Hitler-Tagebücher gefälschtSo wurde Schlitzohr Konrad Kujau damals überführt

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Betrüger, Lebenskünstler und vor allem ein Schlitzohr – all das war Konrad Kujau, der Hitler-Tagebücher wie am Fließband produzierte.  

von Maternus Hilger  (hil)

Hannover – Als Fälscher der „Hitler-Tagebücher“ wurde er weltberühmt. Konrad Kujau landete in den 80er Jahren den Coup seines Lebens, als er dem renommierten Magazin „Stern“ die vermeintlich echten, plötzlich aufgetauchten Privat-Notizen des Führers für ein Millionen-Salär andrehte. Als der Schwindel aufflog, stand der „Stern“ bis auf die Knochen blamiert da.

Die Art und Weise aber, wie Kujau alle leimen konnte, lässt einen bis heute schmunzeln. Vor 20 Jahren starb das geniale Schlitzohr in Stuttgart – im Alter von 62 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.

Konrad Kujau fälschte Nazi-Devotionalien

Der am 27. Juni 1938 im sächsischen Löbau geborene Kujau zeichnete und malte schon seit seiner Jugend, doch für eine große Künstlerkarriere reichte sein Talent leider nicht. Ende der 50er machte er „rüber“ aus der DDR und ließ sich als Künstler mit seiner damaligen Lebensgefährtin in Bietigheim-Bissingen nieder. Es war eine Zeit, in der der Handel mit Nazi-Devotionalien und Militaria florierte.

Vor allem Originale waren bei den Ewiggestrigen heiß begehrt. Auch Kujau wusste das – und nutzte es für sich, in dem er Nazischund perfekt fälschte und verhökerte.

Konrad Kujau machte sich an sein erstes Hitler-Tagebuch

So lernte er 1974 auch einen in Alt-Nazi-Kreisen gut vernetzten Sammler kennen. Der war begeistert von den Nazi-Schätzen Kujaus, der sich nur Konrad Fischer nannte. „Echte“ Handschriften, Zeichnungen und Gemälde des Führers und mäßig begabten Kunstmalers Hitler – all das hatte Kujau im Angebot.

Die Geschäfte liefen prima. Doch er setzte noch einen drauf. Im November 1975 machte sich er sich an sein erstes Hitler-Tagebuch – ein Mix aus Fakten, die er sich aus historischen Werken zusammengesucht hatte, und erfundenen banalen Notizen aus dem Alltag Hitlers.

Die Schrift des selbst ernannten GröFaz, des „größten Führers aller Zeiten“ zu fälschen, das war für ihn kein Problem. Auf den Einband klebte er aber statt A.H die Fraktur-Initialen F.H. Der Grund: Er hatte kein A für Adolf im Schrifttypensatz!

Kujaus Fälschungen: F.H. für Fritze Hitler?

Die Dialoge um das merkwürdige Kürzel waren 1992 ein Highlight und der Brüller in Helmut Dietls (70) Film „Schtonk!“ über den Tagebücher-Skandal mit Uwe Ochsenknecht in der Rolle des Konrad Kujau: „F.H. – was soll das denn heißen? Führer Hitler? Führers Hund? Führer Hauptquartier? Fritze Hitler hat er ja wohl nicht geheißen!“ – einfach nur zum Kugeln komisch.

Hitlers Tagebücher aufgetaucht! Das sprach sich schnell rum – vor allem dank Kujaus Militaria-Spezi, der schnell Experten fand, die nicht an der Echtheit zweifelten.

„Stern“-Reporter nahm Kontakt zu Konrad Kujau auf

Auch „Spürnase“ Gerd Heidemann (88), damals Star-Reporter beim „Stern“ mit einem Faible für Nazi-Hinterlassenschaften, bekam 1980 Wind von der „Sensation“ – und nahm Kontakt zu Kujau alias Fischer auf. Der erzählte ihm, dass die Tagebücher in einem kurz vor Kriegsende auf dem Gebiet der DDR abgestürzten Maschine geborgen und an einen sicheren Ort gebracht worden seien.

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„Stern"-Reporter Gerd Heidemann präsentiert auf der Pressekonferenz die vermeintlichen Hitler-Tagebücher.

Er, Kujau, könne sie aber rüberschmuggeln lassen – doch das habe seinen Preis. Heidemann, der Görings einstige Yacht „Carin II“ sein eigen nannte, fiel auf den Schwindel rein – und nicht nur er, sondern auch die Verlagsoberen des „Stern“. Sie gaben grünes Licht für den Kauf der Tagebücher – im Glauben an eine Weltsensation und das große Geschäft.

Konrad Kujaus Fälschungen: „Stern“ zahlte Millionen

Fast drei Jahre lang flossen insgesamt 9,34 Millionen Mark (!) an Heidemann und Kujau, obwohl es früh Hinweise auf einen Betrug gab. Doch niemand hakte nach, auch nicht, als aus Kujaus zunächst versprochenen 27 Tagebüchern immer mehr wurden und die Forderungen nach Geldnachschlägen stiegen. Zuletzt waren es mehr als 60 Hitler-Kladden, die der Meisterfälscher wie am Fließband produziert hatte.

Am 25. April 1983 schlug dann die vermeintliche „Stern“ -Stunde. Mit großem Tamtam verkündete das Magazin die Entdeckung der Hitler-Tagebücher. Unvergessen ist die Triumphator-Pose von Heidemann bei der Pressekonferenz. Jetzt müssten gar Teile die Geschichte umgeschrieben werden, tönte der „Stern“. Kujau selbst dürfte sich in diesem Moment halb schlapp gelacht haben.

Papier-Analyse überführt Konrad Kujau

Doch nach nur zwölf Tagen war die rauschende Tagebücher-Party vorbei. Bundesarchiv und Bundeskriminalamt waren nach chemischen Papier-Analysen und anderen Recherchen übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen: Alles nur Fake. Der Imageschaden für den „Stern“ war riesig. Eine Lachnummer ohnegleichen. „Stern“-Gründer Henri Nannen (82) musste sich bei den Lesern entschuldigen.

Bald war auch klar, wer der Tagebuch-Hitler war. Im Prozess vor dem Landgericht Hamburg wurde Kujau im Juli 1985 wegen Betruges zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, jedoch bereits nach drei Jahren wegen seiner schweren Krebs-Erkrankung entlassen. Kaum raus aus dem Knast, nutzte er seine Popularität als „GröFaz“ (größter Fälscher aller Zeiten) zu neuen Geschäften.

Er eröffnete ein Atelier, in dem er – mit Erfolg – „original Kujau-Fälschungen“ verkaufte – von ihm kopierte Bilder von Malern unterschiedlichster Epochen, die neben der Künstlersignatur auch seine tragen. Seine Werke waren bei Sammlern so begehrt, dass sie wiederum gefälscht wurden. Kujau zeigte inzwischen auch Interesse an der Politik: Bei der Bundestagswahl 1994 kandidierte er für die „Autofahrerpartei“, zwei Jahre später für den OB-Posten in Stuttgart – chancenlos.

Konrad Kujau: Ein Schlitzohr bis zuletzt

Im Jahr vor seinem Tod fragte ihn einmal ein Journalist, was denn in einem Lexikoneintrag über ihn stehen sollte. „Kujau, Konrad: Maler, Fälscher, Schlitzohr“, antwortete er mit einem Augenzwinkern. „Die Welt will betrogen sein“, heißt ein altes römisches Sprichwort. Also betrüge ich sie, wird sich Kujau gesagt haben. Und ganz nebenbei hielt er jenen den Spiegel vor, die bei ihrer Jagd nach Ruhm und Profit den Verstand ausblendeten.