Berüchtigter Kriegsherr lieferte VorlageDie wahre Geschichte hinter Graf Dracula

Schauspieler Christopher Lee in der Rolle des Blutsaugers Dracula.

Die Rolle machte ihn berühmt: Schauspieler Christopher Lee in der Rolle des Blutsaugers Dracula.

Schriftsteller Bram Stoker machte Graf Dracula zum berühmtesten Vampir aller Zeiten. Inspiriert wurde die Grusellegende durch einen berüchtigten Kriegsherrn aus der Walachei: Vlad III.

von Maternus Hilger  (hil)

Er ist die Grusellegende schlechthin. Seit Jahrzehnten geistert Graf Dracula durch Horrorfilme – der Fürst der Finsternis aus Transsylvanien (im heutigen Rumänien) mit seinem unersättlichen Durst nach Blut.

Zum berühmtesten Vampir aller Zeiten machte ihn der irische Schriftsteller Bram Stoker in seinem 1897 erschienenen Roman „Dracula“. Eine Schauergeschichte, zu der ihn vor allem ein berüchtigter Kriegsherr aus der Walachei inspiriert hatte – Vlad III. – mit dem Beinamen Draculea – der im 15. Jahrhundert Angst und Schrecken verbreitete.

Der historische Dracula war allerdings nicht wie der Vampir ein vom Glauben an Gott abgefallener Fürst, der einen Pakt mit dem Teufel schloss und im Reich der Untoten zum Blutsauger wurde, als er nach der Rückkehr aus einem Krieg gegen die Osmanen vom Selbstmord seiner Frau erfuhr. Feinde ihres Mannes hatten ihr die Lüge aufgetischt, dass ihr Mann in der Schlacht gefallen sei.

Vlad III.: „Der Sohn des Drachen“

Der echte Dracula war ein Woiwode in der Walachei – ein äußerst brutaler Herrscher. Oft gestürzt und immer wieder an die Macht gelangt, befand sich der um 1431 geborene Vlad zeit seines Lebens im Krieg – vor allem gegen das expandierende osmanische Reich, an dessen Hof er in seiner Jugend als Geisel aufgewachsen war.

Der echte Dracula: Vlad III., genannt der Pfähler, hier in einem kolorierten Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert.

Der echte Dracula: Vlad III., genannt der Pfähler, hier in einem kolorierten Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert.

Seinen Beinamen Draculea (bedeutet: der Sohn des Drachen) verdankte er jedoch nicht seiner Blutrünstigkeit, sondern seinem Vater Vlad II. Dracul (Drache). Der war Mitglied im noblen Drachenorden, den der ungarische König (und spätere deutsche Kaiser Sigismund) 1408 gestiftet hatte, um Männer zu ehren, die sich im Kampf gegen die Heiden – gemeint waren vor allem gegen die Muslime – bewährt hatten.

Vlad III. galt als Sadist und Schlächter

Schnell bekam Vlad Draculea das Image eines Sadisten und Schlächters, dem das Foltern und Töten seiner Feinde Spaß gemacht habe. Er genoss es, hieß es, dabei zu sein, wenn seine Henker die Menschen quälten. Die Liste seiner Gräueltaten ist ellenlang. Wegen der von ihm bevorzugten Hinrichtungsart – das Aufspießen von Menschen auf Pfählen – bekam er bald den Beinamen „Der Pfähler“.

In Schlachten gegen die Osmanen ließ er zum Beispiel massenweise Gefangene zur Abschreckung pfählen – ein qualvoller Todeskampf, der oft Tage andauerte. Andere Opfer habe er gezwungen, das Fleisch ihrer Freunde oder Angehörigen zu essen.

Er ließ seine Feinde bei lebendigem Leibe kochen

Aber auch Verbrennen, Kochen und Rösten bei lebendigem Leib, Hautabziehen oder Verstümmelungen aller Art gehörten zum Tötungs- und Folterarsenal Draculeas.

Der Holzschnitt zeigt Vlad III. beim Essen, während seine Henker Opfer pfählen.

Der Holzschnitt zeigt Vlad III. beim Essen, während seine Henker Opfer pfählen.

Türkischen Gesandten, die sich weigerten, vor ihm ihren Turban abzunehmen, ließ er einmal kurzerhand die Kopfbedeckung auf ihren Köpfen festnageln. Bis zu 100.000 Menschen soll er auf dem Gewissen haben.

Vlad III. wurde zum Teufel in Menschengestalt

In seiner Grausamkeit unterschied sich der „Pfähler“ allerdings kaum von seinen Standesgenossen im damaligen Europa oder im osmanischen Reich. Folter und brutale Hinrichtungen waren überall an der Tagesordnung und Bestandteil des Strafrechts.

Allerdings, so vermuten viele Historiker heute, haben Vlads damalige Gegner noch eine Schüppchen draufgelegt. Seine Exzesse wurden propagandistisch in den schrecklichsten Farben ausgemalt, um ihn als Teufel in Menschengestalt, als Verräter und Ausgeburt der Hölle zu diskreditieren.

Vlad starb auf der Flucht

In zahlreichen Schriften erscheint er als blutdürstiger Psychopath, der als Inbegriff des Bösen seinen Zeitgenossen einen Schauer über den Rücken jagte. Aus einem Kleinfürsten und Warlord wurde eine monströse Schreckensgestalt, die zur idealen Blaupause für den späteren Namensvetter aus dem Reich der Vampire wurde.

Der Innenhof von Schloss Bran –  heute ein beliebtes Ziel für „Vampirtouristen“.

Der Innenhof von Schloss Bran – heute ein beliebtes Ziel für „Vampirtouristen“.

Grausam wie sein Leben war auch Vlads Ende. Im Dezember 1476 gestürzt, starb er wenig später auf der Flucht – wahrscheinlich im Kampf. Seinen in Honig eingelegten Kopf (!) soll der Sultan in Konstantinopel als Geschenk bekommen haben, wo man die Trophäe auf einer Stange aufspießte und öffentlich zur Schau stellte.

Dracula: Als Untoter lebt er weiter

Im kollektiven Gedächtnis allerdings lebte Draculea als Dracula oder Nosferatu weiter – als Untoter aus der Schattenwelt, der als Vampir seinen Blutdurst stillt – erst in populären Gruselgeschichten bis hin zu Stokers Bestseller, dann in unzähligen Verfilmungen des Stoffes.

Besonders genial verkörpert wurde er u.a. von Max Schreck (1922), Bela Lugosi (1931), Christopher Lee (1958), Klaus Kinski (1979) und Gary Oldman in „Bram Stoker’s Dracula“ unter der Regie von Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1992. Oder von Luke Evans in „Dracula Untold“ (2014). Mit der historischen Wahrheit nehmen es alle Filme nicht so genau.

Vampir-Mythos ist ein Touristenmagnet

Auch touristisch lebt der Mythos des echten Dracula und der des Vampirs weiter. Ein Beispiel ist Schloss Bran (früher Törzburg) im Kreis Brașov in Rumänien. Historisch ist die sehenswerte Festungsanlage zwar bis heute nicht als Wohnsitz Draculeas aktenkundig.

Vampirtouristen allerdings stört das wenig. Jährlich zieht „Draculas Schloss“ Hunderttausende Besucher an – eine lohnende Einnahmequelle.

Vlad III. als Liebling des Diktators

Eine besondere Zuneigung zu Vlad Draculea hatte der kommunistische rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu (1918-1989). 1970 ließ er einen Monumentalfilm über den Pfähler drehen – unter dem Titel „Das wahre Leben des Fürsten Dracula“.

Historiker wies er an, die Grausamkeiten entweder zu verharmlosen und Vlad III. zu einem mutigen Freiheitskämpfer zu machen, der sich den übermächtigen Türken entgegengestellt habe.

Schließlich ließ er sogar den Namen Draculea umdeuten, weil im modernen Rumänisch damit ein Teufel und kein Drache bezeichnet wird. Der Name wurde nun kurzerhand von der slawischen Wortwurzel „drag“ abgeleitet, die etwa so viel wie „Liebling“ bedeutet.

Parallelen zwischen Ceaușescu und Vlad III.

Aus Dracula wurde der Liebling seiner Untertanen – ein Volksheld ganz nach dem Geschmack von Ceaușescu, der sich im Rahmen des von ihm verordneten Personenkults gern als geliebter Sohn des rumänischen Volkes feiern ließ. In Wirklichkeit war er – wie Vlad – ein brutaler Despot, der über Leichen ging.

Nach seinem Sturz im Jahr 1989 – er wurde mit seiner Frau erschossen – war Ceaușescu bald vergessen. Nicht so Vlad III. Er blieb in Rumänien populär und nicht nur dort – mal als Volksheld , mal als Vampir.