Adieu MilljöhLetzte Runde beim Box-Papst

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Vor der „Ahnen-Galerie“ beim Box-Papst:  Wilfried Weiser (r.) mit Stammgast Raimund, Hauptkommissar im Ruhestand.

von Colja Schliewa  (cos)

Düsseldorf – Die Vulkanstraße in Oberbilk: Rotlichtviertel, Sperrbezirk. Mittendrin der Kontakthof vom Bahndamm. Wenige Schritte weiter: Der „Vollkontakthof“ von Wilfried Weiser (70). „Beim Boxpapst“.

Am Samstagabend schauten die Stammgäste hier den WM-Kampf zwischen Klitschko und Joshua. Es war der letzte Kampf, der hier übertragen wurde. Und auch der letzte für Weiser. Der „Boxpapst“ wirft das Handtuch. Düsseldorfs letzte Milljöh-Kneipe ist Geschichte.

Drei Weltmeister herausgebracht

In seinem Boxgym im Hinterhof der Kneipe hat der Düsseldorfer Boxpapst und Wirt drei Weltmeister herausgebracht. Graciano Roccigiani, Henry Maske und Sven Ottke. Sie alle haben hier trainiert und sich den begehrten Gürtel erkämpft.

Dutzende Fotos an den Wänden seiner Kneipe zeugen von den großen Erfolgen, von Freunden, von Feinden, von wilden Partys und harter Arbeit. George Foreman, Dariuz Michalczewski, Muhammad Alis Trainer Angelo Dundee.

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Adieu Milljöh: Seit Samstagabend ist der „Box-Papst“ im Sperrbezirk Geschichte.

Dazu die Düsseldorfer Kunstszene mit den bekennenden Box-Fans Jörg Immendorff und Markus Lüpertz – alle kamen zu Weiser für die Runden nach den Runden. Und alle posierten stolz mit ihm.

Rauchverbot schickte Kneipe auf die Bretter

Neben einem Bild von US-Box-Promoter Don King dudelt „Boney M.“ aus einem Lautsprecher. „Brown Girl In the Ring“ – das passt. Es ist der Abgesang auf die letzte Milljöh-Kneipe der Stadt.

Man sagt, nichts ist so groß, wie das Herz eines Boxers. Doch auch das hat irgendwann genug abbekommen.

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Altbier, Kippen und eine letzte Knobelrunde mit Thekenkraft Conny.

Wilfried Weiser: „Nach drei Herzoperationen und einem Schlaganfall habe ich beschlossen, dass ich das hier als Wirt nicht mehr machen möchte und auch nicht mehr kann.“

Außerdem boxt hier schon lange nicht mehr der Papst. Das Rauchverbot hat die Kneipe schon vor Jahren auf die Bretter geschickt.

„Und seitdem durch das Sperrgebiet Taxen fahren dürfen, bleibt die Laufkundschaft aus. Sie ist sozusagen verpufft“, sagt Weiser.

Humor nie verloren

Seinen Humor hat er trotz der Niederschläge nicht verloren. „Warum auch“, sagt der 70-Jährige. „Natürlich ist mir bewusst, dass mit meiner Kneipe das letzte Stück Milljöh stirbt, dass so etwas nie wieder nachwächst. Aber ich habe das Ganze jetzt verkauft, und weine ihm keine Träne nach. Ich habe ja noch die ganzen Bilder zur Erinnerung.“

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Weiser mit seinem Schützling und Liebling Graciano „Rocky“ Roccigiani.

Was er nun als Rentner anstellt? Weiser: „Wenn ich mich vollständig erholt habe, werde ich auf Reisen gehen. Nach Marokko und Italien.“

Der „Box-Papst“ in Oberbilk – es mag eine Halbwelt gewesen sein. Aber die meisten Stammgäste waren so pfeilgerade wie die Führhand von Muhammad Ali. Raimund, Polizeihauptkommissar im Ruhestand und Stammgast der ersten Stunde und Eisverkäufer Giuseppe Masocco würfeln am letzten Tag noch ’ne Runde.

Dann macht Wilfried den Fernseher an. Gemeinsam sehen sie, wie Klitschko verliert. Und dann kommt er endgültig, der Gong zur letzten Runde beim Boxpapst. Und die geht aufs Haus.

(exfo)