Lanxess-Chef droht offen mit Abwanderung„Wie scheinheilig ist eine solche Politik bitte?“

Blick auf die Zentrale des Chemiekonzerns Lanxess.

Blick auf die Kölner Zentrale des Chemiekonzerns Lanxess: Chef ist Matthias Zachert droht offen mit Abwanderung.

Lanxess-Chef Matthias Zachert ist angesichts der massiv gestiegenen Energiepreise in Deutschland in tiefer Sorge. Vor dem Chemiegipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz droht er offen mit Abwanderung – und wirft der Politik Scheinheiligkeit vor.

von Martin Gätke  (mg)

Die extrem gestiegenen Gas- und Energiepreise setzen aktuell vor allem die deutsche Industrie gehörig unter Druck: Nicht nur die Metall- oder Autobranche, auch die Chemieindustrie leidet unter den höheren Produktionskosten.

Kanzler Scholz lädt die Branche deswegen am 27. September zu einem Chemiegipfel ins Kanzleramt. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hofft auf ein klares Zeichen zur Lösung der aktuellen Chemiekrise und warnte davor, dass die hohen Energiekosten existenzgefährdend seien für deutsche Unternehmen. Nun meldet sich auch Matthias Zachert, Vorstandschef des Chemiekonzerns Lanxess aus Köln, zu Wort. Der Konzern kündigte jüngst ein Sparprogramm an, auch Stellen müssten abgebaut werden.

Lanxess-Chef Zachert droht offen mit Abwanderung

Bereits im Herbst 2022 hatte Zachert angekündigt, aufgrund der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nicht mehr in Deutschland investieren zu wollen. Im Vorfeld des Chemiegipfels droht er nun gegenüber „Welt“ offen mit Abwanderung und macht sich für eine zeitweise Rückkehr zur Atomenergie stark.

Die Chemiebranche befinde sich in „schwerstem Fahrtwasser“, erklärt Zachert in dem „Welt“-Interview am Samstag (23. September). „Die chemische Industrie leidet unter den zu hohen Energiekosten, einer überbordenden Bürokratie und Regulierungswut sowohl in Berlin als auch in Brüssel und an zu hohen Industriesteuersätzen.“ Man habe mit vier- bis fünfmal höheren Energiekosten zu kämpfen als in Wettbewerberregionen.

Zachert: „Wenn das so bleibt, werden wir als Lanxess nicht mehr in Deutschland investieren. Dann werden wir quasi auswandern.“

Lanxess-Chef: „Deutschland ist nicht wettbewerbsfähig“

Der Lanxess-Chef warnt vor einer schleichenden Abwanderung unrentabler Betriebe, die nicht mehr in Deutschland, sondern anderswo investieren würden. „Produkte, die hier nicht mehr konkurrenzfähig hergestellt werden können, kommen dann demnächst aus den USA, China oder anderen Märkten.“

Lanxess selbst habe bis vor eineinhalb Jahren deutlich auf Deutschland gesetzt und massiv investiert, so Zachert weiter. „Ich habe immer wieder betont, dass unser Herz in Nordrhein-Westfalen schlägt, da dort unsere größten Werke stehen.“ Doch diese Zeiten seien wegen der massiven Änderungen der Rahmenbedingungen vorbei. „Wir wollen alles dafür tun, unsere Standorte in Deutschland zu verteidigen. Aber unsere Wachstumsinvestitionen fließen jetzt vor allem nach Nordamerika.“

Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG, 2019 in Köln.

Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG, 2019 in Köln.

Daher hoffe er, dass beim Chemiegipfel mit Scholz nicht nur geredet werde, „sondern dass sich die Politik auch zu Entscheidungen durchringt.“ Zachert attestiert Deutschland, aktuell wegen der hohen Energiepreise, den Mangel an Fachkräften sowie der veralteten Infrastruktur nicht wettbewerbsfähig zu sein. „Dennoch spricht der Bundeskanzler von einem Wirtschaftsboom und einer angeblichen Deutschland-Geschwindigkeit. Das passt nicht zusammen.“

Der Lanxess-Chef wünsche sich Maßnahmen, damit das Land konkurrenzfähig bleibt, da sonst der Wohlstand leiden würde.

Lanxess-Chef Zachert: „Wie scheinheilig ist eine solche Politik bitte?“

Zachert plädiert für einen Industriestrompreis, Industrieunternehmen sollten für gewisse Zeit einen niedrigeren Strompreis zahlen und so entlastet werden. „Er würde uns helfen, die Zeit zu überbrücken, bis wir erneuerbare Energien in großem Umfang haben.“ Er selbst sei kein Befürworter von Subventionen, finde, man sollte das Angebot erweitern.

Zachert: „So gut wie alle unsere Nachbarländer gehen diesen Weg und fahren die Atomenergie hoch. Nur Deutschland schaltet seine Atommeiler ab und kauft stattdessen Kohle- und Atomstrom aus dem Ausland teuer ein. Wie scheinheilig ist eine solche Politik bitte und wie sehr riskiert man damit den Wohlstand in Deutschland?“

Zachert sei zwar kein Freund der Atomenergie, die Politik sollte aber die CO₂-freie Energie nutzen, bis genügend Erneuerbare vorhanden seien. „Ich würde mir wünschen, dass die Politik in puncto Atomenergie über ihren Schatten springt.“