Konditorei-Chef im GesprächHeinz-Richard Heinemann: „Ein guter Handwerker ist ein Künstler“
Düsseldorf/Mönchengladbach – Die süßen Leckereien der Konditorei Heinemann sind weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Champagner-Trüffel, Herrentorte, Baumkuchen – alles ist handgemacht und wird täglich frisch zubereitet.
Derzeit haben die 120 fleißigen Mitarbeiter in der Backstube in Mönchengladbach besonders viel zu tun: Weihnachtszeit ist Hochsaison bei Heinemann. Alle Jahre wieder eine besondere Herausforderung für den Chef, dessen oberstes Gebot Frische und Qualität ist. EXPRESS sprach mit Heinz-Richard Heinemann.
Sie führen eine der erfolgreichsten Konditoreien Europas: Beruf oder Berufung?
Das Schöne ist, dass diese Handwerkskonditorei so erfolgreich ist, weil hier viele Menschen arbeiten, denen der Handwerksberuf Spaß macht. Mich persönlich hat natürlich meine Erziehung geprägt und das Aufwachsen in unserer Konditorei – sonst würde ich heute vielleicht was anderes machen.
Was sind die Grundpfeiler in Ihrem Leben?
Es gibt drei Säulen, auf denen ich stehe: An erster Stelle das Elternhaus. Da bin ich in der Gemeinschaft mit den Mitarbeitern aufgewachsen. In der kleinen Konditorei in Mönchengladbach, in der meine Eltern Hermann und Johanna angefangen haben. Da habe ich gemerkt, dass kreativ Arbeitende Freude haben und zufrieden sind. Das hat mich in meiner Kindheit immer begleitet. Es war eine schöne große Gemeinschaft. Wenn ich aus dem Kindergarten oder aus der Schule kam, konnte ich in der Backstube, im Laden oder in der Kaffeeküche mithelfen. Es war immer mit Arbeiten verbunden, aber nicht mit Belastung, sondern immer spielerisch schön.
Die zweite Säule ist die Erziehung im bischöflichen Internat in Gerolstein in der Eifel während der Zeit des Gymnasiums. Da wurden mir die Werte vermittelt und die Vorteile eines strukturierten Tagesablaufs.
Die dritte Säule ist die harte Lehrzeit von drei Jahren in einer kleinen Konditorei in Lausanne, wo die Backstube im Keller und ich der einzige Lehrling war. Durch die unglaubliche Strenge aber auch Güte meines Lehrmeisters Robert Mojonnier habe ich große Arbeitsdisziplin gelernt, die noch heute die Grundlage für meinen beruflichen Erfolg ist. Leider wird heutzutage kaum ein Auszubildender zu dieser für unsere Wirtschaft so wichtigen Disziplin erzogen. Vor lauter Gesetzen und Richtlinien ist das oft nicht mehr möglich.
Wie sehen Sie die Zukunft des Handwerks?
Sehr positiv, aber Qualitäts-Fanatiker im Lebensmittelhandwerk sind eine aussterbende Spezies. Das Neue schmeckt oft nur deshalb so gut, weil es das bessere Alte nicht mehr gibt. Jeder, der nicht ohne Zunge durchs Leben geht, weiß, dass der Industrie-Fraß oft von den Herstellern manipuliert wird. Das bedeutet: Eine gewisse Natürlichkeit wird ausgemerzt und durch Zusätze ersetzt, welche die Haltbarkeit der Fertignahrung verlängern, ihren Fett- und Zuckergehalt regulieren, neue Aromen hinzufügen und, wenn es sein muss, verwandeln die einen Pferdesattel in ein Rindergulasch (lacht).
Was macht Ihren Handwerksbetrieb so besonders?
Wichtig ist mir, dass wir unverfälschte Lebensmittel verarbeiten. Wir benutzen keine industriell vorgefertigten Rohstoffe. Früchte wie Sauerkirschen, Erdbeeren, Himbeeren – die große Menge, die wir brauchen, frieren wir selbst ein. Und kaufen sie auch immer beim selben Bauern, damit wir nicht von irgendwelchen Lieferanten abhängig sind. Äpfel werden – ob Sommer oder Winter – jeden Tag frisch geschält, um auch am gleichen Tag unsere Apfeltorten daraus zu machen.
Bei Ihnen wird alles handgefertigt und täglich frisch mit den besten Produkten zubereitet. Schätzt die Kundschaft das?
Durch den hohen Absatz, den wir haben, können wir Pralinen und Trüffel tagesfrisch produzieren und bieten sie auch tagesfrisch an. Die Kunden, die das zu schätzen wissen, essen sie dann auch frisch und lassen sie nicht drei Wochen rumliegen.
Wollten Sie jemals einen anderen Beruf ausüben?
Zirkusdirektor hätte mir auch gefallen. Ich hatte immer einen großen Hang zum fahrenden Volk.
Woher stammen die Rezepte für Ihre Klassiker?
Die Rezepte für die Klassiker wie Baumkuchen oder Champagnertrüffel stammen alle von meinem Vater. Champagnertrüffel machen wir schon seit 1968. Klassiker wie Herrentorte schon seit 1932.
Sie kreieren ja auch selbst neue Süßträume: Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen?
Durch ein wachsames Auge. Ich sehe irgendwas und mache etwas ganz anderes daraus. Aber nie eine Kopie.
Wie ein Designer?
Mag sein.
Sehen Sie sich als Künstler?
Ein guter Handwerker ist ein Künstler.
Sind Sie eine Naschkatze?
Ja, ich esse schon Süßes. Aber ich genieße es und ernähre mich nicht davon.
Treiben Sie Sport?
Mache ich zu wenig. Ich habe einen Personal Trainer, aber mehr als ein bis zweimal in der Woche schaffe ich nicht.
Dürfen Ihre Mitarbeiter während der Arbeit naschen?
Ja, natürlich! Jederzeit.
Was bedeutet Ihnen die Weihnachtszeit in beruflicher Hinsicht?
Die ist für mich der Höhepunkt des Jahres. Organisation, Kreativität, Qualität, Frische – das alles zu garantieren auch in einer Zeit, wo wir ein Drittel unseres Jahresumsatzes machen, ist eine große Herausforderung und macht Riesenspaß.
Und privat?
Privat bedeutet die Weihnachtszeit für mich die Prägung aus dem Internat. Die Adventszeit war immer eine Zeit der Geborgenheit, der Dunkelheit, in der man in geschützten Räumen bleibt und Kerzen anzündet. Diese Kultur pflege ich nach wie vor.
Auf der nächsten Seite spricht Heinz-Richard Heinemann über das Weihnachtsfest bei sich zu Hause.
Wie leben Sie mit Ihren vierjährigen Kindern die Weihnachtszeit?
So wie ich eben beschrieben habe. Wir hören Lieder, singen zusammen. Das habe ich ja alles im Internat gelernt. Dort wurden wir morgens immer mit einem Adventslied geweckt, das von einer Schallplatte über große Lautsprecher abgespielt wurde. Das sind Dinge, die prägen einen. Durch diese Prägung ist mein Jahr auch eingeteilt in kirchliche Feiertage. Weihnachten, Dreikönige, Aschermittwoch, Palmsonntag, Ostern … So läuft das Jahr in meinem Kopf ab. Das ist eine Orientierungshilfe für mich.
Backen Sie zu Hause mit den Zwillingen auch Plätzchen?
Ja, in der Woche vor Nikolaus haben wir ganz viele Plätzchen gebacken. Ausgestochen und ausgarniert mit vielen lustigen Sachen. Und die haben die Kinder dann – da habe ich großen Wert drauf gelegt, nachdem sie natürlich auch ein paar essen durften – verpackt und dem Nikolaus geschenkt, der zu uns kam. Damit er sie anderen Kindern schenken kann.
Wie bringen Sie Ihren Jungs den vernünftigen Umgang mit Süßem bei?
Die Kinder bekommen seit ihrem dritten Lebensjahr zwei-, dreimal die Woche ein kleines Stückchen bittere Schokolade. Da gewöhnt sich der Geschmack an richtig guten Kakaogeschmack.
Der emeritierte Papst Benedikt – welche Heinemann-Produkte isst er am liebsten?
Einfaches deutsches Gebäck wie Spekulatius. Das mag er, weil er deutsche Wurzeln hat.
Was ist Ihr persönlicher Jungbrunnen?
Spaß an der Arbeit und an den Kindern.
Haben Sie Mitleid mit Bäcker Josef Hinkel, der eine Mehlallergie hat?
Das wusste ich gar nicht. Umso mehr bewundere ich sein fachliches Können.
Würden Sie jemals Prinz Karneval der Landeshauptstadt werden?
Ich glaube, Hermann Schmitz hatte mich lange auf seiner Favoriten-Liste ganz oben. Ich habe es geschafft, die Liste durch langes Aussitzen nicht mehr anzuführen.