„Müssen uns darauf einstellen“Verfassungsschutz warnt vor brisanter China-Aktion in Deutschland

Ein Höhenballon schwebt am 1. Februar über Billings im US-Bundesstaat Montana. Der Verfassungsschutz warnt vor chinesischen Spionageaktionen auch für Deutschland.

Ein Höhenballon schwebt am 1. Februar über Billings im US-Bundesstaat Montana. Der Verfassungsschutz warnt vor chinesischen Spionageaktionen auch für Deutschland.

In den vergangenen Wochen haben chinesische Methoden für Wirbel gesorgt: Über den USA wurde ein mutmaßlicher Aufklärungsballon abgeschossen. Nun warnt auch der deutsche Verfassungsschutz vor Spionageaktionen hierzulande.

von Martin Gätke  (mg)

Am Ende war nur noch eine riesige weiße Hülle übrig, die im Meer vor South Carolina herumschwamm: Der Abschuss eines mutmaßlichen Spionageballons sorgte weltweit für Aufsehen. Ein Kampfjet hatte das Flugobjekt am vergangenen Samstag abgeschossen.

Die US-Behörden sind sich sicher: China wollte mit diesem Ballon das Land ausspionieren. Solche Ballons hätten schon seit Jahren Informationen über militärische Einrichtungen gesammelt. An dem Fluggerät sei eine Antenne sowie Solarmodule, Ruder und Propeller befestigt gewesen. Peking wiederum erklärt, das sei ein Forschungsballon gewesen.

China: Verfassungsschutz warnt vor Spionage-Aktionen in Deutschland

So oder so: Das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen beiden Ländern wird nun noch weiter belastet. Derweil werden auch in Deutschland die Befürchtungen größer, China könnte seine Spionageaktionen auch hierzulande ausweiten, um an brisante Informationen zu kommen. Davor warnt nun der Präsident des Verfassungsschutzes.

Thomas Haldenwang erklärt im Gespräch mit der „Welt“, dass die Behörde alarmiert sei. „China entfaltet breit gefächerte Ausspäh- und Einflussaktivitäten. Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese in den kommenden Jahren noch zunehmen werden“, so Haldenwang. Einst hab der Fokus für China eher auf der Wirtschaftsspionage gelegen – nun rücke die Politik ins Visier.

Medienberichte haben nach dem Abschuss des Ballons über der USA angedeutet, dass China viel mehr Länder im Visier habe, von rund 40 Ländern war die Rede. Auch Deutschland?

Etwa zur selben Zeit wie beim USA-Vorfall ist auch ein Ballon über Lateinamerika gesichtet worden. Am Freitag würde über Alaska ein Flugobjekt abgeschossen – ob es ein Ballon war, ist noch unklar.

China: Ballonflüge auch über Deutschland?

Bislang zumindest, so erklärte das Bundesinnenministerium, habe es keine Informationen darüber gegeben, dass derlei ominöse Ballon-Flüge über Deutschland stattgefunden hätten. Man gehe jedoch davon aus, dass Deutschland eines der bedeutendsten nachrichtendienstlichen Ziele Chinas sei.

Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China ist einer Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge so groß wie nie. Diese Entwicklung sei gefährlich, heißt es darin. Gerade im Falle eines bewaffneten Konflikts um Taiwan wäre die deutsche Wirtschaft erpressbar. Deutschland müsse bei Importen dringend unabhängiger werden.

Der Verfassungsschutzpräsident Haldenwang warnt gegenüber „Welt“ davor, dass aus derlei wirtschaftlichen Abhängigkeiten auch eine politische Einflussnahme entstehen könne.

China verfolge eine langfristig angelegte Strategie zur Umsetzung seiner Ziele. „Die politische Führung setzt ihre wirtschaftliche Macht, die sich auch aus intensiven Beziehungen zur deutschen und europäischen Wirtschaft ergibt, bereits zur Umsetzung politischer Ziele ein.“

China: „Übersee-Polizeistationen“ in Deutschland

Zuletzt war auch die Stimmung zwischen Deutschland und China angespannt: Nachdem die Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann Anfang des Jahres mit einer FDP-Delegation nach Taiwan reiste, reagierte Peking mit Drohungen.

Zudem belasten laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ illegale sogenannte „Übersee-Polizeistationen“ die Beziehung, die Peking im Ausland betreibt. Die Nichtregierungsorganisation „Safeguard Defenders“ hatte bereits im vergangenen Jahr 54 solche Einrichtungen in 30 Staaten auf fünf Kontinenten öffentlich gemacht – auch in Deutschland. Deutsche Sicherheitsbehörden wüssten demnach bereits seit Mitte 2018 von deren Existenz.

Chinesischstämmige Personen mit guten Kontakten zu offiziellen Stellen hätten die Einrichtungen, sogenannte „Service-Stationen“, betrieben – zum Teil aus China-Restaurants heraus. Sie sollen ihren deutschen Sitz in Bornheim bei Bonn und in Neuss haben.

Sie sollen Diaspora-Chinesen bei Passangelegenheiten unterstützt haben, sie gleichzeitig aber auch ausgespäht haben. Die Bundesregierung habe den Druck auf China erhöht, für eine Schließung der meist verdeckt arbeitenden Stationen zu sorgen.