Bei einer Pressekonferenz der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) sollte es eigentlich um die Booster-Impfungen in NRW gehen, doch der Vorstand thematisierte auch schlimme Szenen in Arztpraxen.
„Ekelhaft“Tränen und Nazi-Attacken: NRW-Arztpraxen kämpfen mit üblem Booster-Phänomen
Düsseldorf. Es ist das große Thema dieser Tage. Wie geht es in NRW mit den Booster-Impfungen voran? Am Donnerstag (18. November) hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) in einem Pressebriefing über den aktuellen Stand informiert und dabei üble Szenen beschrieben, die sich in den ohnehin schon stark überlasteten Arztpraxen gerade abspielen. Vor allem junge Patienten, die sofort einen Termin für eine Booster-Impfung verlangen, sollen am Telefon gegenüber den Arzthelferinnen ausfallend werden und schlimmeres, schildert der Vorstand der KVNO.
NRW: Üble Szenen in Arztpraxen – Patienten beschimpfen Mitarbeiterinnen
„Die Arztpraxen stehen unter einer massiven Dauerbelastung“, schildert KVNO-Vorstandsmitglied Dr. Carsten König am Donnerstag während der Pressekonferenz. Seit der Schließung der Impfzentren in NRW hätten die Arztpraxen einen Großteil der Corona-Impfungen durchgeführt und damit auch das Gros der Arbeitsbelastung in der Pandemie getragen.
Doch trotz des großen Engagements sei bisher nicht für Arzthelferinnen geklatscht worden, noch habe es nennenswerte Bonuszahlungen gegeben. Für die Praxismitarbeiter würde zur großen Arbeitsbelastung aktuell erschwerend hinzukommen, dass sie oft beschimpft und beleidigt werden.
„Wir sprechen hier von weinenden Mitarbeiterinnen am Telefon, weil Patienten ausrasten, wenn sie nicht den gewünschten Termin für die Booster-Impfung erhalten“, schildert Vorstand Dr. Carsten König fassungslos. Und das sei noch nicht alles.
NRW-Arztpraxen: „Es spielen sich gruselige Szenen ab“ – Mitarbeiter bekommen Morddrohungen
„Ärzte, aber vor allem die Medizinischen Fachangestellte werden auch in den Praxen aufs Übelste beschimpft und beleidigt“, so Carsten. Vor allem junge Patienten, die erst vor drei Monaten ihre zweite Corona-Impfung erhalten haben, würden häufig ausflippen.
Zu viele Patienten würden nicht begreifen, dass sie erst nach sechs Monaten einen Termin zu einer Booster-Impfung erhalten können. Vor diesem Hintergrund appelliert die KVNO an alle Patienten, niemals den Stress und Druck an den Mitarbeitern der Arztpraxen auszulassen. Doch aktuell würde es in den Arztpraxen nicht nur zu aggressivem Verhalten kommen, sondern auch zu Straftatbeständen.
„Es spielen sich gruselige Szenen in Praxen ab. Mitarbeiterinnen bekommen Morddrohungen und Praxistüren werden mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen beschmiert. Das ist ekelhaft“, so König.
KVNO will offene Impfangebote sammeln und veröffentlichen
Trotz dieser schlimmen Umstände und den starken Belastungen würde die Arbeit in den Arztpraxen uneingeschränkt weitergehen. Es sei wichtig, weiterhin so viele Menschen wie möglich zu impfen.
Um insbesondere die Booster-Impfungen weiter voran zu treiben, seien zukünftig auch Wochenendimpfungen in Arztpraxen geplant. Die KVNO will außerdem offene Impfangebote in NRW-Arztpraxen sammeln und veröffentlichen, damit impfinteressierte Patienten wissen, wo sie sich melden können. Auch ein sogenannter „Impfadvent“ mit Sonderterminen sei in Planung.
Booster-Impfungen in NRW: Hier alle aktuellen Fakten im Überblick
Klar sei trotzdem, dass es zu Wartezeiten kommen wird. Hier alle Fakten zu den bisherigen Impfungen in NRW:
- Aktuell liegt NRW bei den Booster-Impfungen auf Rang sechs noch hinter dem Saarland
- NRW liegt derzeit sowohl bei den Erstimpfungen (74,4Prozent) und Zweitimpfungen (71,1 Prozent) auf Rang 5 im bundesweiten Vergleich
- Die Zahl der durchgeführten Booster-Impfungen steigt seit drei Wochen deutlich an und lag in der letzten Woche (Kalenderwoche 45) bei rund 114.000 Impfungen in Nordrhein
- Die aktuellen Zahlen der laufenden Woche sowie die Bestellmengen der Praxen deuten laut KVNO darauf hin, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen wird
- Bei den Impfquoten nach Altersgruppen zeigt sich derzeit die größte Dynamik bei den Booster-Impfungen der Über-60-Jährigen, die bei insgesamt 13,4 Prozent liegt
- Laut dem siebten Impf-Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen haben 90 Prozent der vollstationären Pflegeeinrichtungen bereits ein Angebot für Booster-Impfungen erhalten
Außerdem: Bis Ende vergangener Woche wurden mehr als 365.000 Personen über 60 Jahre in Nordrhein geboostert - bei rund 88.000 vollstationären Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern in Nordrhein sei anzunehmen, dass die Pflegeheime, die Boosterimpfungen in Anspruch nehmen wollten, dies auch bereits in die Tat umsetzen konnten.
KVNO: Unabhängig von Booster-Impfungen: Größtes Problem liegt bei Ungeimpften
Nach Ansicht des KVNO-Vorstandsvorsitzenden Dr. med. Frank Bergmann ist, bis auf diejenigen, die sich bisher noch zu keiner Impfung durchringen konnten, eine gewisse Grundimmunisierung in der Bevölkerung erreicht worden.
Unabhängig von den Booster-Impfungen liege das eigentliche Problem der derzeit hohen Inzidenzen in der noch hohen Zahl der Ungeimpften. Hier sei vor allem die Politik weiterhin gefragt und Ärzte, die täglich Überzeugungsarbeit leisten würden. (mj)