Wahrheit oder biblische Fake News?König Herodes und der Kindermord von Bethlehem
Bethlehem – „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder“ – so heißt eines der bekanntesten Weihnachtslieder, mit dem sich die Menschen voller Freude auf das Fest der Geburt Jesu Christi einstimmen, der in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember in einem Stall in Bethlehem zur Welt gekommen sein soll.
Die Frohe Botschaft aus dem Neuen Testament hat allerdings eine Schattenseite. Es ist die Geschichte vom blutrünstigen König Herodes von Judäa, der in Bethlehem alle Jungen bis zum Alter von zwei Jahren habe töten lassen.
Kindermord von Bethlehem: Wahrheit oder Fake News?
Herodes hoffte so, dass Jesus unter den Opfern ist. Über zwei Jahrtausende hing dem König, den man den Großen nennt, das monströse Verbrechen an. Der Herrscher wurde für die Christen zum Inbegriff des Bösen schlechthin. Eine wahre Geschichte oder Fake News aus der Bibel?
Die einzige christliche Quelle für den Massenmord an den Kindern ist das Matthäusevangelium. Alles begann mit dem Besuch der Sterndeuter, der Weisen aus dem Morgenland, in Jerusalem, die im Volksmund zu den Heiligen Drei Königen mutierten und bis heute im Kölner Dom verehrt werden.
Kindermord von Bethlehem: König Herodes fiel aus allen Wolken
Auf der Suche nach dem „neugeborenen König der Juden“, dessen Stern sie aufgehen sahen, hofften sie, bei Herodes an der richtigen Adresse zu sein. Der fiel aus allen Wolken, als er von einem möglichen Konkurrenten um den Thron erfuhr. Er bat die Sterndeuter, ihn sofort zu informieren, falls sie fündig werden sollten.
Das wurden sie – dank des Sternes, der sie nach Bethlehem leitete. Doch bei ihrer Heimkehr machten sie um Jerusalem einen Bogen – von Gott im Traum gewarnt. Und auch Josef, der Vater von Jesus, bekam von oben das Signal, sofort mit dem Kind und seiner Frau Maria nach Ägypten zu fliehen.
Kindermord von Bethlehem: Zweifel am Bibeltext
Und Herodes? Als er erfahren hatte, dass die Sterndeuter ihn getäuscht hatten, gab er wütend den Befehl zum Kindermord, so überliefert es Matthäus. 14.000 Kinder seien dem Massaker zum Opfer gefallen, heißt es in der griechischen Liturgie, im Mittelalter war sogar von 144.000 Toten die Rede. Später schrumpfte die Zahl der toten Babys auf 20 bis maximal 50, da in Bethlehem und Umgebung in biblischen Zeiten ja nur sehr wenige Menschen lebten.
Heute allerdings sind sich viele Historiker und Theologen einig: Es gab überhaupt keinen Kindermord. Matthäus hat sich das Verbrechen ausgedacht, um die Geburt des Erlösers propagandistisch aufzuwerten.
Kindermord von Bethlehem: Vorlage aus dem Alten Testament
Als Vorlage könnte ihm ein anderer Kindermord gedient haben, über den das Alte Testament berichtet. Dort ließ der Pharao einst alle neugeborenen Jungen der in das Land am Nil verschleppten Juden töten. Nur der kleine Moses wurde auf wundersame Weise gerettet – wie Jesus später auch.
Ein wichtiges Indiz dafür, dass der Evangelist Herodes zu Unrecht als Kindermörder gebrandmarkt hat, sind vor allem die Schriften des römisch-jüdischen Autors Flavius Josephus, der akribisch alle Schandtaten des Herodes auflistet. Doch ausgerechnet den Kindermord erwähnt er mit keiner Silbe.
Kindermord von Bethlehem: Rufmord an König Herodes
Nach Lage der Dinge ist Herodes das Opfer einer biblischen Rufmordkampagne geworden.
Da für viele Christen die Bibel das Wort Gottes und damit frei von Irrtümer ist, brannte sich die Mär vom Kindermord als wahre Geschichte bis weit in die Neuzeit tief in ihr Gedächtnis ein, bis Forscher anfingen, ihren Wahrheitsgehalt kritisch zu hinterfragen. Ergebnis der Recherchen: Posthumer Freispruch für Herodes.
König Herodes: Die Blutspur des Königs
Ein Heiliger war der König dennoch nicht – dank Flavius Josephus kennen wir ja all seine dunklen Seiten. 33 Jahre lang regierte der mit Hilfe Roms auf den Thron gekommene und für seine Grausamkeit bekannte Herodes als Klientel-König des Imperium Romanum mit harter Hand.
Hinrichtungen und Palastintrigen waren in Jerusalem an der Tagesordnung. Auch Familienmitglieder schonte er nicht – wie drei seiner Söhne, die sterben mussten, weil er ihnen Putschpläne vorwarf.
König Herodes: Seine Familie konvertierte zum Judentum
Von dem römischen Prinzeps Augustus ist der Satz überliefert: Es sei besser, das Schwein als der Sohn des Herodes zu sein.
In der Tat: Die Überlebenschancen von Schweinen waren in Judäa größer als die von royalen Sprösslingen, da die Juden das Fleisch der Tiere verschmähten. Bei vielen seiner strenggläubigen Landsleute war Herodes zudem verhasst, weil er aus einer Familie stammte, die zum Judentum konvertiert war – ob freiwillig oder unter Zwang, ist umstritten.
In den Augen dieser Hardliner war er deshalb kein echter Jude und somit des Thrones des legendären biblischen Königs David nicht würdig.
König Herodes hatte nicht ohne Grund ein gutes Verhältnis zu Rom
Auch sein gutes Verhältnis zu Rom war vielen suspekt. Doch es gab auch genug andere, die ihn schätzten – gerade, weil er sich mit den übermächtigen Römern gut stellte und so dem Land lange Frieden und Wohlstand bescherte.
Der clevere König wusste nur zu gut: Tanzt du nicht brav nach Roms Pfeife, bis du erledigt. Und er nahm gigantische Bau- und Wirtschaftsprojekte in Angriff – wie z.B den zweiten Tempelbau in Jerusalem, Wasserleitungen, die legendäre Festung Masada, prunkvolle Paläste und Hafenanlagen.
Völlig zu den Akten gelegt ist der Fall Herodes trotz des wissenschaftlichen Freispruchs allerdings bis heute nicht. Jedes Jahr am 28. Dezember begeht die katholische Kirche das „Fest der unschuldigen Kinder“. Es erinnert an den Kindermord von Bethlehem – den Mord, den es nicht gegeben hat.