Bei der Flutkatastrophe im Juli soff eine ganze Region ab. Doch auf die Community des 1. FC Köln konnten sich die Betroffenen verlassen. Viele Fangruppierungen packten beim Aufräumen mit an. Und tun es noch heute.
Kurschänke im AhrtalWirt schildert bewegendes Flut-Drama, dann sorgen FC-Fans für Gänsehaut
Bad Neuenahr. Wenn man seine Stimme hört, kann man sich nicht vorstellen, was auch er mit durchmachen musste und durchmacht. Denn Peter Ruckes (64) ist eine Frohnatur.
Der Horror der Flutkatastrophe im Ahrtal hat auch den Gastronomen massiv geschädigt. Und zwar im sechsstelligen Bereich. Doch der Wirt der Kurschänke in der Reha-Klinik in Bad Neuenahr ist buchstäblich nicht unterzukriegen.
Und sein Geißbock auch nicht!
Unfassbar, aber der Gips-Hennes, der in 1,80 Metern Höhe im Saal der Kneipe an der Wand seinen Platz hatte, überstand die Wassermassen unbeschadet und ging nicht mit im Schlamm unter. Ruckes über den wohl tapfersten Geißbock im Ahrtal: „Ja, der Hennes hat nichts abgekriegt und wird bald wieder aufgestellt.“
Ahrtal-Horror: FC-Wirt der Kurschänke schildert Drama aus dem Juli
Ruckes, seit 23 Jahren in der Kurschänke am Tresen, weiß noch genau, wie es war und wie sich das Dilemma angekündigt hatte.
„Am Vorabend“, schildert er, „machte schon bei uns die Runde, dass ein heftiges Unwetter bevorstehe. Wir haben deshalb die Gäste schon um 22.30 Uhr nach Hause geschickt und die Bude so weit es ging verbarrikadiert. Denn es hatte in der Vergangenheit schon mal Wasserschäden gegeben. Doch diesmal war alles zwecklos. Wir liegen ja direkt an der Ahr. Als es losging, hatten wir genau fünf Minuten Zeit, die Nachbarn aus dem Bett zu holen. Danach wäre es zu spät gewesen.“
Der Gastronom traute seinen Augen kaum, als sich das Wasser seinen Weg suchte und seine Kneipe – wie alles drum herum – vor seinen Augen absoff: „Damit konnte keiner rechnen.“
Zwei Meter hoch stand das Wasser im Lokal. Ein wahres Schlammbad tat sich auf, als er zur Unglücksstelle kam, als das Unwetter vorbei war.
Doch Ruckes betont auch: „Natürlich haben wir diesen materiellen Schaden. Aber wir sind gesund geblieben. In Dernau oder Rech sieht es ganz anders aus. Die Ahr rauf, die Dörfer, die Leute dort sind alles arme Schweine. Sie hat es doch viel härter getroffen.“
Welle der Solidarität: FC-Fans packten in der Flutregion mit an
Und ganz wichtig: Die Ahrtal-Region ist eine Geißbock-Hochburg! Der Vollblut-Fan des 1. FC Köln war von Anfang an in seiner Not so nicht allein. Denn es dauerte nicht lange und es klingelte sein Handy. Am anderen Ende: Anhänger des FC, die ihm seine Hilfe anboten. Ruckes musste nicht lange überlegen. Kurz darauf standen die Jungs Gewehr bei Fuß.
„Alleine kriegt man das nicht geregelt. Alleine das Schleppen mit den Eimern“, weiß er, „die Truppe der Wilden Horde, Locos Cologne und Südkurve e.V waren direkt mit acht Mann da. Da waren wir einfach froh.“
Motto der ehrenamtlichen Helfer: volle Solidarität mit den Betroffenen. Und das an mehreren Orten. Verschiedene FC-Fangruppierungen packten unabhängig voneinander in der ganzen Region an. Selbständig organisiert, völlig losgelöst vom Klub.
Sie packten Schaufeln und Blaumänner in ihre Fahrzeuge und düsten auf eigene Faust durch die unwegbare Region. Täglich bis zu zwölf Stunden hauten sie den Putz von den Wänden und schleppten die Eimer.
„Wir waren etwa 200 Mann, in 20 Trupps aufgeteilt in Gmünd, Schleiden, Rech. Die meisten Jungs waren im Erftkreis und haben sich fast zwei Wochen von der Arbeit frei dafür genommen. Was mich gefreut hat, war die Vielzahl an Leuten“, berichtet auch Roger Witters aus Köln, der mit anpackte.
„Es waren ja nicht nur Fußballfans. Die Helfer kamen aus ganz Deutschland. Wir haben die Keller vom Schlamm befreit und den ganzen Unrat vor die Tür befördert. Was wir gesehen haben, war erschütternd.“
Bad Neuenahr: Kurschänke-Wirt will im Februar wieder öffnen
Natürlich ist jetzt, Mitte September und neun Wochen nach dem Drama, erst das Gröbste erledigt, und die Spuren des Horrors sind auch in der Kurschänke noch sichtbar.
Doch der Wirt will und wird nicht aufgeben. Ein Jahr, prognostiziert er, werden die Aufräumarbeiten brauchen. Doch schon im Frühjahr 2022, so plant er vorsichtig, will er wieder öffnen.
„Es wäre schön, wenn wir dann wieder auf unserer Terrasse den FC gucken können mit unseren Gästen. Wie vor der Katastrophe“, hofft Familie Ruckes. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Doch mit Optimismus und tatkräftiger Hilfe scheint alles möglich.