Schlechte Nachrichten für Deutschland: Russland drosselt die Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiter. Dabei war die Pipeline gerade erst wieder in Betrieb gegangen.
Nord Stream 1Habeck schießt nach Gas-Drosselung scharf gegen Putin: „Spielt ein perfides Spiel“
Russland fährt die Gaslieferungen durch die nach Deutschland führende Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 noch einmal drastisch zurück. Die Liefermengen würden ab Mittwoch (27. Juli 2022) (06.00 Uhr MESZ) wegen der Wartung einer Turbine auf nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag reduziert, teilte der Energiekonzern Gazprom am Montag im Online-Dienst Telegram mit.
Die Bundesregierung reagierte mit Unverständnis und erklärte, sie sehe keinen technischen Grund für die Reduktion. Die erneute Kürzung drosselt die Liefermenge auf etwa 20 Prozent der Kapazität der Pipeline, die bei täglich 167 Millionen Kubikmetern Gas liegt.
„Kein technischer Grund“: Erneute Drosselung der Gas-Lieferung stößt auf Unverständnis
Gazprom hatte die Lieferungen über Nord Stream 1 nach einer zehntägigen Wartung erst am vergangenen Donnerstag wieder aufgenommen. Seitdem war die Pipeline praktisch durchgängig zu 40 Prozent ausgelastet. Nach Daten von Nord Stream 1 floss auch am Montag konstant diese Menge durch die Pipeline.
„Es gibt nach unseren Informationen keinen technischen Grund für eine Reduktion der Lieferungen“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums am Montag. „Wir haben die Ankündigung zur Kenntnis genommen. Wir beobachten die Lage im engen Austausch mit der Bundesnetzagentur und dem Krisenteam Gas genau.“
„Putin spielt ein perfides Spiel“, sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur. Seine Strategie sei durchsichtig. „Er versucht, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Dafür schürt er Unsicherheit und treibt die Preise. Dem setzen wir Geschlossenheit und konzentriertes Handeln entgegen.“
Russland hatte im Juni die Liefermenge bereits zwei Mal gekürzt und wegen des Ukraine-Kriegs verhängte westliche Sanktionen dafür verantwortlich gemacht. Sie würden Reparatur-Arbeiten an der Ausrüstung verhindern.
Vergangene Woche drohte der russische Präsident Wladimir Putin mit einer weiteren Drosselung, sollte eine defekte Siemens-Turbine, die in Kanada repariert wurde, nicht in Russland eintreffen. Am Montag machte Gazprom erneut die Sanktionen der EU und Großbritanniens für die Verzögerungen bei der Lieferung der Turbine verantwortlich.
Gazprom kürzt Gas-Lieferung erneut: Deutschland steht vor Problemen
Die kanadische Regierung hat auf Drängen der Bundesregierung dem Siemens-Konzern inzwischen erlaubt, trotz der Russland-Sanktionen die Turbine zunächst nach Deutschland zu bringen. Die Entscheidung war in der Ukraine auf heftigen Protest gestoßen.
Die Turbine traf laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anfang vergangener Woche in Deutschland ein. Sein Ministerium verwies am Montag nochmals darauf, dass für die Weiterlieferung nach Russland nach EU-Sanktionsrecht keine Ausnahmegenehmigung nötig sei.
Die EU hatte nach Kriegsbeginn massive Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, die Gas-Importe davon aber zunächst ausgenommen. Der Krieg in der Ukraine hat die Gaspreise weltweit in die Höhe schnellen lassen und die Abhängigkeit Deutschlands und anderer EU-Staaten von russischen Gaslieferungen deutlich zu Tage treten lassen.
Angesichts drohender Versorgungsengpässe im Winter hatte die Bundesregierung vergangene Woche die Vorgaben für die Befüllung der deutschen Gasspeicher erhöht. Neu eingeführt wird dabei ein Zwischenziel im September von 75 Prozent. Die bestehenden Ziele für Oktober und November werden um jeweils fünf Prozentpunkte auf 85 und 95 Prozent erhöht.
Russlands Vergeltung? Habeck spricht von Erpressung
Habeck zufolge sollte damit verhindert werden, dass aus den 23 Speichern in Deutschland Gas verkauft wird. Bei nochmals reduzierten Liefermengen über Nord Stream 1 wird es aber nun noch schwieriger, diese Ziele zu erreichen.
Westliche Staaten werfen Russland vor, die Gaslieferungen als Vergeltung für westliche Sanktionen zu drosseln. Russland nutze seine große Macht, „um Europa und Deutschland zu erpressen“, hatte Habeck nach der Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 1 vergangenen Donnerstag erklärt. (afp)