Metal-Musiker Hanny Vassiliadis„Die Leute wollten voll auf die Glocke!“
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Copyright: Nicole Gehring
Ioannis „Hanny“ Vassiliadis, war in den 80ern Star in der Metal-Szene. Heute führt er eine der letzten Rockkneipen im Rheinland.
Dormagen – Hanny Vassiliadis war Rockstar. Heute ist er Rock-Wirt. Sein ganzes Leben dreht sich um die Musik. Heute betreibt er das Rock Inn in Dormagen, eine der letzten Metal- und Rockkneipen in der Region. Am Wochenende feierte der Laden Geburtstag. Wir sprachen mit Hanny über Musik und das Klischee von Sex, Drugs&Rock’n’Roll.
Hanny, deine Kneipe ist am Wochenende 18 geworden. Das schaffen nicht mehr viele Gastronomen.Danke. Wir sind endlich volljährig. Ab sofort darf bei uns Alkohol getrunken werden (lacht). Aber leicht ist es nicht. Die Zeiten haben sich geändert, die Leute gehen einfach weniger aus. Vor allem die Jüngeren sind lieber Zuhause, hängen am Smartphone oder PC. Wir öffnen nur noch am Wochenende Aber ich halte durch.
Bei dir läuft ausschließlich harte Rockmusik.Und nur, was mir gefällt. Alles kommt von CDs. Computer kommen mir nicht ins Rock Inn.
Dabei warst du selbst mal Rockstar. In den 1980ern war deine Band Noisehunter in der deutschen Metalszene recht erfolgreich.Ja, wir haben drei Alben gemacht und diverse Tourneen. 1997 war dann aber Schluss.
Angefangen habt ihr als Schülerband.Richtig. Das müsste 1973 gewesen sein. Ronny Lewandowski am Schlagzeug, Erwin Perle und ich an der Gitarre. Später kam Rainer Hormel am Bass dazu. Am Anfang haben wir Songs von Status Quo und anderen gecovert. Aber recht schnell auch eigene Songs geschrieben.
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Copyright: Nicole Gehring
Hanny Vassiliadis im Gespräch mit EXPRESS-Redakteur Marc Herriger im Rock Inn.
Und ihr hattet auch schnell einen Mega-Auftritt.1975 oder 1976 haben wir bei der „Bravo Super-Disco“ gespielt. Das war in der Essener Gruga-Halle. Erst mussten wir vor einer Jury antreten, unter anderem vor Jürgen Drews. Wir haben es geschafft und durften dann im Vorprogramm von den Bay City Rollers spielen. Da war es um uns geschehen, wir wollten Profi-Musiker werden.
Aber bis zum ersten Album hat es noch gedauert.Das kam erst 1986. Vorher hatte ich nebenher mit Ausbrecher-König Detlef Kowaleski (der Musiker wurde später wegen Kokainbesitzes verhaftet und brach aus zwei Gefängnissen aus, Anm. d. Red.) Musik gemacht. Der hatte eine Platte fertig produziert und ging damit zu den Plattenfirmen. Ich war dabei, als ihm die Manager sagten: »Detlef das ist nicht hart genug.« Da hat es bei mir Klick gemacht. Ich bin in unseren Proberaum, habe den Jungs gesagt: »Ich weiß, was die Leute wollen. Die wollen richtig auf die Glocke geben.« Danach haben wir unseren Sound entwickelt. Wir kratzten 6000 Mark zusammen und sind in die Diercks-Studios nach Stommeln gegangen. Dort wurden damals die Scorpions produziert. Wir haben zwei Songs aufgenommen und haben das an Plattenfirmen geschickt. Und das Plattenlabel GAMA hat uns unter Vertrag genommen.
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Copyright: Nicole Gehring (Repro)
„Geiler 80er-Look“, sagt Hanny Vassiliadis (ganz rechts) selbstironisch über das Noisehunter-Foto von 1986.
Habt ihr damit dann schon Geld verdient?Nee. Wir mussten dem Label sogar eine bestimmte Anzahl an Platten selbst abkaufen. Zum Vorzugspreis, die konnten wir auf unseren Tourneen dann verkaufen. Wir haben über die GEMA für unsere Songrechte ein bisschen was verdient.
Das Debüt wurde von der Kritik gut angenommen, das zweite Album auch. Aber das dritte war dann ein Reinfall. Wie kam’s?Wir hatten neben den harten Metal-Songs auch ein paar softere drauf. Sie war nicht richtig Fisch noch Fleisch. Aber das eigentliche Problem war der Metal Hammer. Da hat ein Neuling in der Redaktion unser Album komplett verrissen. Und damals war so ein Verriss ein Todesurteil. Wir hatten Mühe, die Hallen vollzukriegen. Der Kritiker war übrigens nach zwei Monaten wieder entlassen worden.
Der Kult-Auftritt von Noisehunter in der WDR-Sendung „Gut Drauf“:
Vorher hattet ihr aber noch unfassbare Auftritte in Osteuropa.Das kam auch über den Metal Hammer. Die hatten ein Festival in Ungarn und eine Band war kurzfristig ausgefallen. Dann kriegte ich einen Anruf: »Habt ihr Lust?« Klar hatten wir Lust. Wir haben dann in Ungarn vor 12 000 Leuten gespielt. Darunter auch ein Fanzine-Macher aus der DDR. Der hat uns dann vor dem Mauerfall noch zu Auftritten nach Ostdeutschland geholt. In Tschechien hatten wir eine Riesen-Tour. Die Fans standen vor den Hotels, warteten auf uns. Echt irre.
Sex, Drugs & Rock’n’Roll - stimmen die Klischees?Ja, ganz klar. Als Musiker musste man damals gar keine Frauen anbaggern. Die boten sich einem von alleine an. Ich musste nach einem Konzert in Hamburg einer Frau ein Autogramm auf ihre Brüste geben. Danach bin ich mit zu ihr. Nach drei Tagen hat sie mich nach Hause gefahren. Oder die Episode in der Rockfabrik Ludwigsburg. Ich war sternhagelvoll, musste aufs Klo - und mich plötzlich übergeben. Ich hänge mit heruntergelassener Hose über der Schüssel und schlafe ein. Meine Jungs haben mich rausgetragen. Ich muss ziemlich gestunken haben.
Nach dem Aus mit Noisehunter 1997 machtest du plötzlich Mallorca-Schlager.Nur des Geldes wegen. Ein Freund hatte mich überredet. Und wir haben wirklich gut verdient, sind als »Die Originalen« im Bayern-Look unter anderem mit Mickie Krause aufgetreten. Aber ich wollte mich dann auf meinen Laden konzentrieren, habe aufgehört.
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Copyright: Marc Herriger (Repro)
So verdiente Hanny (rechts) Anfang der 2000er sein Geld: Als Teil des Mallorca-Schlager-Duos „Die Originalen“.
2000 hast du das Rock Inn aufgemacht. Wie kam es dazu?Ich wohnte direkt gegenüber. Eines Tages sprach mich der Wirt an, ob ich den Laden nicht übernehmen will. Es war eine Altherrenkneipe, das „Löscheck“. Ich sagte, wenn das komplett umgebaut wird, mache ich das. Und das haben die Vermieter dann tatsächlich getan. Ich musste schlucken, aber habe den Schritt gewagt und es nicht bereut.
Zum Schluss: Wird es irgendwann eine Noisehunter-Reunion geben?Wir hätten alle Lust darauf, aber es fehlt die Zeit. Wenn wir auftreten, müssen wir die Songs so spielen wie früher. Da muss man lange im Proberaum stehen, bis die wieder sitzen. Aber ein Traum wäre es schon.
Das ist Hanny Vassiliadis
Ioannis Vassiliadis kommt im Dezember 1962 als Sohn griechischer Gastarbeiter in Dormagen zur Welt. Nach der Schule wirft er zwei Ausbildungen hin, weil er unbedingt Musiker werden will. Zusammen mit den Schulfreunden Ronny Lewandowski und Erwin Perle gründet er „Noise“. Wegen Verwechslungsgefahr mit dem gleichnamigen Plattenlabel wird die Band später in Noisehunter umbenannt. Nach rund einer halben Millione verkaufter Alben löst sich die Band 1997 auf. 2000 übernimmt Hanny eine Kneipe in Dormagen-Hackenbroich – das „Rock Inn“.
(exfo)