Weihwasser statt Whiskey„Barmherziger Jesus“: Hartz-IV-Kneipe wird zur Gebetskapelle

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Ort der Stille auf der Sonnenstraße: Wo früher auch  Hells Angels zechten, wird jetzt der Herr angebetet.

Düsseldorf – Wenn man es denn so will, dann hat dieser Mann aus billigem Whiskey Weihwasser gemacht …

Die Sonnenstraße 78 in Oberbilk. Einst Heimat der ersten „Hartz-IV“-Kneipe Düsseldorfs („Bier, Schnaps, Whiskey, 79 Cent“).

Die Hells Angels sollen hier mal gezecht haben. Heute sind nur noch die Engel da. Die Hölle ist weit weg.

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Der Eingang zur Gebetsstätte an der Sonnenstraße. Täglich geöffnet von 10 bis 22 Uhr. Über der Tür wacht der Herr.

Hermann Josef Müller heißt der Mann, der hier die erste „Gedenk- und Gebetsstätte zum Barmherzigen Jesus“ geschaffen hat.

„Nicht ich, es war der Herr“, sagt der 56-Jährige bescheiden, als er uns an der Tür begrüßt. Im Fenster hängen die zehn Gebote, über der Tür ein großes Bild mit Jesus, dem Retter. Vor der Tür brennt eine Kerze. Rechts ein Schild der Feuerwehr: „2. Rettungsweg über Nebeneingang Kirchstraße.“ Wir nehmen den ersten.

Ein kleines Kneipenwunder. Aus dem Hartz-IV-Lokal ist ein schmucker Gebetsort geworden. Täglich geöffnet von 10 bis 22 Uhr. Für jeden.

Für den 56-jährigen zählt nur Gott

Nagelneue Holzbänke, ein paar Besucher im Gebet vertieft. Große Heiligenfiguren. Blumen. Hermann Josef Müller strahlt. Ein Foto vielleicht? Neben dem Reliquienschrank? „Nein, auf keinen Fall. Ich bin hier ein Nichts. Nur der Herr zählt.“

Dann machen wir uns mal selbst ein Bild: 21 Jahre selbstständig als Ehe- und Partnervermittler gearbeitet, nur zu Weihnachten in die Kirche. Warum entscheidet man sich plötzlich für so einen Weg?

„Weil mir der Herr erschienen ist“, sagt er und strahlt noch mehr. „2004 war das. Ich hatte 96 Schlaftabletten genommen, wollte meinem Leben ein Ende setzen. Ich war schon tot. Dann stand Jesus vor mir. Seitdem ist mein Leben ein anderes geworden.“

Steinig sei der neue Weg gewesen, sagt er. Frau und Kinder hätten ihn verlassen. „Sie hielten mich für eine Spinner.“ Hohn und Spott habe er geerntet.

„Warum hast du mich leben lassen?“, habe er den Herrn verzweifelt gefragt. Und der habe ihm einen Auftrag gegeben: „Geh und hilf mir mein Heer gegen Schmutz und Selbstgefälligkeit zu bauen.“

Der Glaube sich bezahlt

Das „Heer“, das sitzt jetzt täglich in der Kapelle. Und es wird immer größer. Hunderte sind es vor allem am Wochenende.

Begonnen hatte alles mit einer Zeitungsanzeige 2012: „Zimmer, Raum, Lokal für den barmherzigen Jesus und die heilige Mutter gesucht“.

Das Zimmer wurde gefunden. Und „nur mit Spenden“ ist ein Platz entstanden, den inzwischen sogar der frühere Kardinal Meisner besucht hat. Aus Müllers „Auftrag“ ist ein eingetragener Verein geworden.

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Bett, Schrank, Heilige, Weihwasser: Hermann Josef Müller, geistiger Vater der Kapelle, lebt hier auf drei Quadratmetern.

Er selbst lebt hier das Leben eines Mönches. Bett und Schrank in einer Art Abstellkammer. Bad. Bücher, Heiligenbilder, ein Fläschchen mit Weihwasser. Und wovon lebt er?

Müller: „Siehe die Vögel des Himmels. Sie säen nicht, sie ernten nicht. und der Herr ernährt sie doch …“ In seinem Fall auch gern mal mit Süßem.

„Schokolade mag ich. Und Rollmops. Ich esse eh nur Abends.“ Ist er glücklich? „Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.“

Fest der Barmherzigkeit

Am 3. April wird auf der Sonnenstraße das Fest der göttlichen Barmherzigkeit gefeiert. Heilige Messe, Anbetung, Beichte, Einzelsegnung. Beginn: 11.45 Uhr.