Waschen, föhnen, Lippen lesenBesuch bei Deutschlands einzigem gehörlosen Friseur

Düsseldorf – In dem Friseursalon auf der Düsselthaler Straße betrachtet Ralph Kastner (50) die Haare von Antonia Ridke (19). Aus dem Radio schallt Musik. Doch davon nehmen beide beine Notiz. Antonia kann nichts hören. Und Ralph Kastner ist Deutschlands einziger gehörloser Friseur...

Seine Kunden kommen teilweise sogar aus England, vertrauen sich ihm an. Hier werden sie nämlich verstanden. Kastner (50), seit seiner Geburt gehörlos, liest ihnen jeden Haarwunsch buchstäblich von den Lippen oder den Händen ab.

Gerade plant er mit Abiturientin Antonia Ridke (19) aus München ihren Haarschnitt - in Gebärdensprache. Nach ein paar Gesten steht die Frisur fest. „Ich bin froh hier zu sein und mir die Haare so machen zu lassen, wie ich das möchte“, übersetzt Ralph Kastner die Gebärden seiner Kundin Antonia und fügt hinzu: „Viele Menschen können nur in Gebärdensprache sprechen, weil ihre Eltern ebenfalls taub sind“.

Dem geduldigen Training mit seiner Mutter hat er zu verdanken, dass er sowohl sprechen und von den Lippen ablesen, als auch die Gebärdensprache beherrscht. Keine Überraschung also, dass sich bei ihm sowohl gehörlose, als auch hörende Kunden die Klinke in die Hand drücken.

Friseur wollte er schon im Alter von 4 Jahren werden, als er seiner Oma die Locken wickelte. „Ich bin mit Kamm in der Hand geboren“ lacht Kastner. Und für seinen Traum kämpfte der ehrgeizige Junge, ging wie jeder andere zur Schule, machte seine Ausbildung - und drohte plötzlich zu scheitern.

„Keiner wollte mich, weil alle dachten ich könnte nicht mit Kunden reden“ erinnert er sich. Vom Ehrgeiz getrieben, legte er die beste Meisterprüfung seines Jahrganges ab - in ganz NRW. Wieder hagelte es Absagen. Dann macht er aus seiner Not den Schritt in die Selbstständigkeit. Und Kastner kommt an - am Dienstag feiert er sein 25-Jähriges Jubiläum. Und das Radio? „Meine hörenden Kolleginnen und Kunden sollen sich doch nicht langweilen“ schmunzelt er.