Schock-StatistikLokführer überfahren im Schnitt drei Menschen in ihrem Berufsleben
Köln – „Personenschaden”. Mit diesem nüchternen Wort wird im Zugverkehr der Suizid durch eine fahrende Bahn beschrieben.
In Deutschland nehmen sich jährlich circa zehntausend Menschen das Leben. Laut eines Berichts des Eisenbahnbundesamts nahmen sich im Jahr 2017 798 Menschen auf den Schienen das Leben. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verzeichnet Deutschland die meisten Bahnsuizide.
Suizid-Hotspots in Deutschland
Laut der Betriebsunfallstatistik der Deutschen Bahn treten zwei Drittel aller Suizidversuche auf offener Strecke und ein Drittel im Bahnhofsbereich auf. Wie auch bei anderen Suizid-Arten begehen Männer im Durchschnitt zweieinhalbmal so häufig einen Bahnsuizid wie Frauen.
In Deutschland gibt es mehrere Suizid-Hotspots, genauer 16 Orte mit hoher Suiziddichte. Fast immer (90,6 %) liegen diese Hotspots in unmittelbarer Nähe psychiatrischer Kliniken. Die DB hat bereits Maßnahmen ergriffen und beispielsweise Schutzmauern gebaut.
Der Bahnsuizid ist im Gegensatz zu anderen Suizidmöglichkeiten eine Straftat.
Überlebende bzw. dessen Erben haben erhebliche rechtliche Konsequenzen zu befürchten. Denn der Bahnverkehr kann durch die polizeiliche Ermittlung zeitweise nur eingeschränkt oder gar nicht stattfinden. Außerdem wird der Lokführer extremen psychischen Belastungen ausgesetzt.
Bahnfahrer wird ungewollt zum „Täter”
Der lange Bremsweg macht es unmöglich, eine Kollision zu verhindern. Der Bahnfahrer muss sich den Suizid eines anderen Menschen anschauen.
Die Leichen werden durch den Druck der Stahlräder sehr stark entstellt und der Lokführer wird ungewollt zum „Täter” gemacht. Die DB rät den Bahnfahrern beim Zusammenprall, wegzuschauen und zu schreien. Die Bilder und Geräusche sollen sich möglichst nicht einbrennen.
Nachdem der Zug zum Halten gekommen ist, meldet der Lokführer den Personenschaden. Kurze Zeit später treffen die Einsatzkräfte ein.
Sie untersuchen und reinigen den Ort des Geschehens. Dem Bahnfahrer wird seelische Unterstützung gestellt und er wird mehrere Tage vom Dienst freigestellt. Viele können aufgrund der psychischen Belastung mehrere Monate oder gar nicht mehr den Beruf ausüben.
Maßnahmen der Deutschen Bahn für seine Mitarbeiter
Die Deutsche Bahn unternimmt einiges, um Lokführer auf einen Schienensuizid vorzubereiten. Broschüren geben Mitarbeitern Tipps, wie man sich in solchen Fällen verhalten soll. Es finden Videoanalysen und Gesprächsrunden statt. Betroffene können sich jederzeit an Vertrauenspersonen und Psychologen wenden.
Die Angst fährt jedoch als Bahnfahrer nach einem Schienensuizid immer mit.
Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen
Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:
Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de
Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins "Nummer gegen Kummer" richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams "Jugendliche beraten Jugendliche" die Gespräche an. nummergegenkummer.de.
Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de
Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de