Vor dem Münchner Amtsgericht ist ein ungewöhnlicher Prozess zu Ende gegangen. Hat ein Mann aus Wut über die Obduktion seiner Mutter einen Racheplan geschmiedet? Das Gericht hat eine klare Meinung.
WissenschaftPlagiat aus Rache gefälscht - Haftstrafe

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Der Angeklagte soll aus Rache großen Aufwand betrieben haben. (Archivbild)
Von einer einzigartigen Tat sprach Richter Dominik Angstwurm - und von „fast beispielloser krimineller Energie“. Das Amtsgericht München hat das Urteil im Prozess um ein aufwendig gefälschtes Plagiat gesprochen. Zu zweieinhalb Jahren Haft unter anderem wegen Verleumdung und Betrugs wurde der Angeklagte verurteilt.
Der Richter sah es als erwiesen an, dass der 70-Jährige dem Chef der Münchner Rechtsmedizin mit einem Racheplan massiv schaden wollte - aus Unzufriedenheit mit der Obduktion seiner toten Mutter. Die Verteidiger des Mannes, die seinen Freispruch gefordert hatten, kündigten noch im Gerichtssaal an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.
Gericht: Angeklagter wollte Mediziner beruflich und privat zerstören
Der Fall dürfte insgesamt beispiellos sein. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Hass auf den Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Matthias Graw, so groß war, dass der Angeklagte alle Hebel in Bewegung setzte, um ihn „beruflich und privat zu zerstören“, wie es in der Urteilsbegründung heißt.
Dafür heuerte er nach Überzeugung des Gerichts für mehrere Tausend Euro Helfer in Pakistan an, ein wissenschaftliches Werk zu erstellen und den Eindruck zu erwecken, als wäre es vor 1987 erschienen. In dieses Buch sollen dann Passagen und Abbildungen aus der Dissertation des Rechtsmediziners eingeflossen sein. So sollte der Eindruck entstehen, als hätte der Mediziner für seine 1987 erschienene Doktorarbeit daraus abgeschrieben.
Plagiatsvorwurf führte tatsächlich zu Prüfverfahren
Eigens gedruckte Exemplare des Bandes versteigerte der Angeklagte - selbst Träger zweier Doktortitel - den Ermittlungen zufolge dann auf einer Auktionsplattform im Internet und wies Plagiatsjäger explizit auf das Buch hin, die es dann unter die Lupe nahmen. Die Universität Hamburg leitete daraufhin ein - kurz darauf wieder eingestelltes - Prüfverfahren gegen Graw ein, über das bundesweit berichtet wurde.
Die Tat sei „keineswegs ein bloßes Verleumdungsdelikt“, sagt Richter Angstwurm - „gerade in Zeiten von Fake-News“. Die Diskussion um das Plagiat habe dazu geführt, dass Urteile in Strafprozessen, in denen Graw oder Mitarbeiter seines Instituts als Gutachter aufgetreten waren, öffentlich in Zweifel gezogen wurden.
Auch darum blieb das Gericht nur vier Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die sich in ihrem Plädoyer für eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten ausgesprochen hatte. Bei über zwei Jahren ist eine Aussetzung zur Bewährung ausgeschlossen.
Bei der Rolle Graws in der Münchner Strafjustiz setzen die Verteidiger des 70-Jährigen in ihrem Plädoyer an. Sie betrachten die Verstrickungen der Münchner Justiz mit Graw und seinem Institut als so eng, dass sie davon ausgehen, ihr Mandant habe keinen fairen Prozess bekommen, seine Verurteilung habe von Anfang an festgestanden, entlastende Aspekte seien unberücksichtigt geblieben.

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Der Angeklagte setzte zu einem sehr langen letzten Wort an.
Das Gericht hielt dem Angeklagten in seiner Urteilsbegründung nicht viel zugute, sah „nicht ausschließbar eine emotionale Ausnahmesituation“ des Mannes nach dem Tod seiner Mutter, sprach von einer „Anpassungsstörung“ und davon, dass er womöglich „wahnhafte, paranoide Vorstellungen hat“.
Wie sehr den 70-Jährigen, den die Staatsanwaltschaft zeitweise verdächtigte, seine Mutter getötet zu haben, das Ganze auch fünf Jahre danach noch beschäftigt, das zeigte sich in einem sehr ausführlichen letzten Wort. Die Obduktion sei unprofessionell abgelaufen. „Es waren Pfuscher am Werk gewesen, die das Gehirn zerstückelt haben“, sagt er. Er gab außerdem an, er gehe davon aus, dass seine Mutter gar nicht tot war, als sie in das Institut für Rechtsmedizin gebracht wurde, sondern dort „am Kältetod“ starb. Die Todesbescheinigung sei gefälscht gewesen. (dpa)