Was geht im größten Atomkraftwerk Europas vor sich? Seit dem Sommer vergangenen Jahres gehen Experten und Expertinnen der UN-Atomenergiebehörde IAEA dieser Frage in Saporischschja im Süden der Ukraine nach. Doch nun sorgen neue Entwicklungen für schlimme Befürchtungen.
Ukraine warnt„Katastrophe, wie sie Europa noch nie erlebt hat“
Seitdem Russlands Präsident Wladimir Putin im vergangenen Februar die Ukraine überfallen hat, blickt der Westen mit einiger Sorge auch auf Europas größtes Atomkraftwerk Saporischschja. Immer wieder fielen hier im Verlauf des Krieges Schüsse, mehrere Male kam es zu Angriffen, für die sich Moskau und Kyjiw gegenseitig verantwortlich machten.
Mittlerweile hat sich Russland auch Saporischschja einverleibt, die gesamte Region wurde von Putin völkerrechtswidrig annektiert. Die Ukraine fordert seitdem den sofortigen Abzug des russischen Militärs, Entmilitarisierung und die Wiederherstellung der ukrainischen Kontrolle.
Aktuell geriet das Kraftwerk erneut in den Fokus, weil Russland sich quer stellt. Die Ukraine warnt vor einer Katastrophe und auch das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz sieht ein Risiko.
Ukraine: „Es könnte zu einer Katastrophe kommen“
In einem aktuellen Schreiben des ukrainischen Außenministeriums, aus dem am Montag (20. Februar) das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) zitiert, heißt es, Russland würde den Wechsel der Experten der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) verhindern. „Moskau muss die Rotation der IAEA-Experten unverzüglich ermöglichen und dafür sorgen, dass sie sofort sicher durch die vorübergehend besetzten Gebiete der Ukraine zum Kernkraftwerk gelangen“, heißt es demnach. Nehmen Sie hier an unserer Umfrage teil:
Das ukrainische Außenministerium wirft Russland vor, das Kernkraftwerk stattdessen weiter zu militarisieren und Ausrüstung und Soldaten auf dem Gelände zu stationieren. „Wenn das kriminelle Vorgehen Russlands im ukrainischen Atomkraftwerk nicht gestoppt wird, könnte es zu einer Katastrophe kommen, wie sie Europa noch nie erlebt hat“, wird aus dem Schreiben weiter zitiert.
Ukraine: Auch Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) warnt
Saporischschja liegt in der Südukraine am Fluss Dnipro und damit an der Frontlinie, im Verlauf des Krieges wurden immer wieder Befürchtungen laut, es könnte zu einer ähnlichen Atomkatastrophe kommen könnte wie 1986 in Tschernobyl. Vor Monaten hatten IAEA-Experten Zutritt zum Kraftwerk erlangt und das Gelände inspiziert. Dabei wurden Schäden an sechs Reaktoren und den Lagerstätten und nuklearem Abfall festgestellt. Die IAEA hatte vor, eine kontinuierliche Präsenz vor Ort aufzubauen.
Nur wenige Tage nach Ausbruch des Krieges 2022 hat Russland gezielt die Stromversorgung und das AKW angegriffen, von Bombenangriffen und schwerem Beschuss wurde berichtet, es gab ein Brand in der Anlage. Seitdem kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen, wie der des staatliche ukrainische Energieversorgers Energoatom berichtet.
Erst am vergangenen Wochenende hätten sich während eines massiven russischen Raketenangriffs zwei Marschflugkörper gefährlich nahe der Anlage genähert. „Die Gefahr, den Reaktor mit möglichen Folgen wie einer nuklearen Katastrophe zu treffen, war erneut hoch.“ Die Ukraine drängt auf eine Sicherheitszone rund um das AKW.
Auch das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) warnt weiterhin vor der Gefahr eines Atomunfalls. Das stark erhöhte Risiko eines nuklearen Unfalls mit erheblichen Folgen bestehe fort, solange der Krieg dauere, sagte Präsidentin Inge Paulini am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. (mg)