Football-Star Aaron HernandezMachte sein Doppelleben ihn zum Mörder?

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Aaron Hernandez wurden sogar noch andere Morde zur Last gelegt, verurteilt wurde er aber nur für den an Odin Lloyd.

von Marie Schäfers  (mjs)

Lancaster/Massachusetts – American Football, die Welt des großen Geldes und der großen Stars. Der Superbowl lockte gerade erst wieder weltweit Milliarden vor den Bildschirm. Beinharte Kerle ohne Furcht. Oder steckt mehr Angst, Verzweiflung und Verleugnung in dem Sport? Und mehr Risiko? Das legt jedenfalls der Fall Aaron Hernandez (†2017) nahe.

Netflix hat eine Aufsehen erregende Doku im Programm, die sich um sein tragisches Doppelleben dreht. Und um eine Krankheit, die den Football-Star womöglich so veränderte, dass er zum Mörder wurde. Vergangene Woche sprach erstmals die Familie – und bestätigte die Thesen der Doku.

Aaron Hernandez galt als hoffnungsvoller Offensivspieler

Satte 41 Millionen Dollar. Umgerechnet 37 Millionen Euro. So viel lassen sich die New England Patriots den jungen Aaron Hernandez 2010 kosten. Er gilt als ungestüm und unreif, aber auch als hoffnungsvoller Offensivspieler. Und als gute Seele.

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Erfolgreicher Football-Star und eiskalter Killer? Aaron Hernandez spielte für die New England Patriots.

50.000 Dollar seiner enormen Vertragsgage spendete er für karitative Zwecke. Toller Typ mit hübscher Freundin, Shayanna Jenkins, die er schon aus der Grundschule kennt. Süße Story. Drei Jahre spielt er für das Team. Dann wird er eines Abends in Handschellen abgeführt...

Aaron Hernandez soll seinen Schwager in spe getötet haben

Es ist der 17. Juni 2013: Ein Mann wird tot in einer Kiesgrube gefunden. Sie liegt unweit von Hernandez’ Villa, in der Aaron (damals 23) mit seiner Verlobten und der gerade zur Welt gekommenen gemeinsamen Tochter lebt. Der Tote ist Odin Lloyd (27), Aarons Schwager in spe, der Freund von Shayannas Schwester.

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Mordopfer Odin Lloyd: Hat er Aaron Hernandez bedroht?

Die Spur führt schnell zu Aaron. Das Opfer hatte seiner Freundin vor seinem Tod eine SMS geschrieben, dass er bei Aaron sei. Überwachungskameras haben Hernandez, Lloyd und zwei weitere Männer in einem geliehenen Auto gefilmt. Im Wagen findet man später leere Patronenhülsen. 2015 wird Aaron zu lebenslanger Haft verurteilt. Zwei Jahre später erhängt er sich mit Bettlaken in seiner Gefängniszelle.

Aaron Hernandez: Was war sein Motiv?

Die neue Netflix-Doku „Der Mörder in Aaron Hernandez“ rollt den Fall, der 2015 für Aufsehen sorgte, in drei einstündigen Folgen auf. War es wirklich Hernandez? Was war das Motiv? Was ist dran an den Gerüchten, dass der gefeierte Football-Star ein Doppelleben führte?

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Videoaufnahmen zeigen Aaron Hernandez, wie er vor dem Mord eine Waffe aus dem Keller holt.

Eine hübsche Frau, ein Kind, so schreibt es das Sportstar-Drehbuch vor. Insgeheim soll Aaron aber (auch) Männer geliebt haben. Mutmaßlich wollte Odin Lloyd das öffentlich machen.

Aaron Hernandez' Vater war gewalttätig

Aaron Hernandez hatte kein leichtes Leben. Schon sein Vater war ein guter Football-Spieler, aber auch einer, der schnell ausrastete, Frau und Söhne schlug.

Aaron entkam der Hölle zuhause durch ein Football-Stipendium. In der College-Zeit kiffte und trank er viel, sogar vor wichtigen Spielen. Er war beliebt, viele schätzten seine freundliche Art, aber er konnte auch aufbrausend sein. Urplötzlich, ohne jede Vorwarnung.

Hernandez: Hirnkrankheit durchs Football-Spielen

Die Doku wirft auch ein Licht auf einen Aspekt, den die Welt gerade rund um den Superbowl-Rausch gerne vergisst: Macht der Sport die Spieler krank?

Eine Untersuchung von Hernandez’ Gehirn nach seinem Tod 2017 ergibt, dass er an Chronischer traumatischer Enzephalopathie (CTE, siehe Infotext unten) litt. Eine Hirnkrankheit, die durch die häufige Gewalteinwirkung auf den Schädel verursacht wird. Beim gerade einmal 27 Jahre alten Hernandez war sie extrem weit fortgeschritten.

Aaron Hernandez soll sich geoutet haben

Hernandez’ Familie lebt inzwischen mit der Erkenntnis, dass der Mann, den sie als Sohn, Bruder und Partner kannte, im Inneren ein ganz anderer war. Nicht nur wegen seiner Hirnerkrankung. Kürzlich verriet sein älterer Bruder Jonathan in einem Interview, dass Aaron sich kurz vor seinem Selbstmord seiner Mutter offenbart hat.

Er sei homosexuell – und habe sich dafür selbst gehasst. „Du wirst einst sterben und Deinen Sohn niemals richtig gekannt haben“, soll er seiner Mutter vorgeworfen haben.

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Kurz vor seinem Tod outete sich Aaron bei seiner Mutter Terri Hernandez als homosexuell.

Seine Umwelt sei stets homophob gewesen, er selbst auch. Als kleiner Junge wurde er von einem älteren Nachbarsjungen missbraucht, er schämte sich. Auch in der homophoben Welt des Footballs hätte er sich nie getraut, die Wahrheit zu sagen und zu sich selbst zu stehen.

Hernandez hatte eine heimliche Beziehung zu einem anderen Sportler

In der Netflix-Doku spricht Aarons Schulfreund und Football-Kumpel Dennis Sansoucie über eine mehrjährige Liebesbeziehung der beiden. Auch er wollte sie damals geheim halten. „Ich habe mich verleugnet... weil ich ein Sportler war“, sagt Dennis traurig.

Er hatte sein Coming-out erst, nachdem sich Aaron in seiner Zelle erhängt hatte. Da konnte und wollte er nicht mehr lügen.

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Die Verlobte Shayanna Jenkins als Zeugin vor Gericht.

Auch Hernandez Verlobte äußerte sich jetzt. „Wenn er sich mir geöffnet hätte, hätte ich ihn in keiner Weise weniger geliebt“, sagte sie unter Tränen. „Ich kann nicht sagen, wie er sich innerlich fühlte. Das kann niemand. Ich denke, niemand sollte sich schämen für das, was er ist. Ich wünschte, er hätte mir erzählt, wer er wirklich ist.“

Das ist Chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE)

CTE ist eine neurologische Erkrankung, die nach häufigen Schlägen oder Stößen auf den Kopf auftritt. Diese lösen winzige Hirnblutungen aus. CTE tritt meist erst Jahre nach dem Ende einer Sportkarriere auf.

Betroffen sind neben Footballspielern auch Boxer. CTE kann bisher nicht beim lebenden Menschen diagnostiziert werden, sie ist erst sichtbar, wenn man post mortem das Gehirn aufschneidet.

CTE äußert sich durch zunehmenden Gedächtnisverlust, Persönlichkeitsveränderungen, Symptome ähnlich wie Parkinson, Sprechstörungen etc. Aggressivität und Suizidrisiko steigen.