien Wohlfahrtspflege, Stephan Jentgens, der dpa. Solche Ausnahmeregelungen für Kitas seien nicht der Wunsch, aber mit Blick auf die Verlässlichkeit des Angebots eine Abwägung. 

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW warnte vor einer Dauerlösung. „Wenn wir auf Dauer eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung gewährleisten wollen, darf der Einsatz von Ergänzungskräften anstelle von Fachkräften nur eine Notfallmaßnahme sein und kein Dauersparmodell“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Ayla Çelik. Da die Qualität der frühkindlichen Bildung essenziell sei, dürften Ergänzungskräfte nicht zur dauerhaften Lösung für strukturelle Probleme werden. 

Kritik von SPD und VBE

Die SPD kritisierte die Pläne indes massiv. „Nur eine Fachkraft auf 60 Kinder? Was hat das noch mit frühkindlicher Bildung zu tun? So macht die Landesregierung aus den Kitas nur noch Parkhäuser. Das ist ein absolutes Unding und ein Affront gegenüber allen Familien und Erziehungskräften im Land“, sagte der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dennis Maelzer. Seine Partei habe daher einen mündlichen Bericht für die Familienausschusssitzung in der kommenden Woche eingefordert.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) NRW kommentierte die geplanten Änderungen als „äußerst kritisch“. Die Lockerung berge erhebliche Risiken für die Qualität der frühkindlichen Bildung, der Aufsichtspflicht und damit für die Sicherheit und das Wohl der Kinder. „Das Kindeswohl und die Bildungsqualität dürfen nicht kurzfristigen Notlösungen geopfert werden“, sagte eine Referentin des Verbands und forderte die Landesregierung auf, die geplanten Änderungen zu überdenken. Eltern, Kinder und das pädagogische Personal bräuchten Stabilität und Verlässlichkeit. (dpa)