Düsseldorfer ObdachloseElli starb in Eiseskälte – und hinterlässt rührendes Tagebuch
Düsseldorf – Die Altstadt. Die Mauer neben dem „Kom(m)ödchen. Grablichter flackern im Wind. Worte an der Wand: „Wir bitten um eine Kranzspende.“ Obdachlose weinen. Sie trauern um ihre „Elli“, die am 28. Dezember hier auf dem Boden in eisiger Kälte starb.
Tagebuch in der Kirche
Ein grausamer Tod, der erschüttert. Eine 48-Jährige, die zu Lebzeiten ihr Leid niederschrieb – in einem Tagebuch in der Kirche. Worte, die tief unter die Haut gehen. Lesen Sie von einem Menschen, der an sich und dem Leben zerbrach…!
Ich stehe in der Andreas-Kirche. Tanja, eine Freundin der obdachlosen „fiftyfifty“-Verkäuferin „Elli“, Elvira N., zeigt mir das Buch „Lob Dank Bitte“ – ein Buch der Zuflucht: „Hier schrieb sie rein, was sie fühlte. Jeder kann hier was reinschreiben. Alle können es lesen. Elli war immer für uns da, half, ohne sich selbst helfen zu können.“
Rührende Worte
Da steht: „Entschuldige, dass ich immer ein oder zwei Kerzen mitnehme. Ein Licht, wo es jetzt solange dunkel ist, hilft mir, mich zu besinnen. Ohne Lämpchen fühle ich mich verloren, als hätte ich keinen Kompass mehr.“
Tanja: „Sie schrieb diese Worte an Maria, die Muttergottes, die sie verehrte und die ihr noch Halt gab.“
Elli war für alle da
Man sah Elli oft auf der Kö, an den „Schadow Arkaden“ oder in der Altstadt. Sie hörte zu, wenn ihre Schicksalgefährten sie um Rat oder Hilfe baten. Adrett sah sie immer aus, klug war sie, gebildet. Ertränkte ihren Schmerz über die vor zwei Jahren verstorbene Mutter im Alkohol.
Niemand sah ihr an, dass sie auf der „Platte“ war. Sie hat es nicht gepackt. Ihr „Freunde“ waren Drogen und Alkohol. Sie waren es auch, die sie in der Kälte sterben ließen.
Sie merkte es nicht. Auch die vielen Menschen nicht, die an der Leblosen vorbeieilten, bis einer doch mal anhielt und sie zu wecken versuchte – zu spät! Auch zwei Notärzte konnten nicht mehr helfen.
Von Familie losgesagt
Wegen einer Wohnungsräumung lebte sie im Niemandsland der Stadt, hatte sich losgesagt von der Familie, fühlte sich immer mehr ausgegrenzt. Um zu überleben, verkaufte sie die Obdachlosen-Zeitung, war in deren Beirat.
Aus Ellis Tagebuch: „Ich kann nicht mehr. Zwei Nächte habe ich draußen geschlafen. Mit Feuerzeug in der Hand (Angst!) … was soll ich denn tun? Obwohl es kälter ist als anderswo … meine innere Kälte wiegt schlimmer.“
Gefährten trauern
„Elli ist tot!“ ging wie ein Lauffeuer durch die Altstadt. Ihre Schicksalgefährten kamen zum Kay-und-Lore-Lorentz-Platz, standen weinend und zitternd am „Kom(m)ödchen“, rangen nach Worten.
Nach und nach kamen rote Grablichter zusammen. Einer klebte einen Zettel an die Wand, mit der Bitte um Kranzspenden – abzugeben im nahen Büdchen „Süßland“. Karge 150 Euro kamen zusammen für einen schlichten, aber ehrlichen Kranz des Mitgefühls.
„Fühle mich allein“
Benno (48, Name geändert): „Die Not hat sie besinnlich gemacht. Schlimm wurde es, als ihr geliebte Mutter starb. Ihre Zuflucht war die wärmenden Andreas-Kirche, in der sie ihr Leid ins Buch schrieb, das da ausliegt. Wir vermissen sie so sehr.“
Im Buch steht noch: „Mich berührt meine innere Einkehr und meine Geborgenheit und meine Ruhe hier in dieser Kirche. Ich bin dankbar dafür. Das Schreiben an Dich, Maria, hilft mir, etwas von meinem Schmerz zu lindern. Fühle mich allein, im Stich gelassen. Wofür diese Strafe? Elvira.“