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„Die Zeiten sind vorbei“Andrea Kiewel überrascht mit pikanten Einblicken
Köln – Sie gehört zum Sonntagmorgen wie die Mainzelmännchen zum ZDF: Andrea Kiewel (55), von ihren Fans nur „Kiwi“ genannt, ist (mit Unterbrechungen) seit 20 Jahren Chefin im sommerlichen „ZDF-Fernsehgarten“ – (fast) immer fröhlich, unüberhörbar, eine Stimmungskanone.
Dabei übersehen und überhören wir oft, dass sie auch ganz andere Facetten hat.
Andrea Kiewel berichtet in neuem Buch über ihre unbekannten Seiten
Wie sie wirklich ist, das verrät Andrea Kiewel in ihrem neuen – und nicht immer sonnigen – Lebenserinnerungsbuch „Meist sonnig“ (Eden Books, 18,95 Euro) – und im großen, intimen Gespräch mit dem EXPRESS.
Sie bezeichnen Ihr Buch als „Liebeserklärung ans Leben“. Worum geht’s?Andrea Kiewel: Ich habe einfach mal die Lebens-Pausentaste gedrückt und geguckt, wie es im Hier und Jetzt um mich rum aussieht. Ich habe drüber nachgedacht, wie ich als erwachsene Frau, Mutter, Tochter, Fernsehmoderatorin, Geliebte, Freundin im Leben klarkomme. Wie es war, wie es ist. Das habe ich aufgeschrieben. Das wurde dann diese Liebeserklärung.
Wann haben Sie es geschrieben?Ich habe 2019 begonnen, dann pausiert, im März 2020 wieder angefangen, das war in Tel Aviv zur Quarantänezeit. Ich hatte die Wahl zwischen einem Espresso mit einem kräftigem Schuss Wodka oder dem Schreiben. Ich habe mich fürs Schreiben entschieden. Es war keine leichte Geburt. Manchmal habe ich mich sehr knapp bekleidet gefühlt, ich habe viel von mir preisgegeben – von dem, was mich sehr glücklich macht, bis hin zu Niederlagen und Dingen, die mir nicht gelungen sind.
Was hat zu Ihrem Lebensglück beigetragen?Dass ich nicht nur herausgefunden habe, wie und wo ich leben möchte, sondern dass ich das tatsächlich mache – in Tel Aviv. Ich könnte auch in Deutschland leben und ganz viel arbeiten, Veranstaltungen machen, von einer Messe zur anderen rasen, Fernsehsendungen moderieren. Doch ich habe mich sehr bewusst für das komplette Kontrast-Programm entschieden und führe in Tel Aviv ein Leben unterm Radar.
Man hört, das alles sei bei Ihnen auch der Liebe wegen so gekommen...Manchmal gibt es Liebe dazu, manchmal nicht. Jetzt wieder (lacht).
Leben in Israel, arbeiten in Deutschland – wie organisieren Sie das?Ich pendle. In „Fernsehgarten“-Zeiten bin ich abwechselnd zwei Wochen in Deutschland und dann in Israel, außerhalb der Saison weitestgehend in Israel.
Wie kam es dazu?Ich habe viel für die WIZO gearbeitet, das ist eine weltweite Vereinigung von Frauen, die Israel unterstützen. Israel kam mir so immer näher, eines Tages wollte ich unbedingt mehr über das Land erfahren. Ich bin 2000 hingereist – und es war um mich geschehen: Ich landete auf dem Flugplatz Ben-Gurion, fuhr mit dem Bus nach Tel Aviv, stieg aus, hörte hebräische Sprachfetzen, sah die Menschen, roch die Luft, wusste: Hier bin ich zuhause.
Sprechen Sie hebräisch?Ein bisschen kann ich, ich will aber mehr können, lerne wie verrückt. Noch bin ich Lichtjahre davon entfernt, ein Interview auf hebräisch zu geben oder gar eine TV-Show zu moderieren. Ich habe mich immer für sprachbegabt gehalten, weil mir Russisch leicht fiel. Aber Hebräisch ist ein ganz anderes Kaliber. Wenn ich Schulnoten bekäme, hätte ich im Reden eine 3 bis 4, im Verstehen eine solide 3, im Schreiben eine 5 bis 6.
Das Verhältnis Deutschland – Israel ist speziell. Wie reagieren israelische Nachbarn auf Sie?Aus Angst vor schlimmen Reaktionen habe ich zuerst nie gesagt, dass ich aus Deutschland, sondern immer, dass ich aus Berlin komme. Natürlich hat sich das längst geändert. Es ist noch nie jemand unhöflich geworden, wenn ich ihm sagte, dass ich Deutsche sei. Der beste Beweis, dass Liebe und Vergebung die Dinge zwar nicht vergessen, aber gesunden lassen.
Sie haben uns mal erzählt, dass Sie unter Flugangst leiden. Ist’s besser geworden?Die Flüge zwischen Israel und Deutschland machen mich immer noch total fertig. Ich habe alles probiert – Flugtraining, Meditation, Kassettenhören. Das war so lange erfolgreich, bis ich wieder im Flieger saß und es zu Wackeln begann. Ich habe immer noch schreckliche Angst, kann an Bord nicht mal auf Toilette gehen! Als wir das letzte Mal durch ein Gewitter flogen, war ich pitschnass geschwitzt, hatte Tränen in den Augen.
Corona hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Waren Sie 2020 privat eigentlich so fröhlich, wie man es von Ihnen erwartet?Ich war diesen Sommer weder vor der Kamera noch privat fröhlich. Ich musste mich jeden Tag in den Allerwertesten treten, um mir meinen Kummer, meine Sorgen und meinen Frust nicht anmerken zu lassen.
Anderes großes 2020-Thema war das Jubiläum 30 Jahre Wiedervereinigung. Sie kommen aus dem Osten – wie haben Sie alles vor 30 Jahren empfunden?Als es zur Wiedervereinigung kam, war meine größte Sorge, dass irgendjemand bemerken könnte, ich sei aus dem Osten. Ich fühlte mich als Deutsche zweiter Klasse, bin auch so behandelt worden. Hätte mir da jemand gesagt, dass ich mal den „Fernsehgarten“ moderiere – vollkommen unvorstellbar.
Klingt nicht so toll…Mir wurde schnell klar, dass 63 Millionen Westdeutsche mehr sind als 17 Millionen Ostdeutsche. Nichts, was von uns kam, hatte Einfluss auf das Leben der Westdeutschen, die uns aber vermitteln wollten, dass alles aus dem Westen besser war – Musik, Essen, TV, Klamotten und Frisuren. Wir waren die schrullige Verwandtschaft, die man nur zu Weihnachten einlädt, und die so merkwürdig aussieht. Dann aber, nach zwei, drei Jahren, wurde es bei mir anders. Ich hörte auf, mich zu verstellen, wusste wieder, wer ich bin, und merkte, so wie ich bin, so bin ich gut.
In Ihrem Buch geben Sie auch einen Blick in Ihr ganz privates Leben frei. Sie schreiben auch über Sex – warum eigentlich?Warum nicht? Ich schreibe ja nicht, was ich da am liebsten mag, sondern, dass ich – wie alle anderen auch – Sex habe. Die Zeiten sind vorbei, in denen man darüber nur hinter vorgehaltener Hand flüsterte.
Sie berichten übers Erlebnis mit einem Mann, der mit Ihnen einen Porno nachspielen wollte...Na und? Wenn ich sehe, wie leicht es heute für Zehnjährige ist, diese Dinge im Internet zu sehen, dann gefriert mir das Blut in den Adern viel mehr. Darüber müssen wir reden, unbedingt. Weil heutzutage Erfolg mit Sex gleichgesetzt wird – und das ist eine toxische Mischung.
Andrea „Kiwi“ Kiewel: Früher war sie schnell im Schwimmbecken
Andrea „Kiwi“ Kiewel (geboren am 10. Juni 1965 in Ost-Berlin als Andrea Mathyssek) war in den 80ern Mitglied der DDR-Jugend-Schwimm-Nationalmannschaft. 1979 war sie Spartakiade-Siegerin mit der 4×100-m-Lagen-Staffel des SC Dynamo Berlin. 1982 erreichte sie den 6. Platz über 50 m Freistil bei den DDR-Meisterschaften.
1983 studierte sie auf Lehramt (Sport und Deutsch), von 1988 bis 1991 war sie Lehrerin in Berlin-Hellersdorf. 1990 wurde sie Moderatorin beim DDR-Sender Deutscher Fernsehfunk.
Von 1993 bis 2000 sah man sie im Sat.1.Frühstücksfernsehen. Seit 2000 – mit Unterbrechungen – moderiert sie den „ZDF-Fernsehgarten“. Und seit 2013 führt sie durch die ZDF-Silvestersendungen (wie auch 2020). Sie ist verwitwet, hat zwei Söhne, lebt in Tel Aviv (und Frankfurt).