Sexsucht und GiftmordWar diese Papsttochter ein „Teufelsweib“?
Rom – Sie galt als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit – groß gewachsen und überaus gebildet. Lucrezia Borgia, die Tochter von Papst Alexander VI., dessen Pontifikat als eines der schlimmsten der Kirchengeschichte gilt.
Auch 500 Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1519 verbinden viele mit ihrem Namen noch immer das Bild der verdorbenen Giftmischerin mit dem Engelsgesicht, die sogar mit ihrem Vater und ihrem Bruder Cesare geschlafen haben soll.
Die grausame Familie Borgia
Es ist eine Story aus Sex und Crime, in der sich die Grenzen von Propaganda, Lügen und Wahrheit oft verwischen. Romane und Filme taten ein übriges, um das Negativ-Image bis heute zu zementieren.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Das war die gängige Meinung über die Kinder des spanischen Borgia-Papstes Alexander, der seine Wahl auf den Stuhl Petri im Jahr 1492 mit gewaltigen Schmiergeldern erkauft hatte.
Neun Kinder hatte er mit schönen, meist viel jüngeren Mätressen gezeugt und zum Teil auch offiziell anerkannt. Zwei von ihnen, der 1475 geborene Cesare und die 1480 geborene Lucrezia, sind bis heute besonders im Gedächtnis der Menschheit präsent – er als brutaler Kriegsherr und Mörder und sie als zügellose Nymphomanin, die stets Gift dabei gehabt habe, um Widersacher geräuschlos aus dem Weg zu räumen.
Erfahren Sie hier noch mehr über das Leben der Borgias.
Skrupel kannte der wie eine Mafia-Organisation geführte Borgia-Clan sicher nicht, wenn es darum ging, seine Macht und seinen Reichtum zu mehren. Bestechung, Krieg und Meuchelmord waren die Mittel, derer sich Alexander VI. als „Don Corleone“ der Renaissance und sein Sohn Cesare als Vollstrecker bedienten.
Leben im Vatikan war wie im Freudenhaus
Nichts Ungewöhnliches in dieser Zeit. Ungewöhnlich war ebenso wenig, dass es im Vatikan oft zuging wie in einem Freudenhaus.
Kleriker pfiffen auf das zölibatäre Keuschheitsgebot und vergnügten sich mit Dirnen und Mätressen – allen voran der „Unheilige Vater“ Alexander.
Berichte von Orgien im Vatikan machten die Runde – in Windeseile von Gegnern der Borgias und Botschaftern verbreitet. Einen davon notierte der Zeremonienmeister Johannes Burckard in seinem Tagebuch.
So habe 1501 Cesare 50 nackte Kurtisanen nach einem Feldzug auf einem Bankett am päpstlichen Hofe präsentiert. Man habe sich köstlich amüsiert, als diese auf allen Vieren Kastanien einsammeln und dann einen Geschlechtsakt-Wettbewerb absolvieren mussten.
Wer die meisten Akte schaffte, so heißt es da, habe einen Preis bekommen – überreicht von einer Jury, in der Alexander, Cesare und Lucrezia saßen.Bei anderer Gelegenheit soll Lucrezia selbst nackt vor ihrem Vater und seiner Kurie getanzt haben.
Lucrezia Borgia: Wilde Männerphantasien
Der Vatikan, ein Sündenpfuhl – mit dem Teufelsweib Lucrezia als Objekt schwüler Fantasien mittendrin. Oder waren es gezielt gestreute Lügengeschichten, gerade was Lucrezia betrifft, wie viele Forscher heute annehmen?
Sie hatte zudem das Pech, eine Frau zu sein – wie einst Eva im Paradies, durch die nach dem Verständnis der Katholischen Kirche die Sünde in die Welt kam.
Das „Weib“, wie es abfällig genannt wurde, galt als willensschwach, lasterhaft und triebgesteuert. Und wenn eine wie Lucrezia noch dazu eine Borgia war, war das Urteil klar.
Borgia-Gegner verschwanden im Kerker
Exzesse und Gewalt am Hofe des Papstes gab es ohne Zweifel. Wer die Borgia kritisierte oder sich ihnen widersetzte, lebte gefährlich. Gegner landeten schnell im Kerker oder als Leichen im Tiber – ob widerspenstige Kleriker oder Adelige.
Auch keinen Spaß kannten der Papst und Cesare, wenn die von ihnen arrangierten Ehen Lucrezias keinen Gewinn einbrachten.
Lucrezia war dreimal verheiratet
Dreimal wurde sie verheiratet. Giovanni Sforza aus Mailand war 1493 ihr erster Ehemann. Sie war 13, er 27. Vier Jahre später wurde der Adelsspross wieder abserviert – mit der Behauptung, er sei impotent. Der revanchierte sich, in dem er das Gerücht in die Welt setzte, dass Lucrezia mit ihrem Vater und ihrem Lieblingsbruder Cesare Sex habe.
Ihr zweiter Ehemann, Alfonso von Aragon, musste sterben, weil er es sich mit den Borgia verscherzt hatte. Einen Hinterhalt überlebte er noch schwer verletzt, doch wenig später machte ihm ein Auftragsmörder (oder gar Cesare selbst) den Garaus.
Auch für den Tod seines vom Vater als „Kronprinzen“ gehätschelten Bruders Juan (23) soll er verantwortlich gewesen sein. Dessen Leiche fand man mit durchgeschnittener Kehle im Tiber. Der Fall wurde schnell zu den Akten gelegt. Auch hier soll Lucrezia ihre Hände im Spiel gehabt haben. Wie immer zählte sie zum Kreis der üblichen Verdächtigen.
Der Untergang der Borgias
Eine neue Ehe arrangierte Alexander VI. 1501, dieses Mal mit Alfonso I. d’Este. Diese war überraschend von Dauer. Anfangs in Ferrara noch argwöhnisch beäugt, wurde Lucrezia mit der Zeit sogar verehrt – vor allem als Mäzenin der Künste. Acht Kinder gebar sie während der Ehe, die mit ihrem Tod 1519 endete. Sie starb mit 39 Jahren – an Kindbettfieber.
Ihr Vater Alexander war bereits am 18. August 1503 verstorben – an den Folgen von Malaria, wie man heute annimmt. Der Teufel habe den 72-Jährigen geholt, wie ein Geistlicher später zu Protokoll gab, der im Sterbezimmer war. Cesare überlebte ihn noch um vier Jahre.
Nach Alexanders Tod brach das Borgia-Imperium wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die Gedemütigten von einst schlugen zurück – allen voran der Erzfeind der Borgias, Kardinal Guiliano della Rovere, der 1503 als Julius II. den Papstthron bestieg. Cesare wurde zeitweise eingekerkert, bis ihm die Flucht nach Spanien gelang. Dort starb er mit 31 Jahren als Söldner im Krieg.