Letzte Ausfahrt Rüschen-Schürze! „Tradwives“: Wenn Frauen das Dasein als Hochglanz-Hausfrau als einzigen Lebenszweck im Netz inszenieren.
Hausfrau bis zur HörigkeitWas hat's mit dem „Tradwives“-Trend auf sich?

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„Tradwives“ konterkarieren das moderne Frauenbild per Rückwärtsrolle in die 50er. Das Symbolfoto zeigt eine perfekt zurecht gemachte Hausfrau mit Cloche und Teller in der Hand.
Die Frisur sitzt, die Zähne funkeln mit der Küchenspüle um die Wette, das Lächeln ist süßer als der Erdbeerkuchen, den Estee C. Williams in Händen hält. Was aussieht wie eine hochglanzpolierte Persiflage auf die eher piefigen 50er, ist ernst gemeint.
„Tradwives“ (traditionelle Hausfrauen) nennen sich junge Damen, die in den sozialen Medien einen einzigen Lebenszweck propagieren: Die perfekte Hausfrau zu sein, dabei einzig und allein ihrem Mann zu gefallen, ihn vollumfänglich zu umsorgen und sich ihm unterzuordnen.
„Tradwives“: Hochglanz-Hausfrau mit konservativen Ansichten
Willkommen in der hausfraulichen Perfektionsvorhölle à la „Die Frauen von Stepford“. In der bei Instagram, TikTok und Co. junge, normschöne Frauen selbst angesetzten Hefeteigen beim Gehen zuschauen, nebenbei den adretten Kindern über die Häupter streichen und das Make-up auffrischen – schließlich will frau ja dem Gatten gefallen.
Herübergeschwappt ist die „Tradwife“-Bewegung aus den USA, zu ihren Galionsfiguren gehört Estee C. Williams (26). Die schoss nach der Heirat ihre Meteorologen-Karriere in den Wind, um fortan im trauten Heim für eitel Sonnenschein zu sorgen.
Sie macht deutlich, was eine #tradwife oder ihr unverheiratetes Pendant, die sogenannte #stayathomegirlfriend (Freundin, die zu Hause bleibt), können muss:
- Kochen
- Haushaltsführung
- Putzen
- Nähen
Und – ganz wichtig – sie muss laut Estee C. Williams auf Haare, Kleidung, Make-up achten, denn „Männer sind eben sehr aufs Äußerliche, aufs Sichtbare fokussiert“.
Woher nur kommt diese selbstgewählte Unterwerfung, diese Rückbesinnung auf Werte, die den meisten Frauen obsolet erscheinen dürften? „Es gibt ein Bedürfnis nach Sicherheit und Ordnung, nach Klarheit und Beständigkeit in diesen Zeiten“, erklärt die Kölner Psychologin Elisabeth Raffauf im Gespräch mit EXPRESS.de.
„Es muss nichts ausdiskutiert werden, die Zuständigkeiten sind klar definiert, es gibt kein Rangeln um Standpunkte“, erläutert Elisabeth Raffauf aus prsychologischer Sicht.
Die Darstellung im Netz mit ganz viel „Harmonie und Zuckerguss“ könne durchaus verfangen, sagt die Psychologin: „Aber es gibt nun mal keine heile Welt, auch nicht, wenn man ins Alte zurückfällt.“
Tradwives: Viel Show und Filter, hinter den Kulissen sieht's anders aus
Die Frauen- und Geschlechterforscherin Meltem Kulaçatan sagte jüngst in der „Zeit“ (Artikel hinter Bezahlschranke), die Frauen hätten verstanden: Wenn sie schon den Großteil der Sorgearbeit übernehmen, wollten sie dafür eine entsprechende Anerkennung: „Dann sorgst du, lieber Partner, durch deine Erwerbstätigkeit für unseren Ausgleich. Ich mache nicht beides.“
Das funktioniert freilich nur, wenn der Mann genug verdient, um der Gattin den hausfraulichen Rücken zu stärken. Wie bei Hannah Neeleman alias „ballerinafarm“ – die Familie ihres Mannes ist millionenschwer. Sie hat acht Kinder, rund 15 Millionen Follower auf Instagram und TikTok und zelebriert coram publico das einfache Leben auf dem Lande – nicht ohne freilich immer wieder (teure!) Produkte aus dem Familienunternehmen in den Sozialen Medien zu bewerben.
Kuchen backen, Blumen arrangieren und dem von des Tages Mühen gestressten Gatten froh und dankbar um den Hals fallen – ist das ein erstrebenswertes Lebenskonzept? Auf TikTok warnt die inzwischen geschiedene Ex-„Tradwife“ Ruelle (49): „Wenn du eine Tradwife sein willst, bereite dich darauf vor. Ich wünschte, ich hätte damals gewusst, was ich heute weiß. Verlass' dich nicht darauf, dass dein Partner dich immer versorgen wird.“
Dazu gehöre auch, Anzeichen für „finanziellen Missbrauch“ zu erkennen. Ruelle appelliert an (künftige) „Tradwives“, dass sie keinesfalls folgende Alarmglocken überhören sollten:
- Der Ehemann übernimmt die absolute Kontrolle
- Der Partner hat den alleinigen Zugang und die Macht über Konten, Kredite, Darlehen, etc.
„Bärinnen-Dienst“ für den Feminismus
Feministinnen dürften hier die Hände überm Kopf zusammenschlagen, schließlich konterkariert das sorgsam inszenierte Heimchen-am-Herd-Image alles, wofür jahrzehntelang gekämpft wurde. Und nicht nur das, der „Tradwife“-Trend hat auch eine brandgefährliche Seite, verdeckt von Apfelstreusel und lieblichem Lächeln.
„Wir sehen eine Rückbesinnung auf den Antifeminismus“, ordnete die Berliner Social-Media-Expertin und Pfarrerin Theresa Brückner den Trend jüngst bei der „Tagesschau“ ein.
Dahinter stecke ein bestimmtes Weltbild: „Gerade in den USA ist es oftmals verknüpft mit der extrem Rechten. Das ist nichts Harmloses und auch nichts, wo es nur darum geht, dass man jetzt ein bisschen Pampasgras ins Bild stellt.“
Es werde versucht, etwas zu verkaufen: „Und zwar eine patriarchale Struktur und ein Machtgefälle, wo Frauen weniger wert sind als Männer, weil sie sich unterordnen müssen.“
Was sich auch an „Glaubenssätzen“ wie diesen zeigt, die zwar klingen, als seien sie aus der Hochglanzausgabe eines 50er-Jahre-Eheratgebers (und aus der Zeit) gefallen. Leider sind sie ernst gemeint und wurden in den Sozialen Medien geäußert:
- „Wenn mein Mann Nein sagt, dann ist es ein Nein. Ich diskutiere nicht darüber, ich quengele nicht und ich nörgele nicht. Weitere Diskussionen und Quengeleien meinerseits wären nicht nur respektlos, sondern würden auch zu Vertrauensdefiziten in unserer Ehe führen (...)“.
- „Mein Mann hat die Autorität mit dem letzten Wort.“
- „Diene deinem Mann wie einem Boss.“
- „Das letzte Wort hat aber er, denn er ist der Versorger und die Frau ist die Haushälterin.“
- „Dass er glücklich ist, ist das Wichtigste, er arbeitet ja den ganzen Tag.“
- „Dein Job ist es, deinen Mann glücklich zu machen.“
Und „Tradwives“ propagieren, wenn auch unterschwellig, in aller Regel die Rückkehr zum traditionellen, christlichen Familienbild, also zu Vater, Mutter, Kindern. Experten warnen vor der subtilen Propaganda rechter „Werte“. Die mit Föhnwelle und Rüschenschürze so harmlos daherkommen können.