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Grusel-Phänomen „Phrogging“Der Fremde im eigenen Haus – auch Rihanna wurde Opfer

Rihanna beim Super Bowl LVII am 12. Februar 2023.

Sängerin Rihanna (hier im Februar 2023) wurde schon Opfer unheimlicher Phrogger.

Phrogger sind Menschen, die heimlich in fremden Häusern wohnen. EXPRESS und der Kölner Bestsellerautor Linus Geschke erklären, wie das abläuft, was der Kick dabei ist – und welche Promis neben Rihanna schon Opfer wurden.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Man sieht sie nicht, hört sie nicht, doch sie sind da. Laben sich an deinem Apfelsaft, wenn du außer Haus bist, setzen sich nachts an dein Bett, verlegen Schlüssel und hinterlassen dubiose Nachrichten, um dich in den Wahnsinn zu treiben. Immer wieder hört man solche Geschichten von „Phroggern“ (zu deutsch Frösche), die heimlich von einer Wohnung zu nächsten springen. Aber gibt es sie wirklich, oder sind das nur urbane Legenden?

Der Kölner Thriller-Autor Linus Geschke (52) stieß auf der Suche nach einem interessanten Stoff für einen neuen Thriller erstmals auf den Begriff „Phrogging“, als er in einem US-Mystery-Forum surfte. Und das Thema ließ ihn nicht mehr los. Er stieß auf Foren und las, wie die „Frosch“-Community sich untereinander Tipps gibt – etwa, in welchen Häusern man am leichtesten Unterschlupf findet.

„Phrogging“: Der unsichtbare Grusel mit den Fremden im Haus

„Da geht es ganz konkret um Scheunen und Dachböden, um Infos, wie weit die nächste Polizeistation entfernt ist oder um Fluchtmöglichkeiten wie Feuerleitern bei einer Entdeckung“, erzählt er im Gespräch mit dem EXPRESS. Aus ihren Verstecken würden sie nur herauskommen, wenn die Bewohner schlafen oder das Haus verlassen haben. Dann bedienen sie sich am Kühl- und Kleiderschrank, putzen sich mit den Zahnbürsten der Bewohner sogar die Zähne, wie sie auf Filmen dokumentieren.

Kölner Autor Linus Geschke schrieb den Phrogger-Thriller "Die Verborgenen"

Linus Geschke tauchte für „Die Verborgenen“ (17 €) in die Welt der Phrogger ein.

„Sie kundschaften das komplette Haus aus, erkunden jeden noch so versteckten Winkel“, so der Autor. „Es sind keine Obdachlosen, sondern Menschen, die oft ein ganz normales Leben führen und dann diesen Kick suchen.“ Im Gegensatz zu Einbrechern oder Hausbesetzern würden Phrogger deshalb auch so gut wie nie Wertgegenstände an sich nehmen oder ein Bild der Verwüstung hinterlassen: „Was sie reizt, ist der Voyeurismus, in ein fremdes Leben einzutauchen und nach zwei bis drei Tagen wieder die Biege zu machen.“

Das Phänomen sei vor allem in asiatischen Ländern und den USA in den Gegenden verbreitet, in denen es einzeln stehende Häuser gäbe. „Bei richtig großen Häusern sind die Phrogger bisweilen sogar so dreist, sich im Gästezimmer einzuquartieren, weil sie wissen, dass die nicht oft aufgesucht werden“, so der Bestsellerautor.

In seinem gerade erschienenen Thriller „Die Verborgenen“ spinnt er daraus eine atemberaubende Geschichte, wie ein vermeintlich ach so intaktes Familienleben durch einen rachsüchtigen Phrogger auseinandergenommen wird. Nichts für schwache Nerven. Wer auf dem Lande wohnt, dürfte nach der Lektüre abends wohl zweimal kontrollieren, ob alle Türen auch wirklich abgeschlossen sind. Und er selbst? Geschke lacht: „Ich wohne in Köln-Neuehrenfeld in einer Drei-Zimmer-Wohnung, bei mir hätte es ein Phrogger schwer“.

Prominente Opfer von Phrogging

Nach der Lektüre seines Buchs schrieb eine Leserin Geschke ihre beängstigende Erfahrung: „Als sie nachts wach wurde, saß ihr Ex-Freund an ihrem Bett“, so der Autor. „Das hatte er auf ihre Nachfrage wohl schon oft gemacht, weil er sie einfach nicht vergessen konnte und noch den gemeinsamen Wohnungsschlüssel hatte.“ Eine Form von Stalking, die auch vielen Promis nicht fremd ist.

Erst Anfang Juni 2023 erwischte Komiker Chris Rock einen Mann, der ihn von der Feuerleiter aus an seinem Gebäude ausspioniert hatte. Was wäre passiert, wenn Rock nicht daheim gewesen wäre? Im Poolhaus von Pamela Anderson hatte sich vor vielen Jahren eine obdachlose Französin niedergelassen. Als die Schauspielerin sie entdeckte, trug die Frau ihren berühmten roten Badeanzug – auf den die Baywatch-Nixe künftig dankend verzichtete.

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Auch Jennifer Lopez wurde Opfer eines Poolhaus-Phroggers. Bei Sänger George Michael (starb 2016) versteckte sich ein Phrogger gar unter den Dielen seines Wohnzimmers und rief seinen Namen, als er auf dem Sofa saß. Spooky!

Ein Mann namens Quamine Taylor war 2012 bei P Diddy eingebrochen, flog aber nach einem Tag auf. Er gab nach seiner Verhaftung zu, Diddys Zigarren geraucht, seinen Alkohol getrunken, sein Aftershave und seine Zahnbürste benutzt zu haben, bevor er sich ins Bett des Rappers legte. Diese Erfahrung teilt der Sänger mit Schauspieler Brad Pitt und Sängerin Rihanna. Auch in ihren Betten fand man Schlafende.

Der Fremde in meinem Haus: „Das ist eine genetisch verankerte Urangst“

Woran liegt es, dass viele Menschen oft traumatisiert sind, wenn fremde Menschen in ihre Wohnungen eingedrungen sind, selbst wenn sie kaum etwas gestohlen haben oder – wie meist bei Phroggern – sich nur am Kühlschrank bedient und die Tagebücher gelesen haben?

Professor Borwin Bandelow, einer der renommiertesten Angstforscher Deutschlands, zum EXPRESS: „Ängste vererben sich über Jahrzehnte, und das ist eine Urangst, genetisch in unserem Hirn manifestiert. Früher haben wir in Stämmen gelebt, konnten uns gemeinsam vor Übergriffen von anderen Stämmen, die unser Essen und unsere Kinder stehlen wollten, schützen. Alle waren füreinander da, um das eigene Haus, den eigenen Hof zu verteidigen.“

Prof. Borwin Bandelow von der Uni Göttingen

Proffessor Borwin Bandelow, Angstforscher und stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie der Universitätsmedizin Göttingen.

Heute hat man mit den eigenen vier Wänden einen Schutzwall um sich errichtet, fühlt sich auch ohne den Stammesrückhalt sicher aufgehoben. Nicht umsonst heiße es: „My home is my castle“, so Bandelow. Und eben das, diese Schutzburg, ist es nach Einbrüchen und (versteckten) Hausbesetzungen nicht mehr. Nach solchen Übergriffen komme es oft zu posttraumatischen Belastungsstörungen und Überreaktionen, selbst wenn man zum Zeitpunkt des Eindringens nicht zu Hause gewesen sei und nicht viel gestohlen wurde, erklärt der Experte.

Sein Tipp, um sich sicherer zu fühlen und besser gegen Übergriffe abzusichern: „Mechanik geht vor Elektronik. Fenster und Türen sollten immer gut gesichert sein. Eindringlinge lassen sich eher von einem unüberwindlichen Schloss abhalten als von einer Überwachungskamera.“ Aber auch diese könne zusätzlich ein Gefühl von Sicherheit geben.

„Ocupas“ in Spanien: Gangster kommen mit der „Pizza-Taktik“

Schon seit Jahren bereiten Hausbesetzungen vielen Hausverwaltungen und Immobilienbesitzern Kopfzerbrechen und jede Menge Ärger. Allein zwischen Januar und Juli 2022 wurden mehr als 10000 Hausbesetzungen in Spanien registriert. Besonders betroffen, insbesondere in der Pandemie: Offensichtliche Zweitwohnsitze, die als Ferienhaus genutzt werden und während Corona meist leer standen.

Und dabei gehen die Täter raffiniert vor, bedienen sich zum Beispiel besonders gern in Katalonien der Pizzatechnik. Heißt: Sie bestellen vor Betreten des Hauses eine Pizza an die Adresse, bekommen einen Beleg und rechtfertigen erst mal, dass sie in dem Haus wohnen. So können sie meist einer sofortigen Räumung der Polizei aus dem Weg gehen. Denn man muss wissen: Laut spanischem Gesetz sind die Sicherheitskräfte nur in den ersten 48 Stunden nach Beginn der Besetzung ohne gerichtliche Anordnung in der Lage, eine besetzte Immobilie zu räumen. Wenn es aber vor Gericht geht, lachen die „ocupas“ (Besetzer) sich ins Fäustchen. Derzeit dauert es laut Generalrat der Justiz gut anderthalb Jahre, bis endgültige Gerichtsentscheidungen zur Räumung von Hausbesetzern in Spanien ergehen.