Erpressung, Drohungen, überhöhte Rechnungen - beim mutmaßlichen Millionenbetrug um die NRW-Staatskanzlei kommen drastische Details zutage. Auch der Finanzminister muss sich erklären.
Mutmaßlicher MillionenbetrugSchon 2023 Anzeige zu Sanierung der NRW-Staatskanzlei
Schon zu Beginn der jahrelangen Sanierung der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei soll es zu Korruption gekommen sein. Aus einem Bericht der Wuppertaler Staatsanwaltschaft an das Justizministerium geht hervor, dass Projektverantwortliche beim landeseigenen Baubetrieb BLB bereits 2018 gezielt gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen haben sollen.
Dabei ging es um den Auftrag für das ausführende Architektenbüro, wie es in dem Bericht der Staatsanwaltschaft heißt, der heute in einer von der SPD-beantragten Sondersitzung mehrerer Landtagsausschüsse verlesen wurde.
Verdeckte Prüfungen schon seit längerem
Zudem wurde bekannt, dass schon im Oktober 2023 eine Anzeige der Innenrevision des Baubetriebs BLB wegen Korruptionsverdachts bei der Vergabe der Beleuchtungsaufträge beim Landeskriminalamt (LKA) einging. Auslöser war ein Hinweis eines externen Zeugen an den Antikorruptionsbeauftragten des Bau- und Liegenschaftsbetriebs.
Auf Anordnung des LKA habe die Innenrevision seitdem wegen Verdunkelungsgefahr verdeckt Mitarbeiter innerhalb des Baubetriebs geprüft, bis es am vergangenen Dienstag zu Razzien kam und mehr als 40 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt wurden.
Überhöhte Rechnungen, Erpressung und Drohungen
Durch Korruption bei der Sanierung der NRW-Regierungszentrale soll laut Staatsanwaltschaft und LKA ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sein. Mitarbeiter des dem Finanzministerium unterstellten Baubetriebs sollen Unternehmen Aufträge für eine neue Beleuchtung zugeschustert haben, für die dann überhöhte Rechnungen eingereicht worden sein sollen. Ermittelt wird gegen sieben Beschuldigte, unter anderem beim BLB.
Allein bis Ende 2023 wurden dem Bericht der Staatsanwaltschaft zufolge bei Elektroanlagen und Beleuchtungen Nachtragsrechnungen in Höhe von insgesamt 2,34 Millionen Euro gestellt. Insgesamt geht es um zwölf Vergabeverfahren, die zum großen Teil an ein einziges Unternehmen gingen.
Bei der Vergabe kam es den Ermittlungen zufolge zu Erpressung und Drohungen, wenn dieses Unternehmen nicht zum Zuge kommen sollte. Dies habe letztlich zur Anzeige geführt. Unter anderem soll dem Baubetrieb ein Mehrkostenangebot in Höhe von 150.000 Euro vorgelegt worden sein, die sich zwei Beschuldigte dann teilten.
Mitarbeiter der Staatskanzlei, die das Gebäude als Mieterin nutzt, sind nicht unter den Verdächtigten. Mitarbeiter von 13 Büros hätten verschiedene Lampenmodelle zwar vorab begutachten und Wünsche äußern können, sagte Staatssekretär Bernd Schulte. Dabei sei auch immer auf den Preis geachtet worden. Die Auswahl habe aber der BLB getroffen.
Landesregierung prüft rechtliche Schritte
Die Vorwürfe auch gegen den Baubetrieb seien „gravierend“, sagte Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU). Die Landesregierung prüfe rechtliche Schritte bis hin zu Schadenersatz. Zugleich stellten sich Optendrenk sowie die SPD vor den Landesbetrieb.
Der BLB mit rund 3.000 Mitarbeitern verwalte eines der größten Immobilienportfolios Europas, sagte Optendrenk. Der aktuelle Jahresabschluss 2023 sei von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC geprüft und uneingeschränkt bestätigt worden. Der BLB habe ein Compliance-System zur Einhaltung von Regeln und Standards etabliert, das im Falle der Staatskanzlei funktioniert habe.
„Es ist unanständig, den ganzen BLB unter Generalverdacht zu stellen“, sagte auch der SPD-Abgeordnete Stefan Zimkeit. Der Großteil der „verbrecherisch entstandenen Kosten“ sei nicht beim BLB, sondern „bei kriminellen Unternehmern“ gelandet.
Kosten um viele Millionen gestiegen
Die Kosten für die seit Jahren laufenden umfangreichen Baumaßnahmen am historischen Landeshaus waren ursprünglich auf etwa 33,6 Millionen Euro veranschlagt worden und sind nach aktuellen Angaben der Staatskanzlei inzwischen auf gut 50 Millionen Euro gestiegen. Hinzu kämen Kosten für Sicherheitsmaßnahmen in zweistelliger Millionenhöhe, sagte Amtschef Schulte.
Die Kostensteigerung begründete er unter anderem mit der allgemeinen Baukostensteigerung, Überraschungen beim Bauen im Bestand sowie zusätzlichen sieben Millionen Euro für die energetische Sanierung des historischen Landeshauses.
SPD: Bisher „kein Licht in Lampenaffäre“
Optendrenk betonte, er habe erst am Dienstagmorgen durch Medien von den Ermittlungen rund um den BLB erfahren. Der SPD-Abgeordnete Christian Dahm warf dem Minister daraufhin mangelnde Führung und Aufsicht vor. „Ihnen ist es nicht gelungen, Licht in diese Lampenaffäre zu bringen.“
Optendrenk sagte, wenn sich aus weiteren Prüfungen ergebe, „dass etwas geändert werden muss, dann wird das geändert“. Die Landesregierung habe unabhängig von den aktuellen Korruptionsvorwürfen zu Jahresbeginn einen Landesbeauftragten für den Landesbau bestellt. Dieser soll darauf hinwirken, dass bei Großbauprojekten noch stärker auf Sparsamkeit geachtet wird. Der Korruptionsskandal ist nicht der Erste beim Baubetrieb.
Der FDP-Politiker Ralf Witzel sagte: „Der BLB ist seit vielen, vielen Jahren Dauerkunde beim Landesrechnungshof. Was haben wir nicht alles für Skandalprojekte erlebt, welche Kostenexplosion und welche Beispiele von Ineffizienz, von Geldverbrennen.“ Witzel forderte, auch andere Bauprojekte des BLB unter die Lupe zu nehmen.
Ausgaben ohne Limit?
„Einerseits wird im Land gespart, dass es schmerzt, insbesondere wenn es um Soziales geht“, sagte Elisabeth Müller-Witt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. „Auf der anderen Seite stehen Ausgaben anscheinend ohne Limit für eine repräsentative Staatskanzlei zur Verfügung.“ Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten zu Recht absolute Transparenz.
Die AfD forderte mehr Abschreckung, damit es gar nicht erst zu korrupten Taten beim Bau kommen könne. Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer sagte, das Vertrauen der Bürger gehe durch Korruptionsskandale, wie diesen, verloren. (dpa)