3 Monate Wartezeit, genervte KundenHilfe! Wir haben zu wenig Handwerker in NRW

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Im Brass: „Brausebär“ Angelo D'Imperio an seinem Schreibtisch in Köln-Braunsfeld.
Köln – Im Büro von Günter Hinz (52) laufen die Telefone heiß. Hinz besitzt einen Fachbetrieb für Sanitär- und Heizungstechnik in Köln-Sülz und kann sich vor Aufträgen kaum noch retten.
„Seit einem halben Jahr nehmen wir keine Neukunden mehr auf“, sagt er. 50 bis 60 Prozent der Anfragen müsse er mittlerweile ablehnen.
Hinz und seine Kollegen sind in einer komfortablen Position, die allerdings einen ernsten Hintergrund hat: Für Handwerkerbetriebe wird es immer schwieriger, geeignete Fachkräfte zu finden.
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Da gleichzeitig die Auftragslage beständig steigt, sind die Kunden die Verlierer – denn sie müssen teilweise monatelang auf einen Termin warten.
Das Handwerk: Bis 2010 galt es noch das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Doch dann die Wende. Ermutigt durch stetig sinkende Zinsen, wollen immer mehr Menschen bauen oder ihr Heim sanieren.
Handwerk wächst in Köln und Düsseldorf stark
„Dieses Jahr erwarten wir ein Wachstum von bis zu drei Prozent“, sagt Ortwin Weltrich (62) von der Handwerkskammer zu Köln.
Ähnliche Zahlen erwartet man bei der Handwerkskammer Düsseldorf. „Der Zuwachs könnte noch größer sein, aber viele Betriebe arbeiten am Kapazitätslimit und wirken als Wachstumsbremse“, sagt Hans-Jörg Hennecke (46).
Markt für geeignete Handwerker ist leer gefegt
Besonders viele Aufträge gehen derzeit bei Sanitär- und Elektrikerbetrieben ein. Diese Berufsstände haben mit einer Arbeitslosenquote von zwei Prozent praktisch Vollbeschäftigung.
Das ist gleichzeitig auch das Problem: Betriebe wollen weitere Fachkräfte einstellen – doch der Markt ist schlicht leer gefegt. Wer als Kunde kleinere und nicht ganz so lukrative Aufträge vergeben möchte, muss lange warten.
„Derzeit haben wir Auslastungszeiten zwischen acht und zwölf Wochen – im Durchschnitt“, sagt Weltrich.
Fragwürdige Methode der „Abwehrangebote“
Einige Betriebe greifen daher zu ungewöhnlichen Mitteln. „Bei kleineren Reparaturen werden die Kosten extra so hoch angesetzt, dass die Kunden freiwillig verzichten“, sagt Erik Uwe Amaya (37) vom Verband Haus & Grund.
Diese sogenannten „Abwehrangebote“ wirken wie eine Art Schutz für die Handwerker. Entweder, man kann sich die Anfahrt sparen – oder man verdient mit einem kleinen Auftrag richtig gutes Geld und es lohnt sich trotzdem.

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Günter Hinz leitet einen Sanitärbetrieb in Köln-Sülz. Er sagt: Den Auszubildenden mangelt es an Qualität.
Abwehrangebote kommen für Sanitär-Fachmann Günter Hinz nicht in Frage. „Mondpreise entsprechen nicht unserer Philosophie.“
Ohnehin gebe es Anfragen, die absolute Dringlichkeit hätten, betont er. „Wenn uns ein Kunde wegen eines Rohrbruchs anruft, dann können wir das nicht erst in zwei Wochen erledigen. Dann müssen wir das eben dazwischen schieben und sofort kommen.“
Geeigneter Handwerker-Nachwuchs fehlt
Doch wie wird man der Auftragsflut Herr? Eine Möglichkeit wäre, verstärkt auf Auszubildende zu setzen.
Doch geeigneter Nachwuchs bleibt aus. „Auszubildende zu finden, ist nicht schwer, gute Auszubildende dagegen schon“, sagt Hinz. „Es mangelt an Qualität und Motivation.“
So gehen Sie schwarzen Handwerker-Schafen aus dem Weg
Das Handwerk boomt wie nie. Doch davon profitieren auch Betriebe, die mangelhaft und zu überteuerten Preisen arbeiten. So vermeiden Sie ein böses Erwachen:
1. Internet nutzen: Vergleichen Sie die Handwerksbetriebe über Bewertungsportale im Netz. Wer viele gute Bewertungen erhalten hat, ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein verlässlicher Auftragnehmer.
2. Mundpropaganda: Vertrauen Sie bei Ihrer Suche auch auf die Erfahrungen von Freunden oder Bekannten. Betriebe mit Tradition sind häufig eine gute Adresse – denn diese möchten ihre Stammkunden nicht durch schlechte Arbeit vergraulen.
3. Pauschalpreis festlegen: Wer mit dem Handwerker vorab einen Fixpreis vereinbart, kann im Nachhinein nicht durch versteckte Kosten aufs Glatteis geführt werden.
4. Auf deutschsprachiges Personal setzen: Immer mehr Betriebe vertrauen auf Mitarbeiter, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Dabei ist Kommunikation das A und O. „Wenn man sich allerdings mit dem Handwerker nicht verständigen kann, ist das für beide Parteien unangenehm“, sagt Experte Erik Uwe Amaya.
5. Die Alles-Macher: Vorsicht bei Betrieben, die jeden Auftrag annehmen. Oft arbeiten diese Unternehmen unter erhöhtem Zeitdruck und machen unter Stress Fehler.
6. Geduld bewahren: Gut Ding will Weile haben, auch im Handwerk. Wer zuverlässige Arbeit zu einem fairen Preis verlangt, der muss Wartezeiten in Kauf nehmen.
Angelo D’Imperio (52), der als „Brausebär“ einen Sanitärbetrieb in Braunsfeld führt, wird deutlicher: „Es ist ein Grauen. Von 20 Bewerbern kannst du 18 direkt wieder nach Hause schicken.“
In seinen 14 Jahren, in denen er Nachwuchs ausbilde, habe er stets die gleichen Erfahrungen gemacht, sagt D’Imperio. „Nur wenige haben die Qualität und den Willen. Wenn nach der Ausbildung ein, zwei Leute im Betrieb bleiben, ist das schon sehr gut.“
Dabei sei das Handwerk durchaus ein lukratives Gewerbe, betont Kollege Hinz. „Die Verdienstmöglichkeiten sind jetzt schon gut und werden noch besser.“
Mussten Sie auch schon lange auf einen Termin beim Handwerker warten? Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen an vermischtes@express.de.
Das sagen Betroffene
(Die Interviews führte Charlotte Gross)

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Marieke Heinrichs (21), Studentin aus Köln: „Vor zwei Wochen ist in unserer WG die Toilettenspülung kaputtgegangen. Statt mehrere Wochen auf einen Handwerker zu warten, haben wir das Problem lieber selbst behoben.“

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Jan Wördenweber (43), EXPRESS-Redakteur: „Als unsere Waschmaschine kaputt war, habe ich mehrere Betriebe im Kölner Westen angerufen. Es war immer dasselbe: „Sind Sie Neukunde?“ – „Ja!“ – „Tut uns leid, wir nehmen nur Aufträge von Bestandskunden entgegen.“

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Frederic Fisch (25), Fotograf aus Köln: „Ausgerechnet jetzt im Winter ist meine Heizung ausgefallen und ich friere die ganze Zeit. Der Vermieter kümmert sich zwar um den Handwerker, aber der ist bisher nicht erschienen. Meine Wohnung ist gerade eiskalt.“

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Laura Wenzel (25), EXPRESS-Redakteurin: „Ich musste leider die Erfahrung machen, dass sich Handwerker selten an Termine halten. Wenn ich einen Zeitraum von 11 bis 14 Uhr festlege, kann ich damit rechnen, dass es garantiert später wird.“