Festnahme erschüttert die TürkeiErdogan lässt in Millionen-Metropole Straßen sperren – „Putschversuch“

Ekrem Imamoglu ist Bürgermeister von Istanbul - und gilt als aussichtsreicher Herausforderer des mächtigen Präsidenten Erdogan. In Istanbul sind viele Straßen nach seiner Festnahme gesperrt. Die Finanzmärkte werde von der innenpolitischen Krise erschüttert.

Nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters und Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu sind in der Millionenmetropole mehrere Straßen gesperrt worden. Vor dem Rathaus protestieren zahlreiche Menschen gegen die Festnahme.

Vier Tage lang bleiben laut dem Gouverneursamt in der Innenstadt ausgewählte Straßen gesperrt, zudem werden mehrere Bahnstationen geschlossen. Auch seien alle Arten von Versammlungen und Demonstrationen bis zum 23. März verboten, „um die öffentliche Ordnung in der gesamten Provinz aufrechtzuerhalten und mögliche Provokationen zu verhindern“.

Türkische Opposition prangert „Putschversuch“ an

Imamoglu war am Morgen, wenige Tage vor seiner geplanten Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten der größten Oppositionspartei in der Türkei, festgenommen worden. Dessen Partei CHP sprach von einem versuchten Staatsstreich. Die Türkei erlebe gerade „einen Putschversuch gegen den nächsten potenziellen Präsidenten“, sagte der Chef der Oppositionspartei CHP, Özgür Özel, im Fernsehen.

Erdogan wisse, dass Imamoglu ihn bei den nächsten Wahlen besiegen könne. Özel forderte Erdogan und seine Partei auf, seine Rolle in dem versuchten Staatsstreich offenzulegen.

Ermittlungen gegen Imamoglu wegen zahlreicher Vorwürfe

Gegen Imamoglu wird wegen zahlreicher Vorwürfe ermittelt. Die türkische Justiz legt dem Oppositionspolitiker der sozialdemokratischen CHP und Dutzenden weiteren Beschuldigten in zwei unterschiedlichen Verfahren Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus und organisierter Kriminalität zur Last, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Gilt als aussichtsreicher Herausforderer des mächtigen Präsidenten Erdogan: der Istanbuler Bürgermeister und Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu (hier im Mai 2019 in Istanbul).

Gilt als aussichtsreicher Herausforderer des mächtigen Präsidenten Erdogan: der Istanbuler Bürgermeister und Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu (hier im Mai 2019 in Istanbul).

Konkret gehe es dabei um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, Betrug und Ausschreibungsmanipulation. In dem Fall sei die Verhaftung von 99 Menschen angeordnet worden. Gegen sieben Personen, darunter auch Imamoglu, werde zudem wegen der Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ermittelt.

Am Mittwoch wurden laut Anadolu 79 Menschen festgenommen, darunter auch die Bürgermeister zweier Istanbuler Gemeinden und ein bekannter Sänger.

Verhaftung erschüttert türkische Finanzmärkte – Klingbeil findet klare Worte

In der Türkei hat der Haftbefehl die Finanzmärkte erschüttert. Die Landeswährung Lira sackte zum US-Dollar auf ein Rekordtief ab, der Aktienmarkt brach ein und am Anleihenmarkt zogen die Renditen deutlich an.

SPD-Chef Lars Klingbeil bezeichnet die Festnahme als „schweren Angriff“ auf die Demokratie in der Türkei. Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Bereits gestern wurde ihm sein Universitätsabschluss aberkannt. Der Versuch, ihn aus dem politischen Wettbewerb auszuschalten, ist unübersehbar. Die türkische Regierung zeigt damit, dass sie keine fairen Wahlen und keinen unabhängigen Rechtsstaat mehr will. Das Vorgehen ist unverhältnismäßig und zerstört Vertrauen und Glaubwürdigkeit mit dramatischen Folgen für das ganze Land.“ (dpa/mg)