Eisige Bewährungsprobe für Annalena Baerbock in Moskau. Bei der Pressekonferenz ließ die neue Außenministerin auch unangenehme Themen nicht aus. In Deutschland entbrannte jedoch ein Shitstorm an einem Versprecher.
Annalena BaerbockAußenministerin verspricht sich – die Folgen sind verstörend
von Jan Voß (jv)
Die Reise nach Moskau war die erste richtig große Bewährungsprobe für die neue Außenministerin Annalena Baerbock. Ihr Amtskollege Sergej Lawrow gilt nicht nur als echter Haudegen, sondern auch als äußerst mürrisch und schwierig. Es bedurfte großen diplomatischen Fingerspitzengefühls, zumal die Lage mit der Ukraine einem Pulverfass gleicht.
Für die im Amt der Außenministerin noch völlig unerprobte Annalena Baerbock war der Antrittsbesuch alles andere als ein Spaziergang. Gerade erst leistete sie ihren Amtseid. Jetzt, knapp sechs Wochen später, blickte die ganze Welt auf ihren Auftritt.
Im Gästehaus des russischen Außenministers musste sich die 41-jährige Grüne dann den Kameras stellen. Schnell ist Baerbock anzumerken, sie hat den Ernst der Lage erfasst. Sorgfältig betont sie fast jedes Wort. Immer wieder liest sie zentrale Passagen vom Manuskript ab. Ruhig, klar und deutlich.
Annalena Baerbock muss sich eisiger Bewährungsprobe stellen
Vor allem aber macht sie klar: Sie ist nicht hier, um Russland nach dem Mund zu reden. Sie spricht von einer „dicken Gesprächsmappe“, die so dick sei, „weil es eine ganze Reihe von Themen zu besprechen gibt, in denen wir große, teils fundamentale Meinungsverschiedenheiten haben“. Rumms, deutlicher kann man es kaum sagen.
Selbst als die Fragerunde auf die umstrittene russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream 2 kommt, bleibt Annalena Baerbock ruhig und gelassen, verweist auf den Ampel-Koalitionsvertrag und auf das europäische Energierecht. Dabei gilt sie persönlich seit langem als Gegnerin des Projekts.
Viel bewegt hat der Besuch der Außenministerin möglicherweise nicht, große Erwartungen waren damit aber auch nie verbunden. Doch was bleibt zu Hause in Deutschland davon hängen? Über die Inhalte scheint kaum jemand reden zu wollen – zumindest wenn man den sozialen Netzwerken folgt. Denn dort ist ausgerechnet ein Versprecher von Annalena Baerbock DAS Gesprächsthema.
Shitstorm gegen Annalena Baerbock wegen Versprecher
Dabei spielt der Verhaspler kaum eine Rolle und dürfte während der Pressekonferenz kaum aufgefallen sein. Auf die Restriktionen angesprochen, welche der russische Sender „RT Deutsch“ aufgrund einer YouTube-Sperre in Deutschland habe, erklärte Baerbock:
Die Reaktionen auf Twitter sind einfach nur traurig und zutiefst verstörend. Vor allem die rechtspopulistische Szene will darin einen „freudschen Versprecher“ erkennen und deutet den Begriff „Fressefreiheit“ als Andeutung auf die Maskenpflicht, die aufgrund der Corona-Pandemie in fast allen Ländern der Welt verhängt wurde.
Allein aufgrund dieses kleinen Versprechers, den Annalena Baerbock sofort korrigierte, verurteilen tausende User und Userinnen die Außenministerin als „peinlich“ und „Deutschland nicht würdig“.
Annalena Baerbock: Unterstützung auch von Kollegen
Auf der anderen Seite nahmen etliche Nutzer und Nutzerinnen Baerbock in Schutz. Auch Kollegen wie etwa Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der schrieb: „Über Leute, die lieber über einen Versprecher sprechen statt über die Tatsache, dass eine Außenministerin in Russland mit Nachdruck für die Pressefreiheit einsteht, ist eigentlich schon alles gesagt.“
In die gleiche Kerbe hieb auch Bundesjustizminister Marco Buschmann. Er twitterte: „Ich finde es gut, dass sich Annalena Baerbock für die Pressefreiheit einsetzt. Das kommt nicht jedem Außenminister, wenn er oder sie in Russland zu Besuch ist, so klar über die Lippen. Danke dafür. #Fressefreiheit.“ (jv)