Der mutmaßliche Bandstifter von Solingen legt überraschend ein umfassendes Geständnis ab. Bei einem der von ihm gelegten Feuer starb eine vierköpfige Familie.
BrandserieProzess um vierfachen Mord: Solinger gesteht überraschend
Im Prozess um einen vierfachen Mord in Solingen hat der Angeklagte überraschend die tödliche Brandstiftung und zwei weitere versuchte Brandstiftungen gestanden. Vor der tödlichen Brandstiftung habe er Drogen konsumiert, sagte sein Verteidiger am Wuppertaler Landgericht für ihn aus. Als Motiv nannte er „Stress mit der Vermieterin“.
Dem 40-Jährigen sei beim Prozessauftakt bei der Begegnung der Angehörigen, die als Nebenkläger auftreten, klar geworden, wie viel Leid er verursacht habe. Deswegen habe er sich kurzfristig zu dem umfassenden Geständnis entschlossen.
„Einfach durchgedreht“
Auch eine Attacke mit einer Machete, bei der er etwa zwei Wochen später versuchte, einen Bekannten zu skalpieren, gestand er. Die Verantwortung für die tödliche Brandstiftung habe da auf ihm gelastet. Er sei an dem Tag „einfach durchgedreht“.
Bei dem tödlichen Feuer am 25. März vergangenen Jahres in Solingen starb eine bulgarische Familie im Dachgeschoss. Weil das hölzerne Treppenhaus brannte, war der Fluchtweg versperrt. Die 28 und 29 Jahre alten Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen Monaten wurden getötet.
„Ein supernetter Mensch“
Der 40-jährige Deutsche wohnte selbst im Hinterhaus, bis er die Kündigung bekam. Eine Nachbarin beschrieb den Angeklagten im Zeugenstand als liebenswerten und hilfsbereiten jungen Mann. „Der D. hat jahrelang über meinen Eltern gewohnt. Der Junge war ein supernetter, hilfsbereiter Mensch. Der war einer von uns“, sagte die 44-Jährige.
Niemand habe vermutet, dass er der Brandstifter sein könnte. Sie habe es nicht glauben können, als sie das zum ersten Mal gehört habe. Beim Entrümpeln seiner Wohnung, mit der sie beauftragt gewesen sei, habe sie allerdings Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit in seinem Bad gefunden.
Außerdem sei er einmal auf die damals schwangere Vermieterin losgegangen, als es Streit um Mietschulden gegeben habe. Die Vermieterin habe sich aus Angst in der Wohnung ihrer Eltern verschanzt, sagte die Zeugin.
Ihr Ehemann kämpfte mit den Tränen, als er zu der Brandnacht befragt wurde. Er frage sich ständig, warum er die beiden Kleinkinder nicht habe retten können. „Das Bild von dem kleinen Mädchen geht mir nicht aus dem Kopf.“ Als der Alarm der Rauchmelder losging, habe er zunächst an einen Fehlalarm gedacht, weil jemand im Haus geraucht habe.
Dachfenster zugenagelt
Er sei vor dem Brand mehrfach für Reparaturen im Auftrag der Vermieterin in der Wohnung der getöteten Familie gewesen. Dabei habe er gesehen, dass der Mieter die alten, undichten Dachfenster zugenagelt habe.
Der Brand Ende März vergangenen Jahres hatte Erinnerungen an den mörderischen Brandanschlag von Neonazis in Solingen 1993 geweckt. Die Nationalität der Bewohner habe für seinen Mandanten 2024 aber keine Rolle gespielt, erklärte der Verteidiger nun.
Der geständige Brandstifter und Macheten-Angreifer muss sich in Wuppertal wegen vierfachen Mordes und Mordversuchen an bis zu 21 Menschen vor Gericht verantworten.
In dem Haus war bereits früher ein Feuer gelegt worden, das rechtzeitig gelöscht wurde. In einem anderen Haus wurde nach einer versuchten Brandstiftung ebenfalls die DNA des Angeklagten am Brandsatz sichergestellt. Auch diese Taten im November 2022 und im Februar 2024 räumte der Solinger ein. In beiden Gebäuden hielten sich zur jeweiligen Tatzeit Menschen auf, die damals aber nicht zu Schaden kamen. An zwei Brandsätzen war seine DNA sichergestellt worden.
Macheten-Angriff
Die Ermittler hatten bereits einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Verdächtigen beantragt, als sich in Solingen am 8. April die Macheten-Attacke ereignete: Mit zwei wuchtigen Hieben soll der Deutsche versucht haben, einem fünf Jahre älteren Mann die Kopfhaut abzutrennen, ihn also zu skalpieren. Das Opfer überlebte schwer verletzt.
Eine Bekannte des Opfers berichtete, dieses habe dem Angeklagten 200 Euro für Marihuana gezahlt, sei von ihm aber hingehalten worden. Am Tag der Attacke sollte er die Drogen endlich erhalten, in einem Paket seien aber wohl nur Zeitungskrümel gewesen. In dem Moment sei er angegriffen worden, habe ihr der 45-Jährige erzählt.
Aufnahmen aus Überwachungskameras hatten die Ermittler auf die Spur des 40-Jährigen gebracht: Sie hatten den früheren Mieter in der Brandnacht gleich mehrmals in der Nähe des Brandhauses mit Rucksack aufgezeichnet - als einzigen in der fraglichen Zeit.
Er wohnte selbst früher im Hinterhaus des Brandhauses. Nach einem Streit mit seiner Vermieterin wurde ihm gekündigt und er musste ausziehen. Das Gericht hat für den Fall bis Mitte März zehn Verhandlungstage angesetzt. (dpa)