Hannsheinz PorstDer tiefe Sturz des roten Foto-Königs
Nürnberg – Er war eine der schillerndsten Figuren der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Hannsheinz Porst war jahrzehntelang einer der weltgrößten Fotohändler, Multimillionär und bekennender Marxist, Mitglied der FDP und (heimlich) auch der SED, der den Chef der Hauptverwaltung Aufklärung der DDR Markus „Mischa“ Wolf zu seinen Freunden zählte.
Weltweit für Schlagzeilen sorgt der rote Foto-König, als er sein florierendes Unternehmen mit zeitweise mehr als 2000 „Photo-Porst“-Filialen an seine Mitarbeiter verschenkte – Anfang der 70er Jahre eine Sensation.
Hannsheinz Porst machte seine Lehre bei Kodak
Geboren am 8. November 1922 in Nürnberg, war der junge, bei Kodak in die Lehre gegangene Werkzeugmacher nach dem Zweiten Weltkrieg in die Firma seines Vaters (mit Sitz anfänglich in Nürnberg, später in Schwabach) eingestiegen – einst das größte Fotogeschäft mit angeschlossenem Versandhandel in Deutschland.
Wie sein Vater ein Verkaufsgenie hatte Porst stets ein feines Gespür für Innovationen. Als ihm der Vater 1960 die Firma übergab, revolutionierte er das Geschäft komplett.
Hannsheinz Porst bald überall präsent
Binnen kurzer Zeit stampfte er als einer der ersten in der Bundesrepublik eine Ladenkette aus dem Boden mit Hunderten eigenen und im Franchise-System betriebenen Fotofachgeschäften. Über all in den Städten war die Marke „Photo-Porst“ bald in guten Lagen präsent und erfolgreich.
Es waren goldene Jahre, in denen die Umsätze nur so sprudelten und Porst immer weiter investierte – auch in den Bau von 500 Werkswohnungen vor den Toren Nürnbergs und in eine Druckerei.
Porst: Ärger wegen hinterzogenen Steuern
Außerhalb des Geschäfts lief allerdings nicht alles rund. 1964 hatte Porst, der amerikanische Straßenkreuzer liebte, ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung an der Backe. 9,5 Millionen Mark Steuern musste er nachzahlen – und bekam eine Geldbuße in Höhe von 2,5 Millionen Mark aufgebrummt.
Richtig Ärger bekam er zudem wegen seiner Kontakte zur DDR und seiner Nähe zum Marxismus, die er nie verheimlicht hatte. Er war fasziniert davon, seit ein Vetter aus Überzeugung nach dem Krieg in den „Arbeiter- und Bauernstaat“ übergesiedelt war.
Der Kontakt riss nie ab und offenbar gelang es dem Verwandten von drüben, seinen kapitalistischen Vetter im Westen mit dem Kommunismus-Virus zu infizieren – so sehr, dass er sogar heimlich SED-Mitglied wurde – während er kurioserweise gleichzeitig ein FDP-Parteibuch besaß.
Porst: Er war als IM Fotograf bei der Stasi geführt
Außerdem traf er sich regelmäßig mit dem berüchtigten Markus „Mischa“ Wolf, dem damaligen Chef-Spion der DDR, mit dem er befreundet war. War Porst doch nicht so harmlos, wie er immer vorgab, sondern vielmehr ein Spion in Diensten der Stasi?
Dass sich Markus Wolf, der für die Geheimdienste im Westen über viele Jahre ein Mann ohne Gesicht war, mit Porst nur zum Smalltalk traf, ist eher unwahrscheinlich. Vom Stasi-Ministerium wurde Porst offiziell als „IM Fotograf“ geführt. In so eine Kartei geriet man nicht zufällig.
Urteil: Zwei Jahre und neun Monate Haft
Überwacht vom Verfassungsschutz und belastet von einem sowjetischen Überläufer, wurde Porst 1969 sogar der Prozess gemacht. Seit Mitte der 50er Jahre habe er Landesgeheimnisse und Informationen über die FDP an das Ministerium für Staatssicherheit der DDR verraten so die Anklage. Das Urteil: Zwei Jahre und neun Monate Haft.
Er bekannte sich zwar als Marxist, behauptete aber, er habe mit seinen Gesprächen in Ost-Berlin nur den Dialog zwischen den deutschen Staaten verbessern wollen. Dass er spioniert und Geheimnisse verraten habe, bestritt er energisch.
Hannsheinz Porst nutzte die Zeit im Gefängnis
Nur einige Monate musste Porst in der JVA Landsberg absitzen, die Zeit nutzte er, um in seiner Zelle ein völlig neues unternehmerisches, ja revolutionäres Modell der Mitbestimmung zu entwickeln.
Kaum raus dem Knast, verschenkte der bisherige Alleinherrscher und vierfache Familienvater seine Firma an seine damals rund 1600 Mitarbeiter und reihte sich selbst als normaler Gehaltsempfänger in ihre Reihen ein – harsch kritisiert von Banken, Unternehmern und auch von den Gewerkschaften, die das für Spinnerei hielten.
Doch Porst meinte es ernst. Alle Gewinne wurden fortan aufgeteilt, Mitarbeiterausschüsse entschieden über die Löhne (die bald weit über dem Branchenschnitt lagen), die Arbeitszeit, Urlaub und natürlich die Geschäftspolitik.
Die neuen Chefs scheitern schnell
Das Experiment schien zunächst erfolgreich. Die Fotokette expandierte weiter. Erst als immer mehr Konkurrenten mit „Photo-Porst“ die Pole-Position streitig machten, häuften sich die Probleme. Sie wuchsen noch mehr, als Hannsheinz Porst 1980 ganz aus dem Unternehmen ausschied, um sich ins Privatleben zurückzuziehen. Schon bald war klar, dass das neue sozialistische Firmenkonzept zum Scheitern verurteilt war.
Die Mitarbeiter waren überfordert. Die Umsätze brachen ein, und mögliche Kreditgeber stellten sich taub. In dieser dramatischen Lage entschloss sich Porst zur Rückkehr in den Konzern. Er verkaufte Immobilien, um sein Lebenswerk zu retten. Doch die 30 Millionen Mark, mit denen er die Miesen der Mitarbeitergesellschaft auszugleichen gedachte, reichten nicht.
„Photo-Porst“ muss Insolvenz anmelden
„Photo-Porst“ war in der bisherigen Form nicht überlebensfähig. Nach Umwandlung in eine AG und mehreren Eigentümerwechseln kam schließlich das Aus. „Photo-Porst“ musste 2002 Insolvenz anmelden und trat die Namensrechte an die Ringfoto-Gruppe ab.
Die Zeit sei noch nicht reif gewesen für sein sozialistisches Modell, das alle Mitarbeiter zu gleichberechtigten Chefs gemacht hatte, sagte der rote Foto-König viele Jahre später.
Hannsheinz Porst: Zuletzt züchtete er Rinder
Hannsheinz Porst zog sich mit seiner Frau Luise ins Privatleben zurück. Abgeschieden lebten sie im ehemaligen Wochenendhaus seines Vaters in Artelshofen östlich von Nürnberg. Eine Zeit lang züchteten sie Galloway-Rinder, bauten Obst und Gemüse an und gönnten sich die ein oder andere Fernreise. Am 29. April 2010 starb Porst – im Alter von 87 Jahren.