KommentarRetro-Trend 90er: Bloß weg mit dem Jahrzehnt aus der Hölle!

Sarah Knappik 2018 im Bällebad bei der 90er Party im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds Berlin. 

Retro boomt – zu Recht? Hier zeigt sich Model Sarah Knappig 2018 im 90er-Outfit und im Bällebad bei der Party im Berliner Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds.

Die 90er – wohl kaum ein Jahrzehnt spaltet in Sachen Musik, Mode und Lifestyle so sehr. Über den gegenwärtigen Retro-Trend scheiden sich die Geister. Auch bei EXPRESS.de.

von Stefanie Monien  (smo)

Hier schreibt Redakteurin Stefanie Monien (47) aus der Generation, die die 90er live und in Farbe miterlebt hat. Oder besser: miterleben musste. Ein Kommentar unter dem Motto: „Ist das noch Kult oder kann das endlich weg?!“

Ich freu’ mich ja immer, wenn junge Leute Spaß haben. Auch wenn sich das jetzt tantenhaft anhört. Aber muss es ausgerechnet ein Neunziger-Revival sein? Und das auch noch ohne die feinste Prise Ironie, sondern völlig ernst gemeint?! Nicht euer Ernst!

Die 90er: Billo-Beats und absurde Klamotten-Trends

1994 hab’ ich Abitur gemacht – und auch sonst war es vom reinen Lebensgefühl (jung, unbeschwert, Sie wissen schon...) her eine lustige Zeit damals. Eben genau die Zeit, vor der unsere Eltern uns immer gewarnt haben.

Aber vorbei ist vorbei – und was zur Hölle findet man heute bloß noch an diesem dödeligen Diddl? An Boygroups, diesen singenden Stereotypen mit den immergleichen Charakterrollen?

An Serien wie „Beverly Hills 90210“ oder „Clueless“, in denen die Darsteller so geleckt daherkamen, als seien sie abwaschbare Avatare? An Tamagotchis, diesen perfide tickendenden Niedlichkeits-Zeitbomben im Hosentaschenformat?

Und vor allem an der Musik? An Eurodance (einer der Chartbreaker hieß tatsächlich Corona und trällerte 1995 „The Rhythm of the Night“) und der dazugehörigen Mode? Hüfthosen so unvorteilhaft geschnitten, dass selbst gertenschlanke Mitschülerinnen leicht adipös wirkten.

Redakteurin Stefanie Monien vom Sonntag-EXPRESS auf einem Foto von 1994.

Unsere Redakteurin Stefanie Monien machte im Jahr 1994 Abitur.

Dazu Tattoo-Choker (angeblich sexy anzuschauende Würgehalsbänder) und Spaghettiträger-Bauchfrei-Tops zu Schuhen, die aussahen wie Treckerreifen?

Wohin man damals auch blickte (auch wenn man nicht jede mehr oder weniger absurde Trendwelle selber gesurft hat): Die 90er waren überwiegend ein klischeehaftes, in Plastikklamotten und Billo-Musik gegossenes Grauen. Dagegen konnte auch Grunge nicht so sehr viel ausrichten.

Wenn ich heute noch irgendwo die 1991er-Ohrenfolter Crystal Waters mit „Gypsy Woman“ (La da dee la dee da – noch Fragen?!) höre, bin ich einmal mehr froh, die 90er überlebt zu haben. Und kann mich daher mit einer gewissen retrospektiven Milde darauf freuen, wie meine junge Kollegin mir 90er-Veteranin völlig ironiefrei erklärt, warum man DAS bitteschön alles wieder haben muss.