Rettungs-Drama in der TürkeiHilfe aus NRW: Deutsches Team findet Verschütte nach mehr als 100 Stunden

Ein deutsches Rettungsteam rettet eine Verschüttete in türkischem Erdbebengebiet nach mehr als 100 Stunden. Es wurden bereits mehr als 21.700 Tote in der Türkei und Syrien bestätigt.

Inmitten von Tod und Trümmern ist es deutschen Einsatzkräften im türkischen Erdbebengebiet gelungen, eine mehr als 100 Stunden lang verschüttete Frau lebend zu bergen. Die 40-Jährige wurde am Freitag (10. Februar 2023) in Kirikhan nach einem mehr als 50 Stunden dauernden Einsatz gerettet, wie die Hilfsorganisation ISAR Germany mitteilte.

Die vorläufige Zahl der Todesopfer durch die Katastrophe vom Montag stieg derweil in der Türkei und Syrien auf über 21.700 an. Die Rettung der 40-Jährigen gelang dem Team aus ISAR Germany, ISAR Turkey und der Rettungshunde-Hilfsorganisation BRH Bundesverband gegen 12.45 Uhr Ortszeit (10.45 Uhr MEZ).

Erdbeben in der Türkei: 40-Jährige nach Bergung in „stabilem Zustand“

„Alle hier an der Einsatzstelle sind sehr glücklich über die Rettung und tief beeindruckt von der Stärke der Frau“, erklärte Einsatzleiter Steven Bayer. Mehr als 100 Stunden war die Frau mit dem Vornamen Zeynep zwischen den Trümmern eines Wohnhauses eingeklemmt.

ISAR-Sprecher Stefan Heine sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Frau habe unter den Trümmern „sehr lang auf dem Bauch“ gelegen, auf ihr die Leiche ihres Mannes und in ihrer unmittelbaren Nähe weitere tote Angehörige. Eigentlich gelten 72 Stunden als die Zeitgrenze, nach der bei einer derartigen Katastrophe praktisch nicht mehr mit Überlebenden unter den Schuttbergen zu rechnen ist.

Rettungskräfte heben die Frau aus den Trümmern.

Ein deutsches Rettungsteam unter der Leitung der nordrhein-westfälischen Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany rettet nach über 100 Stunden unter einem eingestürzten Haus eine Frau aus den Trümmern.

Dem ISAR-Team war es jedoch gelungen, die 40-Jährige über einen Schlauch mit Flüssigkeit zu versorgen. Nach ihrer Bergung war sie in einem „stabilen Zustand und wurde gleich medizinisch versorgt“, wie ISAR-Sprecher Heine sagte. Einsatzleiter Bayer schilderte die Rettungsaktion als „sehr kompliziert“. „Um an sie zu gelangen, mussten unsere Teams Betondecken durchbrechen und viel Schutt abtransportieren“ – und das ohne schweres Gerät. Isar-Sprecher Heine sprach von „Zentimeterarbeit durch Betonplatten und Geröll“.

Das Auswärtige Amt leitete den Tweet von ISAR Germany über die wunderbare Rettung weiter, versehen mit dem Kommentar „Danke“. Aus anderen türkischen Städten wurden weitere Rettungen gemeldet. Wie der türkische Nachrichtensender NTV berichtetet, bargen Rettungskräfte in der 105. Stunde nach dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet den 18 Monate alten Yusuf Huseyin in Antakya und 20 Minuten später den siebenjährigen Muhammed Huseyin. Auch die dreijährige Zeynep Ela Parlak wurde am Freitag in Antakya gerettet.

Weitere Verschüttete wurden in der Provinz Adiyaman und aus Gaziantep geborgen. Auch die Rettung der 16-jährigen Melda Adtas in Antakya gab den Helfern, die überall im Katastrophengebiet verzweifelt nach Verschütteten suchten, neue Hoffnung. Sie wurde mehr als 80 Stunden nach dem Beben lebend aus Trümmern gezogen, wie ein AFP-Korrespondent berichtete.

Türkische Rettungskräfte tragen den 60-jährigen Eyup Ak zu einem Krankenwagen, nachdem sie ihn 104 Stunden nach dem Erdbeben lebend aus einem eingestürzten Gebäude geborgen haben.

Der 60-jährige Eyup Ak wird zu einem Krankenwagen getragen, nachdem er nach 104 Stunden lebend aus einem eingestürzten Gebäude gerettet wurde.

Derweil stieg die Zahl der Todesopfer durch das Erdbeben nach jüngsten offiziellen Angaben auf der türkischen Seite auf 18.342. In Nordsyrien wurden bis Donnerstagabend 3377 Tote gezählt. Die internationale Hilfe kommt unterdessen immer mehr in Schwung. Die Weltbank sagte der Türkei 1,78 Milliarden Dollar (rund 1,66 Milliarden Euro) zu. Die USA kündigten ein erstes Hilfspaket in Höhe von 85 Millionen Dollar für die Türkei und Syrien an. Auch die Hilfen aus Deutschland nahmen an Fahrt auf.Nehmen Sie hier an unserer Umfrage teil:

Nach ersten Hilfsflügen am Donnerstag waren für Freitag laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) drei weitere Flüge vom Fliegerhorst Wunstorf in Niedersachsen mit mehr als 40 Tonnen Material an Bord vorgesehen. In den nächsten Tagen werde das „so weitergehen“, sagte Pistorius am Morgen bei einem gemeinsamen Besuch mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Wunstorf.

Die Hilfslieferungen werden durch die zerstörte Infrastruktur und das Winterwetter erschwert. Im Bürgerkriegsland Syrien kommt hinzu, dass die Katastrophenregion in von Damaskus kontrollierte Gebiete und Territorien unter der Kontrolle regierungsfeindlicher und überwiegend islamistischer Milizen geteilt ist. Im von oppositionellen Kämpfern kontrollierten Nordwesten Syriens trafen am Donnerstag und Freitag die ersten beiden Hilfskonvois seit dem Beben ein. Die Hilfsorganisation Weißhelme zeigte sich „sehr enttäuscht“, dass es sich bei der ersten Hilfslieferung um „routinemäßige“ Hilfe handele und keine Ausrüstung für Bergungsarbeiten nach dem Beben.

Syriens Machthaber Baschar al-Assad besuchte am Freitag erstmals das unter Kontrolle von Damaskus stehende Katastrophengebiet. Er besichtigte mit seiner Frau Asma die Zerstörungen in der nordwestsyrischen Stadt Aleppo und besuchte Verletzte. Der Malteser Hilfsdienst erklärte, die Lage in den syrischen Erdbebengebieten sei „weiterhin äußerst prekär“. Es fehle unter anderem an Strom und Räumgerät, schilderte Hassan Alam von einer Malteser-Partnerorganisation in Nordwestsyrien. (afp/eg)