Nazi-Parolen über LautsprecherHitler-Reden dröhnen durch Zug – KZ-Überlebende sitzt drin

Zwei Personen haben sich in Österreich Zugang zu den Mikrofonen eines Zuges verschafft und diesen mit Nazi-Parolen beschallt – zum Entsetzen einer bestimmten Passagierin.

von Janina Holle  (jh)

Ein unglaublicher Vorfall in einem Schnellzug der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) hat einen extremen Schock unter den Fahrgästen verursacht: Anstatt der üblichen Durchsagen schallten auf einmal nationalsozialistische Parolen durch den gesamten Zug. Via Lautsprecher waren Ausschnitte aus einer Rede von Adolf Hitler zu hören. Auch auf den sozialen Medien ist die Empörung groß.

Im Railjet 661, der am Sonntag (14. Mai 2023) auf der Strecke von Bregenz Richtung Wien unterwegs war, kam es kurz vor St. Pölten zu den ersten merkwürdigen Durchsagen: Versprecher der Schauspielerin Chris Lohner, der jahrelangen Stimme der ÖBB, tönten durch die Waggons. Sogar Feueralarmdurchsagen sollen abgespielt worden sein, erzählt „Standard“-Redakteurin Colette Schmidt, die selbst mit dem Zug reiste.

Hitler spricht in ÖBB-Zug: Verdächtige spielen Aufnahme mit Handy ab

Bereits diese ungewöhnlich laut abgespielten Ansagen sorgten für Verwunderung unter den Gästen. Kurz darauf folgte der gewaltige Schock: Es waren historische Aufnahmen einer Rede von Adolf Hitler zu hören – inklusive Parolen wie „Heil Hitler“ und mehreren „Sieg Heil“-Ausrufen.

Offenbar hatten sich zwei Personen Zugang zu der Kabine mit der Sprechstelle verschafft. Dort spielten sie die Aufnahmen mit dem Handy ab, welches sie neben das Mikrofon hielten. Wie das Duo an den Schlüssel zu der Kabine gelang, ist unbekannt. Ein ÖBB-Sprecher berichtete dem „Standard“: „Es handelt sich um einen europaweit eingesetzten Standardschlüssel, von dem wahrscheinlich einige Zehntausend Stück existieren“. Zuerst konnte nicht ausgeschlossen werden, ob es sich um ÖBB-Mitarbeitende handele, mittlerweile wurden jedoch zwei „externe“ Jugendliche in Verantwortung für den Eklat gezogen.

Auch David Stögmüller von den österreichischen Grünen befand sich im Zug und machte den Vorfall auf Twitter öffentlich. Auf seinem kurzen Video konnte er die Durchsage mit einem Ausschnitt der Nazi-Parolen festhalten.

Hier sehen sie den Twitter-Beitrag von David Stögmüller:

Gegenüber „Heute“ erzählte der Nationalratsabgeordnete von dem Bemühen der Zugbegleiterin, welche durch Ziehen der Sicherungen und Betätigen der Durchsage-Taste das Grauen beenden wollte: „Es war sehr verstörend. Die Zugbegleiterin hat geweint, sie wusste nicht mehr weiter.“

Besonders schlimm betraf der Zwischenfall eine weitere Reisende: Sie ist Überlebende des Holocausts und war zusammen mit ihrem Enkel und dessen Freund unterwegs. Der Freund des Enkels sprach mit der „Heute“: „Unsere Familien wurden damals durch die Nazis fast komplett ausradiert“. Der Vorfall habe die traumatischen Ereignisse wieder hervorgerufen: „Sie weint noch immer die ganze Zeit und es ist so, als ob ihre schlechten Erinnerungen und Erlebnisse von damals jetzt durch diesen traurigen, erbärmlichen Vorfall im ÖBB-Railjet wachgerüttelt wurden“.

Die beiden Verdächtigen konnten mithilfe von Videomaterial schnell identifiziert werden und es wurde bei der Landespolizei Niederösterreich eine Anzeige erstattet. Laut dem Verbotsgesetz droht ihnen eine Haftstrafe von fünf bis zehn Jahren.

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Es ist nicht das erste Mal, dass falsche Durchsagen durch einen ÖBB-Zug tönen: Der Vorfall am Sonntag ist bereits der dritte dieser Art innerhalb weniger Tage. Zuvor wurden hauptsächlich Kinderlieder abgespielt, welche zwar zu Verwirrung unter den Fahrgästen führte, jedoch nicht zu solch einer öffentlichen Empörung wie die Hitler-Parolen.

Laut „Standard“ kritisiert die ÖBB die Übernahmen der Lautsprecher scharf, da so die Notsprechstellen blockiert würden: „Selbst Kinderlieder abzuspielen ist kein Kavaliersdelikt“, bekräftigt ein Konzernsprecher.

Auf Twitter distanzierte sich das Unternehmen von den Falschdurchsagen. Doch auch Kritik gegen die Österreichische Bundesbahn äußerte sich: Anscheinend wurden die Passagiere des Railexpress am Sonntag nicht von den verantwortlichen Mitarbeitenden über das Geschehen informiert.