In letzter Sekunde hat die schwarz-grüne Landesregierung einen Teil der geplanten Sozialkürzungen zurückgenommen. Die Opposition im Landtag wirft Schwarz-Grün unseriöses Taktieren vor.
LandesfinanzenOpposition: Regierung agiert bei Haushalt wie Autoverkäufer
Die Opposition im NRW-Landtag hat der schwarz-grünen Landesregierung trotz der Rücknahme eines Großteils der geplanten Sozialkürzungen Kaltherzigkeit gegenüber den Bedürftigen vorgeworfen. Der Haushaltsentwurf sei eine „echte Schande für unser NRW“, sagte der SPD-Haushaltsexperte Alexander Baer zum Auftakt der dreitägigen Marathon-Etatdebatte im Landtag. Schwarz-Grün lasse vor allem diejenigen Menschen im Regen stehen, die Unterstützung am dringendsten benötigten.
Selbst angesichts der eilig eingereichten Änderungsanträge der Regierungsfraktionen habe man es immer noch mit einem „schmerzhaften Kahlschlag“ zu tun. Für jede Einsparung müssten auf anderer Seite Federn gelassen werden. „Um ehrlich zu sein, kommt mir diese Taktik fast so vor, als seien wir hier beim Pokern oder einem unseriösen Autoverkäufer“, sagte Baer. „Hoch reingehen und wenn man sieht, es läuft nicht, langsam wieder runtergehen.“ Diese Vorgehensweise werde dem Ernst der Lage nicht gerecht. „Das ist eine perfide und miese Strategie auf dem Rücken aller Beteiligten. »
Sozialkürzungen werden teilweise zurückgenommen
Nach Massenprotesten wollen die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen auf einen Großteil ihrer für 2025 geplanten Kürzungen im sozialen Bereich verzichten und brachten entsprechende Änderungsanträge zum Haushalt ein. Demnach stehen nun rund 43 Millionen Euro mehr für die soziale Infrastruktur zur Verfügung. Im vergangenen Monat hatten rund 32.000 Menschen gegen einkalkulierte Kürzungen in Höhe von 83 Millionen Euro protestiert.
Der Grünen-Haushaltspolitiker Simon Rock sagte, den Grünen sei die soziale Infrastruktur nicht egal. Daher sei jeder Euro noch einmal umgedreht worden. „Wir sparen bewusst nicht bei den Ärmsten.“ Die Mittel für die Armutsbekämpfung seien wieder erhöht worden. Auch bei der Aidshilfe, der Suchtprävention, den Mitteln für Alter und Pflege, der Grundfinanzierung der sozialen Wohlfahrtsverbände und bei den Familienbetreuungsleistungen seien die zunächst vorgesehenen Kürzungen weitgehend zurückgenommen worden.
Debatte über ungenutzte Finanztöpfe der Ministerien
Sowohl die SPD als auch die oppositionelle FDP forderten die Landesregierung erneut auf, ungenutzte Finanzmittel der einzelnen Ministerien in Milliardenhöhe für den Haushalt einzusetzen. Der schwarz-grüne Haushalt sei auch 2025 strukturell unterfinanziert und weise bei ehrlicher Rechnung ein milliardenschweres strukturelles Defizit auf, sagte der FDP-Haushaltspolitiker Ralf Witzel. „Sie können Ihren Haushalt ohne jede Neuverschuldung aufstellen, wenn Sie endlich Ihre Sparschweine nutzen“, sagte Witzel. Dabei handelt es sich um sogenannte Selbstbewirtschaftungsmittel. Das ist Geld, das über das laufende Haushaltsjahr hinaus zur Verfügung steht.
Aus einem von der SPD-Opposition vorgelegten Rechtsgutachten des Landtags geht hervor, dass solche ministeriellen „Dauerfonds“ nur in engen Grenzen verfassungsrechtlich zulässig sind. In diesem Jahr waren diese Reservefonds zeitweise auf fast acht Milliarden Euro angewachsen.
Die Landesregierung hat inzwischen reagiert und den Umfang der zurückgelegten Mittel um 3,6 Milliarden Euro reduziert. Darüber hinaus müssen nicht ausgegebene Selbstbewirtschaftungsmittel künftig nach einigen Jahren in den allgemeinen Haushalt zurückgeführt werden.
Zwei Milliarden neue Schulden
Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sagte, trotz schwieriger Wirtschaftslage halte das Land Kurs und bleibe sparsam. Die Regierung plane zwar bis zu zwei Milliarden neue Schulden durch eine Ausnahmeregel der gesetzlichen Schuldenbremse ein. Es würden aber nur so viele Schulden innerhalb dieses Rahmens aufgenommen, wie es tatsächlich notwendig sei.
Das Land plant für das kommende Jahr Ausgaben in Höhe von 105,5 Milliarden Euro ein - knapp drei Milliarden mehr als 2024. Dabei will Schwarz-Grün erneut die sogenannte Konjunkturkomponente der Schuldenbremse nutzen, um innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen neue Kredite in Milliardenhöhe aufnehmen zu können.
Dennoch seien alle Ressorts zu „schmerzhaften Einsparungen“ in Höhe von 3,6 Milliarden Euro gezwungen, sagte Optendrenk. Im Zukunftsbereich Bildung werde dagegen eine Rekordsumme von 42 Milliarden Euro in die Hand genommen - ein Anstieg um elf Prozent seit 2023. Damit die Kommunen handlungsfähig bleiben, steige das Land zudem in eine Altschuldenlösung mit 250 Millionen Euro jährlich ein.
Land macht Ampel verantwortlich
Für die schlechte Wirtschaftslage des Landes machte Optendrenk eine verfehlte Wirtschafts- und Steuerpolitik der zerbrochenen Ampel-Regierung verantwortlich. Diese habe dem Land Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe verursacht. Der Auftragsmangel der deutschen Wirtschaft sei so akut wie seit der weltweiten Finanzkrise 2009 nicht mehr. Bereits rund 40 Prozent der Industrieunternehmen planten, Investitionen in Deutschland zu reduzieren. „Das hat auch enorme Auswirkungen auf Nordrhein-Westfalen.“
Nach Ansicht der AfD nimmt die schwarz-grüne Landesregierung unter dem Vorwand des Versagens der Ampel „dankend die Möglichkeit zur Schuldenaufnahme wahr“. Das Land wolle auch nicht an die Reserven im Haushalt heran, „weil es hofft, aus diesen Sparkassen in der Zukunft Wahlgeschenke verteilen zu können“, sagte der AfD-Abgeordnete Hartmut Beucker. (dpa)