Ex-StadtdechantWilhelm Terboven: „Ein Prediger sollte die Nöte der Menschen kennen“

Seelsorger aus Überzeugung: Monsignore Wilhelm Terboven am Altar der Oberkasseler Antonius-Kirche.

von Michael Kerst  (mik)

Düsseldorf – Sieben Jahre lang, von 1990 bis 1997, war Wilhelm Terboven Stadtdechant, also der höchste Repräsentant der Katholiken in Düsseldorf. Heute lebt der 79-Jährige im Ruhestand als sogenannter „Subsidiar“ in Oberkassel.

Er selbst bezeichnet sich lieber als „Kaplan“ – allerdings nicht aus Bescheidenheit oder Selbstironie, sondern aus Überzeugung. Weil ihm heute Zeit bleibt für die eigentlich wichtigen Sachen im Priesterberuf, etwa für sein heiß geliebtes predigen.

Am Wochenende feierte Terboven sein Goldenes Priesterjubiläum – Anlass für den EXPRESS, ein ausführliches Gespräch mit ihm zu führen.

EXPRESS: Monsignore Terboven, Sie sind ja ein waschechter Düsseldorfer Jong …

Terboven: Das stimmt! Ich wurde 1935 in Rath geboren, einem ausgesprochenen Arbeiterviertel. Und ich stamme auch aus einer Arbeiterfamilie – vor mir gab es nur einen einzigen Akademiker. In meiner Jugend waren wir bitterarm: Mein Vater war jahrelang in Kriegsgefangenschaft in Sibirien. Und mein Mutter musste meine Schwester und mich durchbringen. Glücklicherweise hatte wir Verwandte in Ratingen, die einen großen Obst- und Gemüsegarten hatten – da haben wir uns mit der Straßenbahn das Nötigste zu essen geholt.

Waren solche Erfahrungen prägend für Sie?

Selbstverständlich! Ich kann beispielsweise kein wirklich teures Essen zu mir nehmen.

Wie kam es, dass Sie trotz dieser Umstände Theologie studieren konnten?

Das war ganz schwer: Ich konnte ursprünglich nicht mal Abitur machen, war einfacher Volksschüler und habe eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. Doch weil ich schon mit 14 wusste, dass ich Priester werden möchte, habe ich den schweren zweiten Bildungsweg beschritten und auf einem Abendgymnasium das Abitur nachgeholt. Im Job verstanden die Kollegen das gar nicht, haben sogar heftig versucht, mich davon abzubringen. Sie haben mir sogar Fotos von nackten Frauen gezeigt (das war damals unerhört) – aber ich habe nicht hingesehen! In dieser Zeit haben ich – wie ich das nenne – „Muskulatur“ bekommen, um mich durchzusetzen.

Und als sich Ihr Traum vom Theologie-Studium erfüllt hat, wie war das?

Ich habe in Bonn und Freiburg studiert. Und in meiner Bonner Zeit habe ich auch Vorlesungen von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., gehört. Der war damals der Star an der Fakultät, bei ihm waren die größten Hörsäle überfüllt. Damals war er ausgesprochen progressiv – erst durch die Studentenproteste hat er sich gewandelt.

Und nach Ihrer Priesterweihe durch Kardinal Frings 1964 im Kölner Dom?

Da kam ich erst einmal als Kaplan hierher nach Oberkassel – zunächst hatte ich etwas Angst davor. Ich als Arbeiterkind, als Abendgymnasiast in diesem völlig anderen Milieu! Aber dann hab ich mich hier schnell sehr wohlgefühlt und bin zehn Jahre hiergeblieben. Mein damaliger Chef wollte mich gar nicht mehr weg lassen. Wir hatten damals an jedem Sonntag 4000 Gottesdienstbesucher allein hier in der Antonius-Kirche – heute sind es an guten Sonntagen gerade mal 1000.

Dann wurden Sie aber doch Pastor in einer eigenen Pfarrei?

Ja, für 27 Jahre in Gerresheim – das hatte ich mir gewünscht und mich dafür beworben, weil ich ein großer Freund der romanischen Kirchen bin. Gerresheim ist ganz anders als Oberkassel, das ist eine eigene Stadt. Und der Pastor ist beinahe so etwas wie der „geistliche Bürgermeister“.

Und 1990 wurden Sie dann Stadtdechant. Lag Ihnen dieses Amt, das ja auch ein politisches ist?

Eigentlich nicht – das Erzbistum wollte es so. Aber die Oberbürgermeister Bungert und Smeets waren mir sehr gewogen. Und auch mit dem damaligen Superintendenten der Evangelischen Kirche habe ich gut zusammengearbeitet.

Ihre letzte Station vor dem Ruhestand war das Priesterseminar Collegium Albertinum in Bonn.

Da war ich Spiritual und habe mich um die persönlichen Sorgen und Nöte der Priesteramts-Kandidaten gekümmert. Und ich habe den Predigtkreis geleitet. Mir war wichtig, dass die Teilnehmer die freie Rede mit nur fünf Stichworten lernen.

Predigen ist Ihnen ein besonderes Anliegen?

Ja, unbedingt! Und bis heute! Mir ist wichtig, dass dabei nicht bestimmte Bibelworte ausgelegt werden, sondern dass es um die Dinge geht, von denen sich die Zuhörer wirklich betroffen fühlen. Ein Prediger sollte die Sorgen und Nöte der Menschen kennen. Und er hat die Aufgabe, ihnen zu helfen – das ist sein Job!

Heute bezeichnen Sie sich wieder als „Kaplan“. Wie meinen Sie das?

Nur positiv! Ich habe nichts mehr mit Verwaltung zu tun, kann mich ausschließlich auf die priesterlichen Aufgaben, die Gespräche mit den Menschen und die Bildungsarbeit konzentrieren, die mir ebenfalls sehr am Herzen liegt. Man könnte sagen: Ich bin heute mehr denn je das, was ich immer sein wollte: ein Seelsorger.