Der Krieg in der Ukraine tobt weiter. Die russischen Angreifer planen eine neue Offensive, die ukrainischen Verteidiger halten mit westlichen Waffen dagegen. Eine schier ausweglose Situation, für die es nur drei Auswege gibt.
Besteht eine echte Chance gegen Putin?Expertin nennt „das wahrscheinlichste Szenario“ für ein Ende des Ukraine-Kriegs
Binnen drei Tagen sollte Kyjiw von der russischen Armee eingenommen sein, behauptete der russische Machtinhaber Wladimir Putin zu Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Doch Kyjiw wurde nicht binnen drei Tagen eingenommen. Die ukrainische Hauptstadt steht, wie viele andere wichtige Städte der Ukraine, unter ukrainischer Kontrolle. Kein Blitzsieg, wie Putin es sich gewünscht hatte, eher ein Unentschieden für beide Kriegsparteien. Verhandlungen strebt weder Russland noch die Ukraine an. Wie soll dieser Krieg ausgehen? Einige mögliche Szenarien für ein Ende des Krieges gibt es schon.
„Es gibt keine Anzeichen für ein baldiges Ende“, sagt Jon Alterman von der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies. „Jede Seite denkt, dass die Zeit auf ihrer Seite ist und dass es ein Fehler wäre, sich jetzt zu einigen.“ Beobachter befürchten, dass der Krieg im zweiten Jahr noch heftiger werden könnte und rechnen mit einer russischen Frühjahrsoffensive.
Beobachter: Krieg könnte heftiger werden
Die Ukraine scheint jedoch entschlossen zu sein, verlorene Gebiete zurückzuerobern, wobei der Westen sie immer stärker mit Waffen unterstützt. Kyjiw will auch die bereits 2014 von Moskau annektierte Halbinsel Krim wieder unter seine Kontrolle bringen, ein Vorhaben, das im Westen auf Skepsis stößt. Der französische Präsident Emmanuel Macron sicherte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kürzlich in Paris zu, er sei „entschlossen, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen“.
Das bedeute aber nicht, dass der Krieg zwangsläufig mit einer klaren russischen Niederlage enden müsse, sagte Liana Fix vom US-Thinktank Council on Foreign Relations. „Ich denke, das wahrscheinlichste Szenario sind ukrainische Gewinne, die zu einem ausreichenden Sieg führen“, sagt sie. Russland könnte zwar eine große Zahl neuer Soldaten mobilisieren, doch müssten diese ausgebildet, ausgerüstet und verpflegt werden– Aufgaben, bei denen die russische Armee „in diesem Krieg bisher wirklich schlecht war“.
Dimitri Minic von der französischen Denkfabrik Ifri hält die Art der Waffen, welche die Ukraine von ihren westlichen Verbündeten erhält, für kriegsentscheidend. Artillerie mit größerer Reichweite zum Beispiel „könnte es der ukrainischen Armee ermöglichen, den Zyklus von Angriff, Gegenangriff und Verteidigung zu durchbrechen und einen entscheidenden Sieg zu erringen“, sagt er.
Russland sei bereit, alles zu tun, um sein Gesicht zu wahren
Er verweist aber auch auf die Entschlossenheit des Kremls: „Die Russen sind bereit, alles zu tun, um die besetzten Gebiete zu halten und ihre Eroberungen fortzusetzen, einschließlich einer unbegrenzten Mobilisierung und der Verarmung ihres gesamten Landes, wenn es sein muss.“
US-Experte Alterman könnte sich auch „einen Führungswechsel in Russland vorstellen, der den Krieg beendet“. Oder eine Art Waffenstillstand. „Aber es ist noch zu früh ist, um das zu sagen“, sagt Alterman. Bislang hat keine der beiden Seiten echte Verhandlungsbereitschaft signalisiert.
Ukraine und Russland sind nicht bereit für Verhandlungen
Selenskyj hat einen Zehn-Punkte-Friedensplan vorgelegt, der die Anerkennung der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland und den Abzug aller russischen Truppen vorsieht. Nach Einschätzung Minics könnte Russland zeitweilig die Unabhängigkeit der Ukraine und sogar eine proeuropäische und Nato-nahe Führung in Kyjiw akzeptieren, aber „nur im Austausch für die Anerkennung der russischen Eroberungen in der Ukraine“. Dazu werde die Ukraine jedoch auf keinen Fall bereit sein, sind sich die Experten einig.
Sie beschäftigt auch die Frage, ob Russland im weiteren Verlauf des Krieges Atomwaffen einsetzen wird. Die anfänglichen Drohungen Moskaus mit einem Nuklearschlag hätten sich als „Bluff“ erwiesen, sagt die Politologin Fix. Sollte es der Ukraine gelingen, die Krim zurückzuerobern, könnte ein nukleares Szenario jedoch zu einer „sehr ernsten Möglichkeit“ werden, vermutet Minic.
Nuklearschlag könnte eine „sehr ernste Möglichkeit“ werden
Käme es so weit, könnten die internen Auseinandersetzungen in Russland aus Angst vor einem Atomkrieg eskalieren. Jeder Einsatz von Atomwaffen würde als Beweis für die Schwäche von Präsident Wladimir Putin gewertet, sagt er.
Auch Wahlereignisse könnten einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Krieges haben - vor allem die Parlamentswahl in der Ukraine im Oktober und die Präsidentschaftswahl in den USA 2024. Für dieses Jahr ist die Unterstützung Washingtons gesichert, aber die Zustimmung des Kongresses zu einem neuen Hilfsprogramm für die Ukraine sei keineswegs garantiert, sagt Fix.
Einige Regierungen in Europa könnten ebenfalls mit politischer Opposition gegen den Krieg konfrontiert werden, je länger dieser dauert. Auch deshalb „müssen wir 2023 einige bedeutende Vorstöße und Siege der Ukraine sehen“, sagt die Politologin. (afp)