Erbe der Menschheit an BordSeit 45 Jahren im All: Die Gänsehaut-Geschichte der Voyager-Mission

Seit rund 45 Jahren schweben sie durch den Weltraum: Die NASA-Sonden Voyager 1 und 2. Sie haben nicht nur Nacktbilder und Schallplatten an Bord – sie transportieren das Vermächtnis der Menschheit.

von Marie Schäfers  (mjs)

Zwei Reisende, alleine auf dem Weg durch die Unendlichkeit. Sie haben ihre Heimat vor 45 Jahren verlassen – und werden nie mehr zu ihr zurückkehren. Und wenn ihre Heimat längst nicht mehr da sein wird, werden sie noch immer reisen. Und vielleicht irgendwann, irgendwo von anderen Lebensformen gefunden. Voyager 1 und Voyager 2 – zwei technische Wunderwerke, das ewige Vermächtnis der Menschheit.

Voyager bedeutet übersetzt Reisender. Und niemand ist so weit gereist wie diese Zwillinge. Voyager 1 und 2, baugleich konstruiert von der NASA, um die weit entfernten Planeten unseres Sonnensystems zu erkunden. Vier Jahre sollte die Mission dauern. Aber bis heute senden die beiden Reisenden Postkartengrüße in Form von Daten.

Sternstunden der Raumfahrt: Die Geschichte von Voyager 1 und 2

Voyager 2 wurde vor Voyager 1 ins All geschickt (fertiggestellt war aber Voyager 1 zuerst), am 20. August 1977, also vor 45 Jahren. Und heute ist Voyager 1 das am weitesten von der Erde entfernte menschengemachte Objekt überhaupt. Mittlerweile haben beide Sonden die sogenannte Heliosphäre (Bereich um die Sonne, in dem der Sonnenwind mit seinen mitgeführten Magnetfeldern wirksam ist) verlassen, befinden sich im sogenannten interstellaren Raum.

In den nächsten 40.000 Jahren werden sie an keinem Stern mehr vorbeikommen. Sie reisen im Nichts – und senden trotzdem noch fleißig Daten in die Heimat. Und das mit uralter Technik, die noch überraschend gut funktioniert. Zwar mussten die zuständigen NASA-Wissenschaftler bereits mehrere Instrumente an Bord abschalten, um Energie zu sparen und auch immer wieder Anpassungen vornehmen (dafür muss man uralte Dokumente finden und NASA-Ingenieure im Ruhestand konsultieren), aber die Probleme halten sich noch in Grenzen.

Voyager 1 ist schneller unterwegs als ihr Zwilling, hat ihn deshalb auch zwischenzeitlich überholt. Und die Sonde sorgt für Gänsehautbilder. Noch einmal drehte sich Voyager 1, ausgerechnet am Valentinstag 1990, um 180 Grad – und machte eine letzte Aufnahme, als sie unser Sonnensystem verließ. Ein allerletztes „Goodbye“.

„Pale Blue Dot“ heißt das ikonische Bild – „blasser blauer Punkt“. Planetenforscher Carl Sagan (1934-1996) hatte die NASA dazu gedrängt. Wissenschaftlich hatte die Aufnahme keinen Wert. Aber emotional trifft sie einen im Innersten. Es ist der Blick zurück aus einer Distanz von sechs Milliarden Kilometern auf unsere Erde.

Das Foto "Pale Blue Dot" funkte Voyager 1 zur Erde.

Ikonischer Anblick, der auch Nicht-Weltraumfans Gänsehaut macht: „Pale Blue Dot“ (blasser blauer Punkt) heißt das Foto, das Voyager 1 am Valentinstag 1990 schoss. Es ist der bisher am weitesten entfernte Blick auf unsere Erde, die in der Bildmitte als Mini-Punkt zu sehen ist.

In einem 1994 veröffentlichten Buch schrieb Sagan dazu: „Schau nochmal auf den Punkt. Das ist hier. Das ist zuhause. Das sind wir. Auf ihm hat jeder, den du liebst, jeder den du kennst, jeder, von dem du jemals gehört hast, jeder Mensch, der jemals existiert hat, sein Leben gelebt... auf einem Staubkörnchen in einem schwebenden Sonnenstrahl.“

Dass Voyager 1 gerade komische Daten sendet, macht den Forschern heute keine Sorgen. „So ein Mysterium ist zu diesem Zeitpunkt in der Mission keine Überraschung“, sagt Chef-Wissenschaftlerin Suzanne Dodd. „Die Sonden sind beide fast 45 Jahre alt, viel mehr als die Planer der Mission je erwartet hätten. Und wir sind jenseits der Heliosphäre der Sonne – einer Umgebung mit hoher Strahlung, in der kein Raumschiff je geflogen ist.“ Da kann man schon mal verwirrt sein.

Fast eine Million Follower: Voyager 1 und 2 sind bei Twitter aktiv

Die Voyager-Mission gilt als eine der erfolgreichsten Unternehmungen in der Geschichte der NASA. Beide Reisende hatten ein Rendezvous mit Jupiter und Saturn, Voyager 2 sah sich Uranus und Neptun an, dazu fast 50 Monde. Irgendwann werden die beiden aber aufhören mit ihren Nachrichten nach Hause.

„Unsere Energie-Budgets werden immer enger, aber unser Team geht davon aus, dass wir noch mindestens fünf weitere Jahre Wissenschaft betreiben können“, legte man den Sonden jüngst auf Twitter „in den Mund“. „Vielleicht werden wir unser 50. Jubiläum feiern können – oder sogar bis in die 2030er hinein funktionieren.“

Und selbst wenn sie verstummen, die Reisenden werden nie aufhören zu fliegen – für Milliarden von Jahren. Sie werden das Einzige sein, was von uns Menschen übrig bleibt in den Weiten des Universums. Ob sie dabei mal von anderen Lebensformen entdeckt werden? Eher unwahrscheinlich. Denn – und das zeigt, wie unvorstellbar groß das Universum ist: Dafür sind sie selbst dann noch nicht weit genug von der Erde weg.

Voyager 1: Ikonische Raumsonde mit „Schluckauf“

  1. Gestartet: 5. September 1977 von Cape Canaveral (Florida, USA)
  2. Missionsziel: Untersuchung der Planeten Jupiter und Saturn sowie von deren Monden Startmasse: 825,50 Kilogramm, betrieben durch Plutonium-Generatoren
  3. Aktuelle Reisegeschwindigkeit: ca. 60000 Kilometer pro Stunde, ist unterwegs Richtung Norden durch das All, Funksignale brauchen 17 Stunden bis zur Erde
Den Saturn mit seinen Ringen (Archivbild) zeigt das Foto, das von der Sonde Voyager 1 der US-Raumfahrtbehörde NASA am 18. Oktober 1980 übermittelt wurde.

Dieses gestochen scharfe Foto des Saturn mit seinen Ringen übermittelte Voyager 1 am 18. Oktober 1980 an die NASA.

  1. Entfernung zur Sonne: 23,5 Milliarden Kilometer
  2. Ikonische Bilder: Familienporträt (sechs Planeten unseres Sonnensystems als Mosaik zusammengesetzt), Pale Blue Dot (Foto der Erde aus der bisher größten Distanz).
  3. Verließ 2012 als erste Raumsonde in der Geschichte der Menschheit das Sonnensystem. Gerade hat Voyager 1 ein bisschen „Schluckauf“, sendet immer wieder merkwürdige Standortdaten, die nicht zur normalerweise vorliegenden Ausrichtung passen. Vielleicht ist es die Umgebung, die die seltsamen Daten verursacht, vielleicht hat sich nach 45 Jahren der Fehlerteufel eingeschlichen. Jetzt versucht man es mit einem Software-Update – natürlich in Fernwartung.

Voyager 2 lieferte unglaubliche Fotos vom Neptun

  1. Gestartet: 20. August 1977 von Cape Canaveral
  2. Missionsziel: Untersuchung der Planeten Jupiter und Saturn, sowie von deren Monden (wurde später auf Uranus und Neptun ausgeweitet)
  3. Startmasse: 825,5 Kilo (baugleich zu Voyager 1, betrieben durch Plutonium-Generatoren)
Foto von Voyager 2 zeigt Flecken auf dem Gasplaneten Neptun. Foto veröffentlicht von der NASA am 21. August 2001.

Dieses am 21. August 2001 von der US-Weltraumbehörde NASA veröffentlichte Foto, das Voyager 2 aufgenommen hat, zeigt Flecken auf der Oberfläche des Planeten Neptun.

  1. Aktuelle Reisegeschwindigkeit: ca. 55000 Kilometer pro Stunde, unterwegs Richtung Süden durch das All, Funksignale brauchen mehr als 12 Stunden bis zur Erde
    Entfernung zur Sonne: 19,6 Milliarden Kilometer
    Ikonische Bilder: Jupiterbilder in Echtfarben, Ringe des Saturn, Fotos von Uranus und Neptun Voyager 2 ist dank ihres früheren Starts die am längsten kontinuierlich betriebene Raumsonde. Sie zeigte im Gegensatz zu ihrem Zwilling eine erstaunlich scharfe Grenze des Innenraums unseres Sonnensystems.

Voyager-Missionen tragen Spuren der Menschheit in die Ewigkeit

Mit auf Reisen sind zwei goldene Schallplatten. Der Datenträger enthält u.a. „Johnny B. Goode“ von Rock’n’Roll-Legende Chuck Berry, klassische Musik von Bach, Mozart und Beethoven sowie Klänge aus Australien, Bulgarien, Japan und Peru – dazu 115 Bilder (u.a. eine stillende Mutter, viele Naturaufnahmen, ein Mann mit Bohrer) und Grußbotschaften an Außerirdische in 55 Sprachen. Es werden einmal die einzig verbliebenden Spuren der Menschheit sein.

Die Goldene Schallplatte der Sonde Voyager 1 wird in einer Aufnahme von 1977 vorbereitet.

Dieses Foto von 1977 zeigt einen Mitarbeitenden der NASA, der vorsichtig die Goldene Schallplatte von Chuck Berry in die Sonde Voyager 1 bettet.

Die Platten haben eine Mindesthaltbarkeit von 500 Millionen Jahren. Jede befindet sich mit einer Nadel zum Abspielen in einer Schutzhülle. Auf dieser Hülle gibt’s eine symbolhafte Gebrauchsanleitung einmal für die Audiodate mit der Nadel und einmal für die Bilddatenwiedergabe. Eine Pulsarkarte soll die Position unserer Erde im Weltall erläutern. Ob Aliens das alles auch schnallen?

Gesellschaft für die „Voyagers“: Neue Mission würde 3,1 Milliarden Euro kosten

Die Voyager-Sonden sollen neue Gesellschaft bekommen. US-Astronomen wollen Interstellar Probe in die Weiten des Alls hinterherschicken. Ob das Projekt auch bewilligt wird, ist bisher aber noch unklar. Eine Nachfolgemission könnte Fragen beantworten, die die Voyager-Missionen bislang unbeantwortet ließen, zum Beispiel, wie die Heliosphäre wirklich aussieht. Obwohl Interesse bestünde, habe sich bisher „noch niemand hingesetzt, die Zahlen durchgerechnet und die Planung durchgeführt“, sagt Physiker Ralph McNutt von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore.

Er hat das mit einem 45-köpfigen Team getan. Die Interstellar Probe, kurz IP, wäre so etwas wie „Voyager auf Steroiden“, wie der Projektleiter sagt. Doppelt so schnell wie Voyager 1 und 2, mit wesentlich schnellerer Datenübertragung, mit zusätzlichen Werkzeugen wie einem Staubdetektor ausgestattet. „Das ist so, als würde man ein Telefon mit Wählscheibe aus dem Jahr 1935 mit einem iPhone 13 vergleichen.“

Knapp 3,1 Milliarden Euro würde die Mission kosten. Ob sich das lohnt, wird eine Jury der US-Nationalakademien für Wissenschaften, Technik und Medizin mitbestimmen. Sie gibt 2024 eine Einschätzung zum Projekt ab, ab 2036 könnte bei einem anschließenden „Go“ der NASA dann der Start erfolgen. China bereitet dagegen schon eine Mission namens „Interstellar Express“ vor, die planmäßig 2024 starten soll.

Raumsonden der Pioneer-Missionen hatten Bild von nackten Menschen an Bord

Die beiden Voyager-Sonden sind nicht die einzigen, die unser Sonnensystem verlassen haben. Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat noch mehr losgeschickt: Vor den Voyagers starteten Pioneer 10 (am 3. März 1972) und Pioneer 11 (am 6. April 1973). Der Kontakt zu ihnen ist aber in den 1990er-/frühen 2000er-Jahren abgebrochen. Pioneer 10 ist ca. 19,68 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, Pioneer 11 ca. 16,2 Milliarden Kilometer.

Raumsonden Pioneer 10 und 11 hatten eine Plakette mit nackten Menschen an Bord (undatiertes, von der NASA herausgegebenes) Foto.

Diese Plakette mit einer schematischen Darstellung, u.a. von nackten Menschen hatten die Sonden Pioneer 10 und 11 an Bord.

Sie hatten jeweils eine Plakette an Bord, die Aliens ein Bild von uns (nackten) Menschen zeigen sollten. Im Hintergrund ist die Pioneer-Sonde als Größenvergleich angegeben. Am 16. Januar 2002 startete New Horizons ins All, erreichte am 14. Juli 2015 als erste Raumsonde den Pluto und forscht gerade in der Heliosphäre. Aktuell ist sie ca. 8,05 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt.