Germanwings-Absturz25 Minuten vor dem Aufprall aß der Todespilot noch sein Frühstück
- Abschussbericht: Lubitz schloss mit Ärzten „Nicht-Selbstmord-Pakte“
- Er hatte keine Versicherung gegen Fluguntauglichkeit
- Mediziner hielten sich an Schweigepflicht – Germanwings erfuhr nichts
Marseille – „Der Copilot aß seine Mahlzeit während des Steigfluges um ca. 09:15 Uhr.“ Es sind Details wie diese, die den Abschlussbericht über die Germanwings-Katastrophe für die Angehörigen, für die ganze Welt, so verstörend macht: Kurz nach dem Start in Barcelona aß Andreas L. († 27) noch sein Frühstück – nur 25 Minuten später riss er 149 Menschen mit in den Tod.
Tragödie jährt sich zum ersten Mal
Fast genau ein Jahr nach der schlimmsten Tragödie der jüngeren Luftfahrtgeschichte, legte die französische Untersuchungsbehörde BEA am Sonntag ihren Abschlussbericht vor.
Das 123-Seiten-Dokument dürfte den Angehörigen auch bei ihrer Schmerzensgeld-Klage in den USA helfen.
Detailliert werden die Abläufe am Morgen des 24. März 2015 geschildert. Um 9.12 Uhr, noch während des Steigflugs auf der Route Richtung Düsseldorf betritt ein Flugbegleiter das Cockpit, offenbar um L. und dem eigentlichen Kapitän Stefan T. († 34, Name geändert) Essen zu bringen. „Im Anschluss folgten einige Diskussionen zwischen dem Copiloten und dem Kapitän darüber, wie mit der Verspätung, die durch den späten Abflug aus Barcelona verursacht worden war, umgegangen werden sollte“, steht im Bericht. „Um 09:30:08 Uhr sagte der Kapitän zum Copiloten, dass er das Cockpit verlassen würde und bat ihn den Sprechfunk zu übernehmen, was der Copilot bestätigte.“
Hätte das Unglück verhindert werden können?
Es war der Moment, auf den L. gewartet hatte – er war alleine. Prompt stellte er die Flughöhe im Autopiloten auf den Minimalwert bei einem Airbus 320: 100 Fuß, 30,48 Meter.Der Bericht weiter: „Um 09:40:56 Uhr wurde eine Master Caution aufgezeichnet; dann um 09:41:00 Uhr wurde eine Master Warning ausgelöst, welche für den Rest des Fluges aktiv blieb. Um 09:41:06 Uhr stoppte die Aufzeichnung des CVR in dem Moment der Kollision mit dem Gelände.“
Der grausame Tod in den französischen Alpen – hätte er verhindert werden können? Der Opfer-Anwalt Christof Wellens (53) sieht jedenfalls die Airline durch den Bericht belastet. „Er zeigt deutlich die Mängel bei der Auswahl, der Einstellung und der Überwachung des Copiloten“, sagte Wellens.
„Der Lufthansa-Konzern hat einen psychisch krankhaft vorbelasteten Pilotenanwärter eingestellt und ausgebildet, ein Fehler mit schrecklichen Folgen. Weiterhin wurde er trotz einer Einschränkung der Flugerlaubnis wegen der Vorerkrankung nicht mehr psychiatrisch untersucht.“
Co-Pilot war immer wieder in Behandlung
Bei der toxikologischen Untersuchung von Leichenteilen des Co-Piloten stellten die Ermittler zahlreiche Medikamente fest: Citalopram, Mirtazapin (beides Antidepressiva), und das Schlafmittel Zopiclon.Dutzende Male war L. seit 2008 in Behandlung, schloss mit Ärzten „Nicht-Selbstmord-Pakte“. Seit Dezember 2014 wurde die Situation besonders schlimm. „Der Copilot hatte sechs dokumentierte Krankheitsperioden während der vergangen drei Monate und war in dieser Zeit an 35 Tagen geflogen. Es war jedoch keinem seiner Kollegen oder Vorgesetzten möglich, seine eingeschränkte Flugtauglichkeit zu entdecken“, so der Bericht.
Keiner der Ärzte teilte der Lufthansa oder den Behörden – wegen ihrer Schweigepflicht- die mutmaßliche Diagnose („Erkrankung mit Symptomen einer psychiatrischen Störung, wahrscheinlich einer psychotisch depressiven Episode“) mit.
L. selbst war sich seiner Probleme lange bewusst, wie aus E-Mails hervorgeht. Doch laut Bericht fürchtete er neben dem Verlust des Ansehens auch finanzielle Folgen. Ihm fehlte eine Versicherung, „die das Risiko des Verlusts des Einkommens im Falle von Fluguntauglichkeit abgedeckt hätte.“